# taz.de -- Umweltaktivismus im arabischen Raum: Der Klima-Frühling | |
> Die Revolutionsbewegungen haben vielen Aktivisten Mut gemacht. Sie | |
> engagieren sich für die Umwelt – oft unter schwierigen Bedingungen. | |
Bild: Als Klimaaktivistin und Frau ist sie in ihrem Land in einer speziellen Ro… | |
PARIS taz | Ihre Rolle sei schon eine spezielle als Frau und | |
Klima-Aktivistin im arabischen Raum, sagt Safa’Al Jayoussi und lacht. Die | |
Jordanierin ist auf dem Weg zum Gelände des UN-Klimagipfels in Paris, der | |
am Sonntag gestartet ist. Safa’Al Jayoussi trägt eine modische Sonnenbrille | |
zu ihrem Kleid. Die Haare wehen ihr ins Gesicht. „Ich glaube, ich habe auch | |
eine Verantwortung, Stereotype über arabische Frauen zu widerlegen“, sagt | |
sie. | |
Die Aktivistin arbeitet für IndyACT, eine libanesische NGO, und ist einer | |
der führenden Köpfe der noch jungen arabischen Umweltbewegung. „Dieses Jahr | |
haben wir eine riesige Mobilisierung zur Pariser Klimakonferenz im ganzen | |
arabischen Raum“, schwärmt Jayoussi. | |
Internationaler Klimaschutz sei eine „anormale Bürde“, steht indessen im | |
offiziellen Klimaschutzplan Saudi Arabiens. Es sind solche Aussagen, die | |
das Bild der arabischen Staaten als Klimaschutz-Gegner prägen. Die | |
Situation ist aber komplizierter und lässt sich nicht in schwarz-weiß | |
zeichnen. | |
Marokko beispielsweise hat eines der ehrgeizigsten Klimaschutzziele aller | |
Schwellenländer. Das Land will seine Emissionen in den nächsten 15 Jahren | |
um bis zu 32 Prozent senken. Die Vereinigten Arabischen Emirate setzen | |
zunehmend auf erneuerbare Energien. „In manchen arabischen Staaten ist der | |
Klimaschutz schon viel weiter als in den offiziellen Zusagen für die | |
internationale Klimapolitik“, analysiert Jayoussi. | |
## Der arabische Frühling als Initialzündung | |
Seit dem arabischen Frühling wächst die Klimabewegung rasant in diesen | |
Ländern – trotz oft schwieriger Bedingungen. „Ich kann meine Regierung | |
nicht offen kritisieren“ erzählt ein Klima-Aktivist und Blogger aus dem | |
Sudan. Er will anonym bleiben, um sich selbst zu schützen. Ein | |
regierungskritischer Artikel reiche aus und keine Zeitung würde ihn mehr | |
als Journalisten beauftragen. Eine offizielle Regel sei das nicht, darauf | |
verlassen könne man sich trotzdem. | |
Er schreibt keine konfrontativen Artikel – ein sudanesisches Gefängnis | |
wolle er nicht von Innen sehen. „Du weißt am Ende nicht, was mit dir | |
passiert, ob sie dich einfach irgendwo exekutieren.“ Außerdem glaube er, | |
anders mehr zu erreichen: Seine Artikel beschäftigen sich vor allem mit den | |
Vorteilen erneuerbarer Energien gegenüber Öl und Kohle. | |
In Tunesien ist der Einsatz für Klimaschutz einfacher: „Selbstverständlich | |
habe ich bei der Revolution mitgemacht”, erzählt Wassim Chaabane stolz. | |
Nach dem Sturz Ben Alis hat er die Klimaschutzorganisation EcologiePlus | |
gegründet. „Allein in den drei Jahren nach der Revolution haben sich in | |
Tunesien so viele NGOs gegründet wie in den 40 Jahren davor. In jeder Stadt | |
gibt es heute Umweltorganisationen wie unsere.“ | |
Safa’Al Jayoussi arbeitet von Jordanien aus. „80 Prozent meiner Zeit reise | |
ich aber im ganzen arabischen Raum herum oder bin auf Klimaverhandlungen“, | |
erzählt sie. Einen wirklichen Alltag gebe es kaum. „Das ist ein 24/7-Job“. | |
## Veränderungen sind sichtbar | |
Der arabische Frühling hat zwar nicht überall eine freie Zivilgesellschaft | |
zur Blüte gebracht – aber die Saat ist ausgetragen. Führende Vertreter des | |
Islam haben in der „Islamischen Erklärung zum Klimawandel” gefordert, | |
schnellstmöglich aus fossilen Energieträgern auszusteigen. | |
Saudi Arabien hat indessen gedroht, auf ein Abkommen in Paris mit einer | |
Abschwächung der nationalen Klimaschutzziele zu reagieren. Katar hat einen | |
Klimaschutzplan ohne Ziele eingereicht. Das ist paradox, denn der | |
Klimawandel trifft die Region besonders hart. | |
Dennoch sieht Jayoussi Veränderungen: „Protest ist jetzt eine normale | |
Sache.“ Risiken bleiben aber dennoch: „Als erstes rate ich jedem | |
Aktivisten, sich über das Gesetz zu informieren“, warnt Jayoussi. Ins | |
Gefängnis musste sie aber noch nie. „Ich habe einen sehr guten Anwalt“, | |
erzählt sie. | |
In Jordanien hat Safa’Al Jayoussi eine große Protestaktion gegen die | |
Zerstörung eines Urwaldgebiets organisiert. Zusammen mit anderen Aktivisten | |
blockierte sie eine Militärzufahrt zum Waldgebiet. „Ich dachte, oh Gott, | |
jetzt bin ich verantwortlich, wenn den Anderen jetzt etwas passiert“ | |
erzählt sie. „Aber wir hatten Erfolg. Alle haben darüber gesprochen. Nicht | |
nur in Jordanien haben die Medien darüber berichtet. Am Ende haben wir die | |
Abholzung gestoppt.“ | |
Der Klimagipfel in Paris ist der erste, an dem die Staatsoberhäupter aus | |
Jordanien und Marokko teilnehmen. „Wir können eine Veränderung sehen“, sa… | |
Jayoussi. Die nächste große Klimakonferenz findet 2016 in einem arabischen | |
Land statt: in Marokko. | |
Andreas Sieber ist 24 Jahre alt und wird während der Klimakonferenz in | |
Paris mit dem journalistischen „[1][Climate Tracker Stipendium]“ gefördert. | |
1 Dec 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://adoptanegotiator.org/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Sieber | |
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