# taz.de -- Arabische Feministin Fatima Mernissi: Das Wort ergreifen | |
> Am Montag starb die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi im Alter von | |
> 75 Jahren. „Geschlecht, Ideologie, Islam“ heißt ihr Hauptwerk. | |
Bild: Fatima Mernissi, eine arabische Feministin und Demokratin | |
Fatima Mernissi hatte Präsenz. Sie war redegewandt, charmant, gebildet, | |
offensiv. Sie fiel auf. Ihre Leidenschaft für das marokkanische Handwerk – | |
fein ziseliertes Silber, schön gewebte Schals – ließ sie aus jeder | |
Feministinnenrunde herausstechen. | |
Ein Hauch von Orient umgab sie, die Soziologie-Professorin mit dem | |
spielerischen Verhältnis zum wissenschaftlichen Diskurs. Eine arabische | |
Feministin und Demokratin, die die Auseinandersetzung mit der Rolle der | |
arabischen Frau mit dem Westen suchte. Mit wachsender Berühmtheit dort | |
belebte sie diesen Diskurs auch im konservativen Marokko. | |
Fatima Mernissi wurde 1940 in Fes geboren. Sie gehört zu der Generation | |
arabischer Frauen, die nach der Unabhängigkeit ein neues, modernes | |
Selbstverständnis entwickelten. Sie studierte Politikwissenschaft und | |
Soziologie an der Sorbonne, danach promovierte sie an der Brandeis | |
University, USA, wohin sie mit ihrem afroamerikanischen Ehemann gezogen | |
war. | |
Ihre 1975 publizierte Dissertation “Geschlecht, Ideologie, Islam“ gilt als | |
Standardwerk. Ihr zentrales Buch „Der politische Harem“ wurde in dreißig | |
Sprachen übersetzt, in Marokko wurde es jahrelang nur als Bückware | |
gehandelt. Mernissis Grundthese: Nicht der Koran sei frauenfeindlich, | |
sondern dessen Auslegung durch die Rechtsgelehrten. In ihrem | |
autobiografischen Werk “Der Harem in uns – die Furcht vor dem anderen und | |
die Sehnsucht der Frauen“ erzählt sie von ihrer Kindheit – ein Blick in den | |
Innenhof einer arabischen Familie, ein Spiel mit westlichen Fantasien. | |
Nach ihrer Scheidung kehrt Mernissi „aus Sehnsucht“ nach Marokko zurück, wo | |
sie an der Universität in Rabbat Soziologie lehrte. Für Frauen sah sie | |
wenig Erfolgschancen in der Politik. Ihr Motto für Veränderung: Prendre la | |
parole – das Wort ergreifen. Seit den 1980er Jahren organisierte sie | |
Schreibateliers. Autorenkollektive diskutierten, schrieben und publizierten | |
dort über Folter, sexuellen Missbrauch, über Fraueninitiativen, | |
Frauenträume. | |
Der letzte Sammelband beschäftigt sich mit dem brandaktuellen Thema “Jugend | |
und Gewalt“. Der Arabische Frühling begeisterte Fatima Mernissi. Die Ideen, | |
Wünsche, Forderungen, die dort verhandelt wurden, waren auch ihre | |
Hoffnungen. | |
1 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Edith Kresta | |
## TAGS | |
Zehn Jahre Arabischer Frühling | |
Feminismus | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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