# taz.de -- Regionalwahl in Frankreich: Schluss mit Fraternité | |
> Schon in der ersten Runde dürfte der Front National seine neue Stärke | |
> demonstrieren. Den Sozialisten nutzt der Popularitätsschub von Hollande | |
> wenig. | |
Bild: Abteilung Attacke: Marine Le Pen bei einer Wahlkampfveranstaltung in Nord… | |
PARIS taz | Im Zeichen des Notstands nach den Terroranschlägen und der | |
Weltklimakonferenz wird an den beiden kommenden Sonntagen in Frankreichs | |
Regionen gewählt. Unter dem ersten Schock wegen der Attentate hatte die | |
Regierung die Wahlen verschieben wollen, dann aber doch den Eindruck einer | |
Kapitulation der Demokratie vermeiden wollen. | |
Die Wahlkampagnen wurden lediglich anstandshalber ein paar Tage ausgesetzt. | |
Alles andere wäre angesichts der Forderung nach einer „Union sacrée“ | |
politisch unmöglich und moralisch deplatziert gewesen. | |
Jetzt wird wieder gestritten. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, das war | |
für die Reden bei den Gedenkfeiern für die Terroropfer. Als eigentlicher | |
Gewinner steht bereits eine Partei fest, die alles andere verkörpert als | |
die Grundwerte der Republik und die Tradition der Französischen Revolution. | |
Der rechtsextreme Front National (FN) könnte laut Umfragen die regierende | |
Linke und die bürgerliche Rechte in der Hälfte der Regionen überflügeln. | |
Dass Präsident François Hollande für seine tadellos gespielte Rolle als | |
rührender Landesvater, oberster Kriegsherr und Terroristenjäger in den | |
Popularitätsumfragen mehr als 20 Punkte zugewonnen hat und plötzlich wieder | |
überwiegend positiv bewertet wird, dürfte an dem Wahltrend nichts ändern. | |
Die Sozialisten regierten mit ihren linken Verbündeten bisher in 21 von 22 | |
Regionen. Sie dürften schon froh sein, wenn sie in zwei bis drei weiteren | |
eine relative Mehrheit erringen können. | |
Die Regionen wurden kürzlich mit umstrittenen Fusionen neu organisiert, | |
ihre Zahl wurde auf 13 verringert. Sie entsprechen damit in etwa den | |
deutschen Bundesländern, haben aber viel weniger politische und fiskalische | |
Kompetenzen, da die Macht beim Zentralstaat liegt. Offen ist nur, wie viele | |
von den 13 nach dem 13. Dezember vom FN regiert werden. | |
Dessen Gegner sind zerstritten: Die Linksparteien treten gespalten und | |
getrennt an, und die bürgerliche Opposition sagt im Voraus, eine Allianz | |
oder Absprachen gegen den FN kämen nicht infrage. Noch nie stand der FN in | |
den Prognosen auf einem so bedenklich hohen Niveau: Im Norden und an der | |
Côte d’Azur sollen seine Listen im ersten Wahlgang auf 42 Prozent kommen. | |
Am Ende könnte in zwei, drei oder vier Regionen selbst die Addition der | |
Stimmen für die linken und konservativen Listen des ersten Durchgangs nicht | |
mehr reichen, um den FN noch zu stoppen. | |
Selbst ohne den zusätzlichen Rückenwind durch das Terrorklima lief für die | |
rechtsextreme Partei von Marine Le Pen alles wie geschmiert. Denn die | |
regierende Linke hat sich auch in den Augen vieler ihrer eigenen Wähler | |
diskreditiert, weil sie in ihrem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit versagt | |
hat und jetzt in ihrer Verzweiflung auf Reformen setzt, die weniger an die | |
eigenen Wahlversprechen von 2012 erinnern als an die Forderungen der | |
rechten Opposition. | |
Diese ist freilich für eine wachsende Zahl von Wählern auch nicht | |
glaubwürdiger als die Sozialisten. Der Vorsitzende der konservativen Partei | |
„Les Républicains“, Expräsident Nicolas Sarkozy, sagt, er kämpfe priorit… | |
gegen die Sozialisten und er könne es verstehen, dass viele Wähler (mit | |
ihrem FN-Votum) „alles kaputtschlagen wollen“. Und wenn am Ende der FN von | |
dem begreiflichen Volkszorn profitiere, dann sei das halt so. Die | |
Flüchtlingsfrage und die damit verbundenen xenophoben Ressentiments treiben | |
Le Pen überdies weitere Wähler zu. | |
Im Norden, wo die siegesgewisse Marine Le Pen eine ihrer Bastionen hat, | |
wollen sich die wichtigsten Tageszeitungen nicht mit der Aussicht abfinden, | |
dass eine der größten Regionen unter die Fuchtel des FN geraten könnte. La | |
Voix du Nord, Nord Eclair und Le Courrier Picard haben in den Tagen vor dem | |
ersten Wahlgang so klar wie noch nie gesagt, warum es ihrer Ansicht nach | |
unverantwortlich wäre, der Partei von Marine Le Pen für die nächsten sechs | |
Jahre die Geschicke der Region zu übertragen. Für ihre allerdings späte | |
Mobilisierung haben die Zeitungen einen guten Grund: Der FN will nicht nur | |
alle Gelder für Multikultivereine oder Organisationen der Flüchtlingshilfe | |
stoppen, sondern auch die (geringen) regionalen Subventionen für die | |
Presse. | |
5 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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