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# taz.de -- Sozialdemokratie ist europaweit am Ende: Helmut Kohls Traum
> Der FN konnte nur mit einer demokratischen Allianz geschwächt werden. Was
> bedeutet das für Deutschland? Und vor allem: für die SPD?
Bild: So schön kann Politik sein.
Berlin taz | Europa grenzt sich ab: Im Osten machen Ungarn, Polen etc.
dicht, am Rand übernimmt die semifaschistische Türkei die Rolle des
volldiktatorischen Libyen als Trichterstaat: Viele drängen rein, wenige
kommen durch.
Doch auch innerhalb der einzelnen Staaten der Gemeinschaft geht ohne Zäune
nichts mehr. Bei den Regionalwahlen in Frankreich konnten die Zuwächse des
Front National – 6,7 Millionen Stimmen beim zweiten Wahlgang am Sonntag,
700.000 mehr als beim ersten – nur durch eine Allianz der Demokraten
neutralisiert werden; was bedeutet, dass die sozialdemokratische Linke in
zwei französischen Regionen überhaupt nicht mehr in den Parlamenten
vertreten ist.
Bei allen Unterschieden zwischen den Systemen – das Prinzip ist gesetzt:
Diejenige politische Kraft, ob Front National oder AfD, die für sich selbst
in Anspruch nimmt, das „leidende“ Volk gegen das „korrupte“ System zu
repräsentieren, wird ausgesperrt; und jenes politische Lager, das auch nach
allen Wandlungen, die die Sozialdemokratie spätestens seit 1990 vollzogen
hat, noch immer dafür stand, die je nach Betrachtungsweise vom System
Ausgegrenzten oder für das System schlicht zu Blöden einzubinden, wird
nicht etwa schwächer: Es verschwindet vollständig aus den Organen der
repräsentativen Demokratie, reiht sich ein oder verschrumpelt wie die alte
radikale Linke.
Berücksichtigt man, dass die Zahl der Rechtswähler in Frankreich unter
linken Regierungen stets ansteigt, lässt sich nicht gerade traurig
feststellen: Die Zeit der Sozialdemokratie ist zu Ende. Phänomenologisch
deutete sich das mit Schröder, Steinbrück und Gabriel schon an. Faktisch
darf sich Kanzlerin Merkel seit der Klatsche für den SPD-Chef beim
Parteitag endgültig als Chefin der Sozialchristlichen Einheitspartei
Deutschlands betrachten.
## Systemverbesserungen durch das System
Wie wird sie aussehen, die Welt, von der Helmut Kohl einst nur träumen
konnte, die Welt ohne „Sozen“? So wie das zukünftige Parlament der Region
Nord-Pas-de-Calais-Picardie, wo sich bald republikanische Rechte mit
republikanischen Islamhassern über Integrations- und Bildungsfragen
streitet.
Im Feldversuch erprobt sind solche Diskursverhältnisse längst: etwa in
Bayern, wo sich die CSU jahrzehntelang selbst Opposition genug war.
Verbesserungen am System nimmt das System vollständig selbst vor –
alternativlos war es eh schon länger. Anregungen von rechts außen werden
dabei gerne aufgegriffen: Man muss sie nur „berechtigte Ängste“ nennen.
Mauern an den Rändern, Mauern im Inneren. Ein sozialer Block von dauerhaft
vielleicht 60 Prozent der Wähler, die für die Einheitspartei – die Partei
des in jedem Fall kleineren Übels – stimmen. Ein Block, der doppelt bei der
Stange gehalten wird: durch die Furcht vor den verzweifelten Horden, die
gegen den türkischen Stacheldraht drücken, wobei die Sahne der Gebildeten
und Fotogenen (Frauen und Kinder) regelmäßig abgeschöpft und
turbointegriert wird; und durch den Abscheu vor dem Pack am rechten Rand –
das den Schönheitsfehler hat, ein Drittel der Wähler zu repräsentieren.
## Visionslose Rhetorik
Sozialdemokraten und ihre visionslose Rhetorik braucht es in diesem
Szenario jedenfalls nicht, es sei denn als Blockpartei. Und es tun sich
weitere Perspektiven auf: Eine ist, dass die neue europäische Rechte die
praktischste Opposition ist, die es je gab, das personifiziere Böse, das
den Block sakrosankt macht.
Eine andere, dass Einheitsparteien zwar zur Verkrustung neigen, aber bei
stabiler Weltlage und mit geheimdienstlicher Unterstützung sehr lange
regieren können. Klassisches Beispiel wäre hier die Democrazia Cristiana,
die vielleicht korrupteste politische Gruppierung der Weltgeschichte, die
nichtsdestotrotz mehr als 40 Jahre an der Macht blieb; und natürlich lädt
auch die deutsche Geschichte zu manch interessanter Assoziation ein.
15 Dec 2015
## AUTOREN
Ambros Waibel
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