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# taz.de -- Silvio-Meier-Demo in Berlin: Traditionsbruch im Randbezirk
> Der traditionelle Protest wird erstmals von Friedrichshain nach Marzahn
> verlegt. Überraschend: Gegenproteste von rechts bleiben weitgehend aus.
Bild: Auf ungewohntem Terrain: Antifa in Marzahn
Kurz vor dem S-Bahnhof Springpfuhl hängt ein weißes Plakat an einem Zaun
nahe den Gleisen. Gut sichtbar für alle Fahrgäste, die in Richtung Osten
unterwegs sind, steht da: „Marzahn hasst die Antifa“ – in schwarzen
Buchstaben, die beiden „S“ in Form der verbotenen Siegrunen. Eine klare
Ansage an alle, die an diesem Samstagnachmittag auf dem Weg zur jährlichen
Silvio-Meier-Gedenkdemo sind, die Opfern rechter Gewalt gewidmet ist.
Bisher fand die Demo stets in Friedrichshain statt, dort, wo der linke
Hausbesetzer Meier 1992 von Neonazis ermordet wurde. Über die Jahre ist der
jährliche Gedenkmarsch zu einer Art Familientreff der linken Szene im
eigenen Kiez geworden. Dass er in diesem Jahr in den Osten Berlins verlegt
wurde, ist daher eine entscheidende Neuerung. Als Grund für die neue
Demoroute nannte das Silvio-Meier-Bündnis die rechten Aufmärsche gegen
Geflüchtete, die in Marzahn-Hellersdorf seit einigen Monaten stattfinden.
Man wolle wieder dorthin gehen, wo es brennt, heißt es im Demoaufruf, und
sich dem Rassismus auf der Straße „mit allen notwendigen Mitteln
entgegenstellen“. Bei den meisten DemonstrantInnen kommt der
Standortwechsel gut an. „Das ist ein toller Versuch, die Silvio-Meier-Demo
zu politisieren und endlich wieder mehr zu sein als eine reine
Kiez-Gedenkdemo“, freut sich ein junger Mann.
Die AnwohnerInnen scheinen dagegen nicht recht zu wissen, was sie von dem
Schwarzen Block halten sollen, der im strömenden Regen mit „Aus der Platte,
für die Platte: Antifa“-Rufen vor ihren Haustüren vorbeizieht. Die
Einladung aus dem Lautsprecherwagen, sich dem Demozug anzuschließen,
verhallt weitgehend ungehört zwischen den Häuserwänden. Stattdessen stehen
ganze Familien auf ihren Balkonen und in den Hauseingängen, betrachten
neugierig die Banner mit Aufschriften wie „Es gibt keen’ ruhigen
Randbezirk“ und filmen das Geschehen fleißig mit ihren Smartphones.
## Keen ruhiger Randbezirk
Was die vielen Leute an einem Samstagnachmittag in ihrem Wohnviertel zu
suchen haben, scheint den meisten aber nicht klar zu sein. „Irgendwas mit
Antifaschismus vermutlich“, rätselt ein junger Mann und zuckt mit den
Schultern. Ein älterer Herr, der gerade aus seinem Haus tritt, ist
überfordert: „Ich wollte nur zu meinem Auto“, sagt er, „aber das geht wo…
gerade nicht.“
Die erwarteten Gegenproteste der rechten Szene bleiben weitgehend aus.
Vereinzelt werden Feuerwerkskörper von Balkonen geworfen und Beschimpfungen
gerufen. Der Schwarze Block antwortet mit „Wir kriegen euch alle“-Rufen.
Auch als der Demozug in ein Viertel einbiegt, in dem einige bekannte
Rechtsextremisten wohnen, bleibt alles ruhig. Die Rechten trauen sich
angesichts des großen linken Aufmarschs offensichtlich nicht auf die Straße
– ein klarer Erfolg für das Bündnis, das trotz Kälte und Dauerregen laut
Polizeiangaben viele Leute auf die Straße gebracht hat.
Knapp 1.300 sind es nach Polizeiangaben, die Veranstalter sprechen von
2.400 Personen. Auch sonst verläuft die Veranstaltung ungewohnt friedlich:
Während der Demo kommt es zu keiner einzigen Festnahme. Dass die
Teilnehmerzahlen unter denen der Vorjahre liegen, stört Bündnis-Sprecher
Martin Sonnenburg nicht: „Dafür, dass wir das erste Mal außerhalb von
Friedrichshain unterwegs waren, sind wir zufrieden.“
Sonnenburg würde sich freuen, die Silvio-Meier-Demo auch in Zukunft in den
Randbezirken zu veranstalten – auch wenn das ungemütlicher ist: „Wir haben
uns entschieden, uns von alten Gewohnheiten zu trennen, und das bedeutet
eben auch, die Demo in einen Bezirk zu verlegen, in dem man sich nicht am
nächsten Späti eine Club Mate kaufen kann.“
22 Nov 2015
## AUTOREN
Hannah Wagner
## TAGS
Schwerpunkt Antifa
Silvio Meier
Berlin Marzahn-Hellersdorf
Antifaschismus
Silvio Meier
Peter Fox
Silvio Meier
Hetze
Flüchtlinge
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