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# taz.de -- Ortstermin Gedenken an Silvio Meier: Gegen den kalten Wind
> 1992 wurde Silvio Meier in Friedrichshain von Neonazis ermordet. Am
> Dienstagabend wurde ihm zum 25. Mal mit einer Mahnwache gedacht.
Bild: Kerzen und Blumen im U-Bahnhof Samariterstraße
Es ist kein besonders schöner Ort zum Gedenken. Kalt pfeift der
Novemberwind durch den U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain, grell
erleuchten die Neonröhren die Zwischenebene am westlichen Ausgang. Rund 100
Menschen stehen dicht gedrängt, dazwischen, auf dem Boden, sind rote Rosen
abgelegt, flackernde Teelichter im Marmeladenglas. Ein großes Gesteck aus
weißen Lilien, goldene Schrift auf schwarzer Schärpe: In stillem Gedenken.
Am 21. November 1992 wurde an dieser Stelle der 27-jährige Antifaschist
Silvio Meier von Neonazis getötet. Er und drei Freunde wollten tanzen
gehen, im U-Bahnhof gerieten sie mit einer Gruppe Neonazis aneinander.
Wegen des Vorfalls verpassten sie die letzte Bahn, als sie den Bahnhof zu
Fuß wieder verlassen wollten, warteten auf der Zwischenebene die Neonazis.
Mit Messern stachen sie auf Silvio Meier und seine Freunde ein, er starb
noch im Bahnhof.
„Wer bestimmt, wie erinnert wird?“, fragt ein Redebeitrag, der an diesem
Abend verlesen wird. An seinem ersten Todestag organisierten Freunde von
Meier an diesem Ort eine Mahnwache, in diesem Jahr wird hier zum 25. Mal
seiner gedacht. Zum 25. Mal findet am Samstag auch die
Silvio-Meier-Gedenkdemonstration statt, noch immer ein Fixpunkt der
antifaschistischen Szene und insbesondere ihrer Nachwuchsarbeit, auch wenn
sie in den letzten Jahren an Teilnehmern und Relevanz verloren hat.
An der teils martialisch anmutenden Demo gab es immer wieder auch Kritik
aus dem engeren Umfeld Silvio Meiers, das den Freund nicht als
Straßenkämpfer verherrlicht sehen möchte. Erst spät habe er verstanden,
wird an diesem Abend ein Freund Silvio Meiers zitiert, dass er das eine
nicht mit dem anderen in Einklang bringen müsse: die eigene, ohnmächtig
machende Trauer und die Demonstration, mit der sich die Szene auch der
eigenen Stärke vergewissern will. Das hat nichts mit deinem Silvio zu tun,
habe er sich schließlich gesagt, aber hingehen solltest du da trotzdem.
Erinnert wird auch daran, dass weiterhin aus rechten und rassistischen
Motiven gemordet wird. Zwei Kilometer östlich von hier wurde vor gut einem
Jahr der 34-jährige Eugeniu Botnari vom Leiter der Edeka-Filiale im
S-Bahnhof Lichtenberg verprügelt, so wie dieser jahrelang Diebe verprügelt
hatte, die er als „Ausländer“ einstufte. Drei Tage später erlag Botnari
seinen Verletzungen.
„Und wohin ein Tropfen fiel von unserm Blut / sprießen für uns neue Kräfte,
neuer Mut“, heißt es in dem Lied „Sag nie“, das ab 1943 zur Hymne der
osteuropäischen Partisanen wurde. Zum Abschluss der Mahnwache spielt es
hier ein junger Mann, er singt es mit viel Inbrunst gegen den kalten Wind
und das Neonlicht an, und alle bleiben stehen und hören zu.
22 Nov 2017
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Antifaschismus
Silvio Meier
Friedrichshain-Kreuzberg
Linke Szene
Silvio Meier
Silvio Meier
Schwerpunkt Antifa
Silvio Meier
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