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# taz.de -- Junges Theater: Neue Spielräume
> Das Braunschweiger Festival „Fast Forward“ zeigt Theaterstücke junger
> RegisseurInnen aus ganz Europa mit gesellschaftspolitischer Dimension.
Bild: Bei Markus & Markus wird Peer Gynt zum Dementen.
Braunschweig taz | Auf einer Lichtung sitzen die fünf Freunde am
Lagerfeuer, wollen etwas über sich selbst herausfinden und echte Abenteuer
erleben. Doch so weit kommen sie gar nicht, reden stattdessen darüber, was
sie in den letzten Jahren erlebt haben auf dem Monte Amici – und dass sie
später wissen werden, dass dies ihr letzter echter, gemeinsamer Sommer
gewesen sein wird.
„Société des amis“ ist eines von sieben Gastspielen beim Festival „Fast
Forward“ in Braunschweig, das noch bis Sonntag aktuelle Theaterstücke
junger RegisseurInnen aus ganz Europa zeigt. Um die ProtagonistInnen der
Kinderhörspielreihe „Fünf Freunde“ herum spinnen die Schweizer
RegisseurInnen Jan Koslowski und Nele Stuhler ein flottes Stück, das große
Fragen nach Freundschaft und dem Individuum aufwirft.
Lakonisch kommentieren die fünf DarstellerInnen ihre eigene Handlung,
gekonnt transportieren sie nicht nur bei den im Chor gesprochenen Texten
ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das, längst rissig, kaum noch mehr ist
als der „hässliche, fleischige Kern“, der übrig bleibt, wenn man die
Abenteuer und das Sprechen darüber abzieht.
Dabei bleibt das Stück stets spielerisch, oft an der Grenze zum Slapstick,
ohne aber ins Alberne zu kippen. Das liegt auch am Kostüm, das aus dem
Pfadfinderfilm „Moonrise Kingdom“ von Wes Anderson entlehnt scheint und
mitsamt des Bühnenbildes mit seinen reflektierenden Sonnen, Bäumen und
Bergen aus Alufolie eine wunderbare Atmosphäre in Sepia schafft.
Auch im spanischen Gastspiel „Escenas para una conversación después del
visionado de una película de Michael Haneke“ von Pablo Gisbert, kippen
immer wieder unterhaltsam seichte Bilder unerwartet in tiefe
Ernsthaftigkeit, schiebt sich der Tod zwischen elektronische Musik und die
Ironie einer Welt, in der alle zugleich glücklich und traurig, einsam und
gemeinsam sind. Zwölf mehr oder weniger zusammenhanglose Szenen für ein
Gespräch über einen Film Michael Hanekes hat Gisbert zu einem Potpourri
voller popkultureller Anspielungen und nackter Haut collagiert.
Bereits zum fünften Mal findet das „Fast Forward“-Festival statt. Noch bis
Sonntag werden auf drei Braunschweiger Bühnen vierzehn Stücke junger
RegisseurInnen aus sieben europäischen Ländern gezeigt. Und es lohnt sich,
die Vielfalt der unfertigen Handschriften und neuen Perspektiven
europäischen Theaters zu sehen. Die Bandbreite der Produktionen ist enorm,
sogar ein Tanzstück und eine Opernarbeit sind dabei.
Das Hildesheimer Kollektiv Markus&Markus etwa zeigt eine Adaption von
Ibsens „Peer Gynt“, die rumänische Regisseruin Nicoleta Esinencu inszeniert
mit „American Dream“ am Samstagabend ein überdimensioniertes Monopolyspiel
über illegale Arbeitsmigration.
Die Performance „Stop Being Poor“ aus Norwegen wiederum stellt den
Dienstleistungskapitalismus infrage, der eine ganze Generation in
Wettbewerb und Selbstoptimierung drängt. Und „Before You Die“ des
ungarischen Nachwuchsregisseurs Martin Boross stellt die abstrusen
Sehnsüchte einer Generation aus, die Listen mit Dingen anlegt, die sie noch
erleben will.
„Die jungen TheatermacherInnen stellen in ihren Arbeiten die Frage nach dem
‚richtigen Leben‘ zwischen Glücksversprechen und Realität“, sagt
Festivalkuratorin Barbara Engelhardt. Es gehe um Umbrüche in der
gegenwärtigen Gesellschaft ebenso wie um die Spielräume für individuelle
Entscheidungen und Verantwortung.
Die Auswahl der eingeladenen Produktionen verdeutlicht dabei, wie wichtig
den Verantwortlichen war, die gesellschaftspolitische Dimension zu zeigen,
die junges Theater in Europa hat.
20 Nov 2015
## AUTOREN
Kornelius Friz
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Deutsches Theater
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Moks
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