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# taz.de -- Gedenkstätte soll erweitert werden: Marode, aber wertvoll​
> Die Gedenkstätte Kriegsgefangenenlager Sandbostel soll vergrößert werden
> - auch wenn das dem Landrat zu teuer ist.
Bild: Die Gedenkstätte für das Kriegsgefangenenlager Sandbostel.
HAMBURG taz | Für die Britischen Soldaten war es das „Kleine
Bergen-Belsen“: das am 29. April 1945 befreite Kriegsgefangenenlager
Sandbostel bei Bremervörde, in dem Tausende Kriegsgefangene vor allem aus
der Sowjetunion und Polen sowie, ab April 1945, KZ-Häftlinge interniert
waren. Allein 40.000 sowjetische Kriegsgefangene starben an Krankheiten,
Hunger und Gewalt der deutschen SS-Wachmannschaften.
Doch so schockierend die Fotos der Befreiung, so groß war zunächst das
Schweigen von Anwohnern und Politik. Daher wurden von den einst 32 Hektar
nur zögerlich einzelne Baracken zwecks Gedenkens angekauft. Heute besitzt
[1][die 2005 gegründete Gedenkstättenstiftung] immerhin 3,2 Hektar. Dort
hinein ragt aber – gleich neben dem Eingang zur Gedenkstätte – ein
Privatgelände mit vier maroden Lagerbaracken. „Da fragt natürlich jeder,
warum wir das verkommen lassen“, sagt Gedenkstättenleiter Andreas
Ehresmann. „Aber das Gelände gehört uns ja nicht.“
Das soll ab heute anders werden: Bernhard Edelmann, ein inzwischen betagter
saarländischer Militaria-Händler, der die Baracken lange als Lagerhallen
nutzte, will dieses 1.500-Quadratmeter-Karree verkaufen – für 75.000 Euro.
Das Kuratorium der Stiftung, dem Landrat Hermann Luttmann (CDU) vorsteht,
hat aber im September beschlossen, maximal 50.000 Euro dafür auszugeben,
und den Kauf abgelehnt.
## Den Preis runterhandeln
Luttmann fände es klüger, abzuwarten und den Preis weiter
herunterzuhandeln, „zumal es keine anderen Interessenten für dieses
heruntergekommene Gelände gibt“, sagt er. Im Haushalt des Kreises sind die
nötigen 75.000 Euro allerdings schon eingestellt.
Um das Kuratorium zu umgehen, hat die Mehrheit im Kreistag Rotenburg aus
SPD, Grünen und der Wählergemeinschaft Freier Bürger daher beschlossen, den
Kaufantrag am Mittwoch durchzustimmen. Falls das glatt geht, wäre der
Landkreis verpflichtet, das Grundstück zu kaufen, um es der Stiftung zu
schenken. Dass sich das Kuratorium dann weigert, die Schenkung anzunehmen,
gilt als unwahrscheinlich.
## Die Zeit drängt
Das alles drängt, denn erstens ist die Kreistagsmehrheit mit nur einer
Stimme hauchdünn, und wer weiß, wie lange sie hält. Zweitens, sagt
Gedenkstätten-Leiter Ehresmann, „sind die Gebäude auf dem anzukaufenden
Areal extrem einsturzgefährdet und müssen dringend gesichert werden“. Auch
wenn der Verkehrswert des Grundstücks deutlich unter den geforderten 75.000
Euro liege, solle man zugreifen, sagt Ehresmann. „Denn viel wichtiger ist
der immaterielle, der Erinnerungswert dieses Areals.“
Das umfasst nämlich nicht nur jene maroden, aber selten so komplett
erhaltenen Steinbaracken aus der Anfangszeit des Lagers um 1939/40. Auch
findet sich auf einer Wand ein unter Putz verstecktes, handgemaltes
Christus-Triptychon, mit dem französische Kriegsgefangene ihren Sakralraum
schmückten. „Wenn uns das gehörte, könnten wir dieses Gemälde wenigstens
vor der Auswaschung durch Schlagregen bewahren“, sagt Ehresmann.
## Große Sanierungen sind zu teuer
Für groß angelegte Sanierungsarbeiten sei zwar vor 2019 kein Geld da – erst
dann kann sich die Gedenkstätte turnusmäßig wieder um Bundesmittel bewerben
–, für die Sicherung und Begehbarmachung aber schon. „Zwei Stiftungen haben
bereits signalisiert, dass sie bereit wären, die nötigen 100.000 Euro
beizusteuern“, sagt Ehresmann. Landrat Luttmann hält das für eine
Fehlinvestition. „Diese Gebäude sind nicht mehr zu retten“, sagt er. „Das
ist ein Danaergeschenk.“
Ehresmann sieht das anders und weiß die Bevölkerung hinter sich. Natürlich
sei man zunächst skeptisch gewesen, zumal etliche Kriegsgefangene in der
örtlichen Landwirtschaft arbeiteten und nicht immer gut behandelt wurden.
„Seit aber klar ist, dass unsere Gedenkstätte keine Schuldzuweisungen
tätigt, sondern alle Seiten zeigt, ist die Gedenkstätte sogar regelmäßiges
Ziel von Familienausflügen geworden.“ Das sei schon eine neue Qualität.
4 Nov 2015
## LINKS
[1] http://stiftung-lager-sandbostel.jimdo.com/
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Gedenkstätte
Kriegsgefangene
NS-Opfer
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Deutsche Geschichte
"Arisierung"
Geschichte
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