# taz.de -- Außenlager von Neuengamme: KZ-Baracken in Firmenbesitz | |
> In Wilhelmshaven legten Rodungen die Fundamente ehemaliger KZ-Baracken | |
> frei. Doch das Gelände gehört der Firma Nordfrost. Nun ist die Frage, was | |
> damit passiert. | |
Bild: Beinahe vergessen: Die Baracken der KZ-Häftlinge lagen hinter dem Gedenk… | |
BREMEN | taz Von Gras und Büschen überwuchert lag die Fläche am Alten | |
Banter Weg in Wilhelmshaven jahrelang brach. Im Frühjahr begann die Firma | |
Nordfrost mit Rodungen auf dem Gelände, und was dabei zum Vorschein kam, | |
machte Gabriele Kästner aufmerksam. Denn der 61-Jährigen ist die Erinnerung | |
an die nationalsozialistische Vergangenheit ihrer Stadt wichtig, und die | |
Arbeiten förderten Fundamente von Baracken zu Tage, in denen von September | |
1944 an etwa 1.200 KZ-Häftlinge lebten. | |
Gabriele Kästner befürchtete, dass auf dem Gelände ein Kühlhaus entstehen | |
sollte. Diese Befürchtung hat die Eigentümerin des Geländes, die Firma | |
Nordfrost, mittlerweile zerstreut: Eine Bebauung sei nicht geplant, sagt | |
eine Firmensprecherin. Trotzdem hinterlässt der Fund der Fundamente ein | |
Unbehagen bei Gabriele Kästner und ihren MitstreiterInnen: Bereits seit | |
Mitte der 1980er-Jahre ist in Wilhelmshaven bekannt, dass sich am Alten | |
Banter Weg ein Außenlager des KZ Neuengamme befand. Die Stadt bekam damals | |
1.700 Quadratmeter des Geländes und stellte Informationstafeln und einen | |
Gedenkstein auf. Doch die Baracken der Häftlinge in Wilhelmshaven, das | |
recherchierte die Gruppe um Gabriele Kästner, befanden sich gar nicht dort, | |
wo der Gedenkort eingerichtet worden war. Den Gedenkort hatte man | |
ausgerechnet an der Stelle platziert, an der die SS-Wachmannschaft wohnte. | |
Die Häftlinge dagegen wohnten in jenem Teil des Geländes, der heute der | |
Firma Nordfrost gehört. | |
Die größtenteils französischen Häftlinge arbeiteten für die Kriegsmarine. | |
Sie bekamen nicht ausreichend Nahrung, wurden von den SS-Männern | |
misshandelt und mussten sieben Tage die Woche zwölf Stunden lang schuften. | |
249 Menschen starben. An 87 Orten in Norddeutschland wurden meist gegen | |
Ende des Zweiten Weltkrieges solche Außenlager errichtet, in denen | |
Häftlinge aus Neuengamme zu Arbeitseinsätzen gezwungen wurden. | |
Streit gab es nun in Wilhelmshaven auch über die Art und Weise, wie die | |
Firma Nordfrost ihre Rodungen auf dem Gelände durchführte. Mit schwerem | |
Gerät, Baggern und LKWs seien die Bauarbeiter zu Gange gewesen, das zeigten | |
die Reifenspuren, die sie hinterlassen haben, so Ralph Herrmann, Sprecher | |
der Linkspartei in Wilhelmshaven. "Bei der letzten Rohdung wurden auch | |
Grundmauern entfernt", so Herrmann. Die Trümmer seien auf eine | |
Bauschutt-Deponie abgefahren worden. "Es ist pietätlos, was da abgeht." | |
Die Sprecherin der Firma Nordfrost widersprach dieser Darstellung. Es seien | |
Pflege- und Aufräumarbeiten durchgeführt worden, der "extreme Bewuchs durch | |
Brombeerbüsche" entfernt worden. "Diese Arbeiten fanden an der Oberfläche | |
des Geländes statt, Erdarbeiten wurden dabei nicht vorgenommen", so die | |
Sprecherin. Laut Herrmann seien die Arbeiten erst abgebrochen worden, | |
nachdem Protest laut geworden war. | |
Was nun mit dem Gelände passiert? Laut Bebauungsplan stehe einem Neubau | |
nichts im Weg, sagt der Leiter des Wilhelmshavener Bauordnungsamtes Anton | |
Englisch. Seine Behörde ist auch für die Denkmalpflege zuständig. Für eine | |
Änderung des Bebauungsplan müsse ein "öffentliches Interesse" bestehen, ein | |
Antrag gestellt werden, um den Bereich als Denkmal anzuerkennen. | |
Dafür holte sich Kästners Gruppe Hilfe. Mit dem Bauhistoriker und Leiter | |
der Gedenkstätte Sandbostel, Andreas Ehresmann, gingen sie vor ein paar | |
Tagen über das Gelände. Sie fanden Geschirr von 1938, mit Adler und | |
Hakenkreuz. | |
Ehresmann erstellte ein Gutachten und bestätigt: "Direkt angrenzend an das | |
Gelände des Gedenkortes liegt der Appellplatz, der Lagereingang und eine | |
Hinrichtungsstätte. Diesen Bereich kann man anhand der Fundamente | |
identifizieren." Er empfiehlt, das Gelände als Bodendenkmal zu schützen und | |
die Gedenkstätte zu erweitern. "Momentan geht man zum Gedenken an den Ort | |
der Täter", so Ehresmann. | |
Ein Sprecher der Stadt sagte, die Einschätzungen Ehresmanns seien an das | |
übergeordnete Landesamt für Denkmalpflege in Oldenburg weitergeleitet | |
worden. Dort werde das Anliegen geprüft. Über eine Erweiterung des | |
Gedenkortes sei das Wilhelmshavener Amt für Denkmalpflege bereits mit | |
Nordfrost im Gespräch. Er sei sich sicher, so der Sprecher, dass man zu | |
einer Lösung kommen werde. Die Nordfrost-Sprecherin sagte, man sei sich | |
bewusst, dass es ein geschichtsträchtiges Gelände sei. | |
Gabriele Kästner ist vor allem die Erinnerung an die Opfer wichtig, egal, | |
ob in Form einer erweiterten Gedenkstätte oder in Form eines Biotops. | |
12 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
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