| # taz.de -- 200. Geburtstag von George Boole: Mathe ist doch kein Arschloch! | |
| > Vor 200 Jahren entwickelte ein britischer Autodidakt die Grundlagen, nach | |
| > denen noch heute Smartphones und Computer funktionieren. | |
| Bild: Fast alles lässt sich mit Einsen und Nullen darstellen - den Booleschen … | |
| Berlin dpa/taz | Am 2. November jährt sich der 200. Geburtstag des | |
| Begründers der modernen Informationstechnologie, George Boole. Der | |
| autodidaktische Mathematiker hatte bereits im 19. Jahrhundert die | |
| Grundlagen geschaffen, nach denen heutige Smartphones, Computer und | |
| Suchmaschinen arbeiten. Der 1815 im britischen Lincoln geborene | |
| Selfmade-Mathematiker hatte Mitte des 19. Jahrhunderts die Gesetze der | |
| Logik formuliert, worauf sich die moderne Informationstechnologie noch | |
| heute stützt. | |
| „Der von Boole eingeführte Begriff der Boole‘schen Algebra sitzt tief im | |
| Herzen der modernen Logik und damit in der Schaltzentrale jedes modernen | |
| Computers“, betont der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für | |
| Mathematische Logik und für Grundlagenforschung der exakten Wissenschaften | |
| (DVMLG), Prof. Benedikt Löwe. Die Boole‘schen Operatoren wie UND, ODER, | |
| NICHT sind heute Kernstücke von Computerprogrammen und Datenbankabfragen. | |
| In der Schule interessierte sich Boole besonders für Sprachen und brachte | |
| sich selbst Altgriechisch, Französisch und Deutsch bei. Mit 14 übersetzte | |
| er ein Werk des antiken griechischen Dichters Meleagros so brillant, dass | |
| Kritiker bezweifelten, irgendein 14-Jähriger könne zu einer derart | |
| tiefgründigen Übersetzung imstande sein. Das beschreiben John O‘Connor und | |
| Edmund Robertson in der Biografie des MacTutor-Archivs zur Geschichte der | |
| Mathematik. Das Archiv wird von der schottischen Universität St. Andrews | |
| betrieben. | |
| Zwei Jahre später, mit 16 Jahren, wurde Boole Hilfslehrer, um seine Familie | |
| finanziell zu unterstützen, nachdem der Schusterladen seines Vaters in die | |
| Pleite gerutscht war. Mit 19 eröffnete George seine eigene Schule. Nebenbei | |
| studierte er die Werke großer Mathematiker. Ein Fachaufsatz, den Boole 1844 | |
| mit 29 Jahren veröffentlichte, brachte ihm ersten wissenschaftlichen Ruhm | |
| ein. Fünf Jahre später wurde er schließlich – ohne selbst jemals eine | |
| Universität besucht zu haben – zum Mathematikprofessor am Queen‘s College | |
| im irischen Cork berufen, dem heutigen University College Cork. | |
| ## Grundlagen für Turings Computer-Idee | |
| Dort veröffentlichte Boole 1854 sein wichtigstes Werk, „An investigation | |
| into the Laws of Thought“ (Eine Untersuchung der Gesetze des Denkens). | |
| „Schon Gottfried Wilhelm Leibniz hoffte, dass man das menschliche | |
| Argumentieren in algorithmisches Rechnen überführen und somit über den | |
| Zweifel der Subjektivität erhaben machen könne“, berichtet Löwe, der an der | |
| Universität Hamburg forscht. „Und Booles algebraische Sichtweise der Logik | |
| ermöglicht die Verwirklichung des Leibniz‘schen Traums in der Form des | |
| heutigen Computers.“ Erst durch die Ideen Alan Turings Anfang des 20. | |
| Jahrhunderts und die Entwicklungen im Zweiten Weltkrieg habe die Boole‘sche | |
| Algebra allerdings ihren Siegeszug als Kernbestandteil moderner | |
| Computerarchitektur antreten können. | |
| Boole selbst hatte zwar vermutlich keine Computer vorausgesehen, die | |
| Tragweite seiner Arbeit aber durchaus erkannt, die er in einem Brief an | |
| Lord Kelvin einmal als „meinen wertvollsten, wenn nicht meinen einzigen | |
| wertvollen Beitrag zur Wissenschaft“ bezeichnet hat. Außer mit Logik | |
| beschäftigte sich Boole auch mit Differentialgleichungen, Zahlentheorie und | |
| numerischen Methoden. | |
| ## WAHR oder FALSCH, 1 oder 0 | |
| Mit seiner 17 Jahre jüngeren Frau Mary Everest, nach deren Onkel – einem | |
| britischen Geodäten – der höchste Berg der Welt benannt ist, hatte er fünf | |
| Töchter. George Booles Karriere kam zu einem jähen Ende, als er sich auf | |
| dem drei Kilometer langen Fußweg von seinem Heim zur Universität im | |
| strömenden Regen eine Lungenentzündung zuzog. Angeblich soll Booles Frau in | |
| dem Versuch, Gleiches mit Gleichem zu heilen, George im Krankenbett | |
| wiederholt mit Wassereimern übergossen haben. Boole erholte sich nicht mehr | |
| und starb am 8. Dezember 1864 mit 49 Jahren in Ballintemple bei Cork. | |
| Eine Sonderform der Boole‘schen Algebra ist die Schaltalgebra. Mit seinem | |
| 1847 veröffentlichten Werk “The Mathematical Analysis of Logic“ legte Boole | |
| den Grundstein für die heutige Rechentechnik. Er führte die Wertpaare WAHR | |
| oder FALSCH ein, die in der Binärtechnik auch als 1 oder 0 dargestellt | |
| werden. Nach diesem Muster funktionieren heutige Computer noch immer, also: | |
| fließt Strom durch einen Schaltkreis (Bit) oder nicht. Abhängig von der | |
| Anzahl der Bit lassen sich dadurch Datenmengen digital darstellen, etwa | |
| durch Einsen und Nullen. | |
| Die Anzahl der darstellbaren Zeichen steigt exponentiell zur Anzahl der | |
| Bit. Mit 8 Bit (= ein Byte), lassen sich 256 Zustände darstellen, | |
| beispielsweise die Zahlen von 0 bis 255 oder auch sämtliche auf einer | |
| Computertastatur abgebildeten Buchstaben, Zahlen und Zeichen. Mit Hilfe der | |
| Binärtechnik baute Konrad Zuse 1941 den ersten funktionsfähigen | |
| Digitalrechner weltweit in Berlin. | |
| 2 Nov 2015 | |
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