# taz.de -- Kommunalwahlen in der Ukraine: Kostenlose Gräber als Wahlgeschenk | |
> Zwei Oligarchen-Kandidaten kämpfen am Sonntag um das Bürgermeisteramt in | |
> Dnipropetrowsk. Auch ein unabhängiger Kandidat mischt mit. | |
Bild: Registrierung von Zugezogenen in Dnipropetrowsk. Nur so können sie Sozia… | |
DNIPROPETROWSK taz | Auf dem Weg vom Hauptbahnhof in die Innenstadt der | |
ostukrainischen Metropole Dnipropetrowsk reiht sich ein Wahlkampfzelt ans | |
andere. Und es sind vor allem die blau-weißen Zelte und Stände des | |
„Oppositionsblockes“, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. „Hier in | |
unserer Stadt herrschen Unordnung und Chaos. Seit Monaten bekommen die | |
Arbeiter des Raketenwerkes Juschmasch keinen Lohn mehr. Der Müll stinkt zum | |
Himmel. Wir brauchen endlich jemanden mit Erfahrung und | |
Organisationstalent.“ Die Frau am Stand des „Oppositionsblockes“, redet a… | |
den Besucher ein. „Und der Mann, der das leisten kann, heißt Alexander | |
Wilkul“. | |
Der so hoch gelobte Wilkul vom „Oppositionsblock“ steht derzeit laut | |
Umfragen mit 29,3 Prozent an der Spitze der Kandidaten für das Amt des | |
Oberbürgermeisters von Dnipropetrowsk. Die landesweiten Kommunalwahlen | |
finden am kommenden Sonntag statt. | |
Der „Oppositionsblock“ ist ein Sammelbecken all derer, die unter dem 2014 | |
gestürzten Präsidenten Wiktor Janukowitsch in der „Partei der Regionen“ | |
agierten. Sollte Wilkul gewählt werden, wäre das anderthalb Jahre nach dem | |
Euro-Maidan ein Comeback der „Partei der Regionen“ von Viktor Janukowitsch. | |
Wilkul, der unter Janukowitsch Vize-Premierminister, Parlamentsabgeordneter | |
der „Partei der Regionen“ und Gouverneur von Dnipropetrowsk war, steht für | |
die Kräfte, die, so schien es, mit dem Sieg des Maidan der Vergangenheit | |
angehörten. | |
## Kompetenz in sozialen Fragen | |
In seinem Wahlkampf setzt der langjährige Politiker der „Partei der | |
Regionen“ auf seine Kompetenz in sozialen Fragen und seine Fähigkeiten als | |
Manager. Wilkuls Wahlkampfbroschüren zeigen ihn auf einer Konferenz mit dem | |
belgischen Prinzen Laurent Benoît Baudouin Marie de Belgique, im Gespräch | |
mit Arbeitern der Raketenfabrik „Juschmasch“, beim Sortieren von Müll, im | |
Bergwerk und mit Kriegsveteranen. „Ich bin im Parlament, weil ich die | |
Interessen der Arbeiter vertrete.“ verkündet er auf einem großen Plakat des | |
„Oppositionsblockes“. | |
Im Gegensatz zu Alexander Wilkul, der immer mit Krawatte, weißem Hemd und | |
randloser Brille wie ein erfolgreicher Manager auftritt, wirkt sein | |
Konkurrent, Boris Filatow, der sich gern mit verschränkten Armen und kurzem | |
Hemd photographieren läßt, eher unprofessionell. | |
Auch Filatow, der unter dem im März als Gouverneur von Dnipropetrowsk | |
zurückgetretenen Ihor Kolomojskyj Vize-Gouverneur war, gibt sich als | |
Manager, der vorgibt, die Probleme der Stadt in den Griff zu bekommen. | |
Heute gelte es, so Filatow, die Stadt vor dem Verkehrskollaps zu bewahren. | |
Er werde sich für die sozialen Belange und das Überleben der Raketenfabrik | |
„Juschmasch“ einsetzen, verspricht er. | |
Doch Filatow und Wilkul haben beide ein Manko: sie gelten als Gefolgsleute | |
der mächtigsten Oligarchen, Ihor Kolomojskyj und Rinat Achmetow. „Filatow | |
und Wilkul kandidieren doch nur, um ihre Position in Kiew zu stärken. | |
Unsere Stadt ist für sie nur ein Sprungbrett für die eigene Karriere“ | |
argumentiert ein Mann im Zelt des Kandidaten Sagid Krasnow. | |
## Nur Gegenstimmen | |
Der unabhängige Kandidat Krasnow liegt mit 23,9 Prozent mittlerweile an | |
zweiter Stelle. „Bei diesen Wahlen stimmt niemand für einen Kandidaten ab, | |
jede Stimme ist eine Stimme gegen eine bestimmte politische Kraft“ erklärt | |
eine Passantin an einer Straßenbahnhaltestelle. „Jede Stimme für Krasnow | |
ist eine Stimme gegen die Oligarchen.“ | |
Und genau diese Stimmung scheint sich Krasnow zu Nutze zu machen. „Sagid | |
Krasnow wird in Dnipropetrowsk bleiben“, ist die Aussage am Stand der | |
Partei „Gromadska Sila“ (Bürgerwehr). Und während Krasnows Konkurrenten v… | |
sozialer Gerechtigkeit und öffentlichem Nahverkehr reden, handelt der | |
Unternehmer. | |
Besonderer Beliebtheit erfreut sich sein Flugblatt „Das soziale | |
Sammeltaxi“. Rechtzeitig zum Beginn des Wahlkampfes hatte der Unternehmer | |
eine gleichnamige Aktion gesponsert. Auf acht Routen fährt das „Soziale | |
Sammeltaxi“. Hier kostet die Fahrt nur einen Hrywnia - ein Viertel dessen, | |
was die Bürger von Dnipropetrowsk in anderen Sammeltaxis bezahlen müssen. | |
Aber auch außerhalb von Wahlkampfzeiten, so erinnern sich Besucher des | |
Standes der „Gromadska Sila“, sei Krasnow immer wieder als Sponsor von | |
sozialen Aktionen aufgetreten. So habe er auch Lautsprecheranlagen für den | |
örtlichen Euromaidan finanziert. | |
## Kostenlose Grabstätten | |
Auch die Schlammschlacht zwischen Wilkul und Filatow könnte Sagid Krasnow | |
und seinem Image als Saubermann in die Hände spielen. So waren in | |
Dnipropetrowsk Flugblätter der „Alexander Wilkul - Stiftung“ mit dem | |
Konterfei des Kandidaten aufgetaucht, der kostenlose Grabstätten auf einem | |
der Friedhöfe der Stadt und Unterstützung bei Beerdigungskosten verspricht. | |
Das Problem an dem Flugblatt: Alexander Wilkul will nicht der Herausgeber | |
gewesen sein. Vielmehr, so der Wahlkampfstab des Oppositionspolitikers, sei | |
dies ein Machwerk des Konkurrenten Boris Filatow. Im Wahlkampf-Stab von | |
Wilkul ist man auch ungehalten über die Kandidatur eines Jewgenij Wilkul. | |
Diese habe Boris Filatow initiiert, um Verwirrung unter seinen Anhängern zu | |
stiften, so Alexander Wilkul. | |
Doch auch Wilkul ist nicht zimperlich bei der Wahl seiner Mittel. So waren | |
nach einem Bericht der ukrainischen Wahlbeobachterorganisation „Opora“ | |
Journalisten und Wahlbeobachter bei der parteiinternen | |
Kandidatenaufstellung des „Oppositionsblockes“ Ende September des Saales | |
verwiesen worden. Und als Journalisten der Registrierung von Alexander | |
Wilkul zum Oberbürgermeisterkandidaten beiwohnen wollten, wurden sie von | |
Bewaffneten zum Verlassen des Wahlamtes aufgefordert. | |
Sollte am Sonntag kein Kandidat die absolute Mehrheit erhalten, geht es in | |
die Stichwahl. Dort werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach der | |
Janukowitsch-Mann Wilkul und der Unabhängige Sagid Krasnow gegenüberstehen. | |
24 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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