# taz.de -- Anwälte kritisieren Verfassungsschutz: Schluss mit „Desinformati… | |
> Der Verfassungsschutz führt endlich eine V-Mann-Datei ein. | |
> NSU-Opferanwälte kritisieren scharf: Mitarbeiter hätten Öffentlichkeit | |
> „belogen“. | |
Bild: Wieder im Fokus der NSU-Aufklärer: Verfassungsschutzpräsident Hans-Geor… | |
BERLIN taz | Genau vier Jahre wird es am Mittwoch her sein, dass der NSU | |
aufflog – nach einem gescheiterten Bankraub in Eisenach und dem Selbstmord | |
seiner Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Vier Jahre, nach denen die | |
Aufarbeitung der zehnfachen Mordserie noch immer nicht beendet ist. | |
Erst am Montag verkündete der Bundesverfassungsschutz eine nach dem | |
NSU-Debakel angekündigte Reform: Seit Monatsbeginn führt das Amt eine | |
zentrale V-Mann-Datei. Dort ist nun aufgeführt, in welcher Szene welcher | |
Dienst wie viele Spitzel einsetzt. Damit soll verhindert werden, dass | |
Informanten von mehreren Ämtern angeworben werden oder wieder Informationen | |
versanden. | |
Wie genau die Liste geführt wird, wollte der Verfassungsschutz nicht | |
mitteilen. Die V-Leute werden aber offenbar nicht mit Klarnamen, sondern | |
anonymisiert eingetragen. Damit bleibt unklar, wie genau das Amt | |
Überschneidungen vermeiden will. | |
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sprach dennoch von einem | |
„Meilenstein im Reformprozess“. Die V-Leute seien weiter „unverzichtbar“ | |
zur Terroraufklärung. Die Reform kommt allerdings spät: Die Innenminister | |
von Bund und Ländern hatten dem Amt schon im Mai 2013 die Einführung | |
aufgetragen. | |
Kritik kam jüngst selbst aus der SPD. „Nicht zufrieden“ sei sie mit den | |
Reformen der Sicherheitsbehörden nach dem NSU, sagte deren Innenexpertin | |
Eva Högl. „Da muss noch eine Schippe draufgelegt werden.“ | |
## Offener Brief von 28 NSU-Opferanwälten | |
Auch deshalb nimmt im November im Bundestag ein zweiter | |
NSU-Untersuchungsausschuss die Arbeit auf. Der will etwa untersuchen, ob | |
der Verfassungsschutz und seine V-Leute nicht doch mehr über den NSU | |
wussten. Diese Aufklärung forderten am Montag auch 28 Anwälte der NSU-Opfer | |
in einem offenen Brief ein. Im NSU-Prozess in München sei man „von | |
V-Mann-Führern und neonazistischen V-Leuten gleichermaßen belogen worden“. | |
Deshalb müsse der Ausschuss nun die Rolle des Amtes „ins Zentrum“ rücken … | |
„ohne jede Schonung“. Bisher, kritisieren die Anwälte scharf, sei darüber | |
eine „bewusste Desinformation erfolgt“. | |
Erst im Juli hatte die taz den Karlsruher Neonazi-Skin Roland Sokol als | |
langjährigen V-Mann [1][enttarnt]. Der bewegte sich auch im | |
„Blood&Honour“-Milieu von NSU-Helfern. Auskünfte darüber lehnten der | |
Verfassungsschutz und das Bundesinnenministerium ab, zuletzt auch auf eine | |
Linken-Anfrage hin. Deren Innenexpertin Martina Renner schimpfte über die | |
„Aufklärungsblockade“. Diese müsse im zweiten NSU-Ausschuss „durchbroch… | |
werden“. | |
3 Nov 2015 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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