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# taz.de -- Qualmverbot im Auto: Die Freiheit der Raucher
> Um die Gesundheit von Kindern zu schützen, fordern einige Politiker ein
> Rauchverbot im Auto. Doch der Plan hat es in Deutschland schwer.
Bild: Bitte nicht, wenn Kinder im Auto sitzen.
Berlin taz | Auf diese Steilvorlage hat Ulrich Fegeler lange gewartet. Für
ein Rauchverbot im Auto, wenn Kinder mitfahren, setzt sich der Kinder- und
Jugendarzt schon seit Jahren ein. Er hat geforscht, Kinder aus
Raucherhaushalten mit schwerer Bronchitis oder Asthma behandelt. Den
Vorstoß der Briten hält er für längst überfällig. „Kinder inhalieren ni…
nur Giftstoffe sondern auch viele andere Teilchen, beispielsweise
Rußpartikel“, sagt Fegeler. „Selbst wenn man das Fenster öffnet, belegen
Studien, dass sich die Schadstoffkonzentration kaum verringert“.
Was die Briten können, sollte auch in Deutschland möglich sein. Für den
Arzt kam die Entscheidung schließlich nicht aus dem hohlen Bauch heraus,
sondern ist wissenschaftlich gut belegt. Jetzt setzt Fegeler auf die
deutschen Politiker. Denn bisher haben die bei dem Thema keine „besonders
mutige Haltung“ gezeigt, sagt er. „Es wäre unklug von Deutschland, es den
Engländern nicht nach zu tun.“
Als eine der ersten hat sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung,
Marlene Mortler (CSU), zum neuen britischen Gesetz zu Wort gemeldet.
„Kinder sind dem gesundheitsschädigenden Qualm schutzlos ausgeliefert“,
teilte Mortler mit. Dass bei dem Thema etwas getan werden muss, stützt die
CSU-Politikerin auf eine Studie des Meinungsforschungsinstituts INSA.
Demnach geben vier Prozent der Befragten zu, im Auto zu rauchen, wenn
Kinder mitfahren. Je älter die Kinder sind, desto geringer ist die
Hemmschwelle. Elf Prozent der Befragten lassen durchblicken, dass ihnen die
gesundheitlichen Risiken nicht bekannt sind.
Das britische Gesetz findet Mortler gut. Auch für Deutschland kann sie sich
eine solche Vorschrift vorstellen. Doch das wird nicht einfach. Der
Nichtraucherschutz wird von den Ländern geregelt. Zudem könnte es
verfassungsrechtliche Bedenken geben. Schließlich gilt das Auto als
Privatraum. Der Staat muss gravierende Gründe vorbringen, wenn er hier
eingreifen will. Überhaupt ist völlig unklar, welches Ministerium zuständig
ist. Steht der Jugendschutz im Mittelpunkt, ist das Familienministerium am
Zug. Geht es um Sicherheit im Straßenverkehr, muss das Verkehrsministerium
ran. Aber auch die Ressorts für Gesundheit, Verbraucher oder Wirtschaft
könnten sich beteiligen.
## „Die Sucht setzt den Verstand aus“
Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion,
hätte nicht gedacht, dass er einem solchen „Eingriff in die Privatsphäre“
zustimmen würde. „Doch Selbstverpflichtungen greifen nicht“, sagt er. „Um
die Gesundheit der Kinder zu schützen, brauchen wir ein Gesetz. Die Sucht
setzt den Verstand aus.“ Obwohl seiner Meinung nach mindestens zwei Drittel
aller Abgeordneten hinter einem solchen Gesetz stehen würden, bezweifelt
er, dass es zustande kommt. „Die Tabaklobby war nicht erfolglos, das Gift
zur Normalität zu machen“, sagt er. Ein Beispiel ist für ihn die
Arbeitsstättenverordnung. Trotz Appellen von Ärzten oder
Krebswissenschaftlern gäbe es noch immer kein Gesetz für ein
flächendeckendes Rauchverbot am Arbeitsplatz. Er wolle demnächst an Mortler
und die Minister schreiben, damit sie ein Rauchverbot im Auto per Gesetz
vorantreiben.
Die Briten sind keineswegs Vorreiter beim gesetzlichen Schutz der Kinder
vor dem Passivrauchen. Ein Rauchverbot im Auto gibt es bereits in
Griechenland. Das Verbot gilt dort nur, wenn Kinder bis 12 Jahre mitfahren.
Bis zu 1.500 Euro muss der Fahrer zahlen, wenn er erwischt wird. Auch in
Frankreich hat sich die Regierung auf ein Rauchverbot im Auto verständigt.
Noch ist das Gesetz nicht in Kraft. Knackpunkt ist für die Franzosen die
Altersgrenze. Die Abgeordneten streiten darüber, ob das Verbot auch dann
gilt, wenn Kinder über 12 Jahren mitfahren.
Noch bevor eine Gesetzesvorlage für Deutschland überhaupt geprüft werden
kann, wiegelt Maria Michalk, Mortlers Parteikollegin aus der CDU, ab. „Das
Gesetz zum Rauchverbot im öffentlichen Leben hat sich durchgesetzt“, sagt
die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Zu
unserer freiheitlichen Grundordnung passt allerdings kein Verbot im
privaten Bereich.“ Sie glaubt, dass alle Eltern wissen, dass das Rauchen in
einem geschlossenen Raum für Kinder absolut schädlich ist. „Wer diese
Schutzverantwortung nicht trägt, versündigt sich an der gesunden
Entwicklung des eigenen Kindes“, sagt Michalk.
Ganz ähnlich sehen das die Grünen. Für Harald Terpe, Sprecher für Drogen-
und Suchtpolitik bei den Grünen im Bundestag, ist das Rauchverbot in Autos
eine reine „Schaufensterforderung“, deren Umsetzung überhaupt nicht
kontrolliert werden kann. „Wer in Anwesenheit seines Kindes im Auto raucht,
wird dies wahrscheinlich auch in der Wohnung tun“, sagt Terpe. „Eltern, die
sich der Gefahr des Passivrauchens für ihre Kinder nicht bewusst sind,
müssen aufgeklärt werden.“ Er plädiert für mehr Präventionsmaßnahmen und
ein strengeres Werbeverbot für Rauchwaren.
## Kritik von der Tabaklobby
Gegenwind für ein Gesetz kommt auch von der Tabaklobby. Michael von
Foerster, Hauptgeschäftsführer des Verbands der deutschen
Rauchtabakindustrie, hält die Forderung für „völlig überzogen“. „Der …
kann Eltern nicht bis in ihre persönliche Lebensweise hinein regulieren“,
sagt von Foerster. Ein Verbot, das sich praktisch von der Polizei nicht
durchsetzen lasse, laufe ins Leere, verfehle den gewollten Erziehungseffekt
und produziere nur gesetzliche Folgekosten. „Es sei unbestritten, dass man
Kinder und Jugendliche schützen muss“, sagt von Foerster. Ein Rauchverbot
im Auto sei allerdings der falsche Weg.
Nicht nur die Tabakindustrie zeigt sich unbeeindruckt. Auch
Verkehrsexperten sehen keine Notwendigkeit, für ein Rauchverbot im Auto
Druck zu machen. Es gebe kaum Sicherheitsbedenken zum Rauchen während der
Fahrt. Das Anzünden einer Zigarette sorge im Vergleich zu anderen
Tätigkeiten kaum für Ablenkung beim Autofahren, heißt es etwa beim ADAC. In
der aktuellsten Ablenkungsstudie gehören Telefonieren und Tippen auf dem
Smartphone, sowie die Suche nach der richtigen Route über das Navi-Gerät
viel eher zu den Unfallursachen.
Statt mit einem Gesetz will es die Drogenbeauftragte Mortler erstmal mit
mehr Prävention versuchen. Mit einer Informationskampagne will sie über die
Gefahren des Tabakrauchs aufklären. „Der Griff zur Zigarette muss absolut
Tabu sein, wenn Kinder mitfahren“, lässt ein Sprecher Mortlers ausrichten.
„Die gesundheitlichen Gefahren sind einfach zu groß, als dass man den
Raucherinnen und Rauchern ihre vermeintliche ‚Freiheit‘ zugestehen dürfte.…
29 Oct 2015
## AUTOREN
Tanja Tricarico
## TAGS
Rauchen
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Gesundheit
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