# taz.de -- Pressefreiheit in Guatemala: Zu tief recherchiert | |
> In Guatemala werden unbequeme Reporter erschossen. Auch der Journalist | |
> Danilo López, weil er investigativ arbeitete. | |
Bild: „Danilo war das Ziel, denn er hat zu den Korruptionsdelikten in der Pol… | |
MAZATENANGO taz | Auf dem zentralen Platz von Mazatenango hängt ein | |
Transparent mit den Gesichtern von Danilo López und Federico Salazar. Auf | |
einer der Bänke, die darunter stehen, saßen die beiden Journalisten, als | |
die Täter sie erschossen. Marvin Israel Túnchez rettete sich mit einer | |
Schussverletzung in den Sitz der Stadtverwaltung der guatemaltekischen | |
Provinzstadt. Kein Tag vergeht, an dem der Journalist nicht an das Attentat | |
denkt. | |
„Wir haben uns auf diesem Platz immer sicher gefühlt, denn schließlich | |
passierte all das unter den Augen der Polizei und Angestellten der Stadt, | |
im Beisein vieler Menschen“, so der 29-jährige Journalist. Gleich hinter | |
den Bänken unter den Bäumen wurde ein Gedenkstein aufgestellt, der für das | |
Recht auf freie Meinungsäußerung wirbt und an diejenigen erinnert, die am | |
10. März 2015 zum Schweigen gebracht wurden. | |
Dafür hat Túnchez, ein mittelgroßer, stämmiger Mann, nur ein bitteres | |
Lächeln übrig. Bis heute kann er seinen rechten Arm nur eingeschränkt | |
bewegen, weil die Kugel der Attentäter, die wie so oft auf einem Motorrad | |
unterwegs waren, eine Sehne und mehrere Nerven beschädigt hat. Es werde | |
dauern, bis er wieder einsatzfähig sei. | |
Umden Platz macht Túnchez seitdem einen großen Bogen, obwohl er weiß, dass | |
das Attentat nicht ihm galt: „Danilo war das Ziel, denn er hat zu den | |
Korruptionsdelikten in der lokalen Politik recherchiert. Federico und ich | |
sind nur Kollateralopfer“, erklärt der Fernsehjournalist. Anders als López | |
hat er über alles und jeden berichtet und nicht investigativ recherchiert. | |
Das 35-jährige Opfer arbeitete als Korrespondent für Prensa Libre,die | |
größte Tageszeitung des Landes, für die CNN und für | |
Nichtregierungsorganisationen. „Dabei habe ich ihm hin und wieder geholfen, | |
Fotos editiert oder mich um das Layout und die Grafiken gekümmert“, erklärt | |
sein Bruder Nehimias López. | |
## Polizeischutz nach Laune | |
Er wohnt knapp zwei Kilometer entfernt vom zentralen Platz Mazatenangos. In | |
seinem Haus steht im vorderen Raum eine Druckmaschine zum Textildruck und | |
ein Computer, wo er Druckaufträge bearbeitet, Broschüren layoutet und | |
Briefpapier entwirft. Hier hat er mit seinem Bruder oft in der Nacht | |
gesessen, gearbeitet und diskutiert. „Auch über seine Arbeit. Danilo fühlte | |
sich lange ziemlich sicher. Vor allem weil er auch für internationale | |
Auftraggeber arbeitete“, erklärt der 40-Jährige und ruft „Herein!,“ als… | |
an der Tür klopft und seine Mutter mit der jüngsten Tochter hineinkommt. | |
Die Frau Anfang sechzig registriert schnell, um was es gerade geht, und | |
zieht die Stirn in Falten: „Sie hätten ihn besser schützen müssen.“ Mit … | |
„sie“ ist die Politik gemeint, die Verantwortlichen bei Justiz und Polizei. | |
Catarina López weiß genau, wie schwierig es ist, jemanden in Guatemala zu | |
schützen. Sie hat es selbst erlebt, denn nach dem Mord an ihrem Sohn hat | |
sie einen Polizeibeamten zur Seite gestellt bekommen. Über mehrere Monate | |
war er quasi rund um die Uhr bei ihr – abgestellt aus dem Büro der | |
ehemaligen Vizepräsidentin Roxana Baldetti, die heute wegen Korruption in | |
Untersuchungshaft sitzt. Laut der Analyse der Polizei war ein Anschlag auf | |
die nächsten Angehörigen von Danilo López nicht auszuschließen. | |
„Der Polizist, der zum Schutz meiner Mutter abgestellt wurde, war jedoch | |
einer derjenigen, die ihm alles andere als wohlgesinnt waren“, kritisiert | |
Nehimias López. Er wusste nicht, ob er den vermeintlichen Beschützer seiner | |
Mutter als Bedrohung oder als Hilfe für die Familie ansehen sollte. Doch | |
mit dem Sturz Baldettis, die Ende August festgenommen wurde, endete auch | |
der fragwürdige Personenschutz. Erst dann erfuhr Catarina López, dass ihr | |
Sohn bei seinen Recherchen auch auf Verbindungen zwischen korrupten | |
Lokalpolitikern und der Polizei gestoßen war. „Im offiziellen Guatemala | |
kann man niemandem trauen, denn es ist immer wieder der Staat, der für die | |
Bedrohung und Verfolgung von Journalisten verantwortlich ist“, erklärt | |
Nehimias López. | |
Er weiß, dass er ein Risiko eingeht, wenn er seine Meinung preisgibt, weiß, | |
dass die Wände Ohren haben können, dass registriert wird, wenn Fremde ihn | |
aufsuchen. Doch gleichzeitig will der Familienvater, dass sich etwas | |
ändert, und er will auch seine Mutter unterstützten. Die fordert | |
Gerechtigkeit: „Mein Sohn ist wie ein Stück Vieh ermordet worden. Mehr als | |
zehn Kugeln hat man auf ihn abgefeuert, obwohl er doch nur seine Arbeit | |
gemacht hat.“ | |
## Auf der Straße hingerichtet | |
Niemals sei man so offen und gezielt vorgegangen wie bei dem investigativen | |
Lokaljournalisten López. Eine Hinrichtung auf offener Straße sei der | |
Angriff gewesen, urteilt die Direktorin der Menschenrechtsorganisation | |
UDEFEGUA, Claudia Samayoa. „Der Mord war eine Botschaft an die | |
Berichterstatter. Wir kriegen euch, wenn wir wollen“, analysiert die | |
48-jährige Psychologin. Seit 2011 ist ihre Organisation in der Region | |
aktiv, um Journalisten wie Danilo López zu beraten, wie sie sich besser | |
schützen können. | |
Er hat, so sein Bruder, mehrfach die Wohnung gewechselt, ist nie zur | |
gleichen Zeit nach Hause gekommen, hat unterschiedliche Wege benutzt. | |
Gebracht hat es letztlich nichts, denn mit der Skrupellosigkeit der Täter | |
hat niemand gerechnet. Dabei ist der Verwaltungsbezirk Suchitepéquez der | |
gefährlichste im ganzen Land. 2011 gab es einen Mord, im August 2013 einen | |
weiteren und danach noch zwei Attentate gegen Reporter, die negativ über | |
lokale Politiker berichtet haben. | |
„Die Situation ist brisant, und es gab und gibt Reporter, die auf der | |
Lohnliste von Bürgermeistern in der Region stehen. Andere hingegen nicht“, | |
so Samayoa. In dieser schwierigen Gemengelage hat Danilo López | |
recherchiert. In den letzten acht Jahren hat er viele Morddrohungen | |
erhalten. Das war bei derUDEFEGUA bekannt, aber auch bei der | |
Staatsanwaltschaft für Menschenrechte in Guatemala-Stadt. So gab es | |
zwischenzeitlich auch Polizeischutz für den engagierten Reporter. | |
„Geholfen hat es nicht“, sagt seine Mutter, wischt sich die Tränen aus den | |
Augenwinkeln, während ihr Sohn die Augenbrauen in die Höhe zieht. Für ihn | |
ist der Mord an seinem Bruder eine Folge der korrupten Strukturen und der | |
Tatsache, dass die Täter und vor allem die intellektuellen Autoren dahinter | |
meist nicht zur Rechenschaft gezogen werden. So ist Danilo López im Juli | |
2013 massiv vom Bürgermeister von San Lorenzo, einer Gemeinde südlich von | |
Mazatenango, bedroht worden. | |
## Korrupte Politiker enttarnt | |
Er hat den Verantwortlichen in der Tageszeitung Prensa Libre offen | |
vorgeworfen, 2,8 Millionen Quetzales (umgerechnet 321.000 Euro) für | |
inexistente Projekte verbucht zu haben. Ob zwei Jahre später der besagte | |
Bürgermeister José Linares Rojas die beiden Killer beauftragt hat, ist | |
jedoch noch nicht geklärt. Kein Einzelfall, denn zum einen ist die | |
Aufklärungsquote bei Journalistenmorden in Guatemala ausgesprochen niedrig, | |
zum anderen ist auch das einst angekündigte Programm zum Schutz von | |
Journalisten noch immer nicht Realität, so Martin Túnchez. | |
Er hat wenig Hoffnung, dass sich daran etwas ändern wird, und verweist auf | |
den Mord an seinem Kollegen Guido Giovanni Villatoro. Vier Tage nach dem | |
10. März wurde er erschossen – ebenfalls von einem Motorrad aus. Ein Grund, | |
weshalb Túnchez Recht studiert, um dem Lokaljournalismus irgendwann den | |
Rücken zu kehren. | |
Immerhin hat die Staatsanwaltschaft Anfang Oktober 2015 drei vermeintliche | |
Hintermänner der Morde an Danilo López und Federico Salazar verhaftet: | |
Darunter zwei Polizeibeamte der Abteilung Personenschutz und einen | |
Zivilisten. Wer allerdings hinter den dreien steht, die den Mord an den | |
beiden Journalisten koordiniert haben, ist bis heute im Dunkeln. | |
24 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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