Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krimi in der Blogosphäre: Mord in der analogen Welt
> Patrick Brosi ist im Hauptberuf Informatiker. In seinem zweiten Roman
> „Der Blogger“ geht es um die Aufdeckung eines Pharmaskandals.
Bild: Idylle am Titisee: In Patrick Brosis Krimi „Der Blogger“ kommen jede …
Wie sich die Zeiten so ändern, merkt man in der Kriminalliteratur an der
Kommunikationstechnik. Für eine Kriminalhandlung sind die
Kommunikationswege der beteiligten Personen oft von entscheidender
Bedeutung. Im letzten halben Jahrhundert hat da, ganz wie im wirklichen
Leben, eine rasante Entwicklung ihren Lauf genommen.
Zum Beispiel das Telefon: Während es in Alfred Hitchcocks Filmklassiker
„Bei Anruf: Mord“ von 1954 noch in seiner Urgestalt als massives, schwarzes
Monster auftrat, in dem sich das unsichtbare Böse verbarg, ist es in einer
zeitgenössischen TV-Serie wie „Sara Lund“ geschrumpft zu einem total
prosaischen, konstant am Kommissarinnenohr klemmenden Gegenstand, der eine
quasi natürliche Verlängerung des menschlichen Körpers darstellt.
Dieselbe selbstverständliche Entmystifizierung wird vermutlich auch das
Internet irgendwann ereilen. Vorerst aber ist es immer noch eine ziemlich
aufregende Sache. Und klar, das Böse bedient sich seiner, wo es nur kann.
Der 1987 geborene Autor Patrick Brosi ist jung, wenn auch nicht jung genug,
um als digital native durchzugehen. Ein Experte des Digitalen aber ist
Brosi auf jeden Fall, denn im Hauptberuf arbeitet er als Informatiker.
## Verschwunden am Titisee
Im Nebenberuf hat der Freiburger soeben mit [1][“Der Blogger“] seinen
zweiten Kriminalroman veröffentlicht. Das Internet, oder auch die
Blogosphäre, stellt einen wichtigen Handlungsort dar – als Un-Ort, an dem
das Böse sich verwirklicht und potenziert. Der hauptsächliche Schauplatz
allerdings ist, ganz analog, Titisee im Schwarzwald.
Titisee heißt sowohl das Gewässer als auch die Ortschaft, die an seinen
Ufern liegt. Der See, so erfährt man gleich zu Beginn, ist bis zu vierzig
Meter tief. So verwundert es nicht, dass der Mann, der von einem Boot
mitten auf dem See verschwunden ist, zunächst partout nicht gefunden werden
kann.
Dieser junge Mann ist oder vielleicht war der berühmte Blogger René Berger,
der erst kürzlich im Internet einen Pharmaskandal aufgedeckt hat und damit
sogar bei Günther Jauch aufgetreten ist. Danach hat er sich zurückgezogen,
um sich vor der Öffentlichkeit zu verstecken.
Ein aufstrebendes Onlinemagazin bekommt seinen Aufenthaltsort heraus und
schickt ihm die attraktive Praktikantin Marie Sommer hinterher für eine
Exklusivstory im magazineigenen Blog. Zwei Monate später, als René Berger
im See verschwindet, scheint auch Marie wie vom Erdboden verschluckt.
## Raffiniert und spannend
Brosi entwickelt die Handlung, und das gelingt ihm sehr bezwingend, von
zwei Enden her. An einem Ende steht die Geschichte der ehrgeizigen
Nachwuchsjournalistin, die glaubt, eine große Story aufzudecken. Im Zentrum
des anderen Handlungsstrangs, der mit dem Verschwinden des Bloggers
einsetzt, steht Kommissar Nagel von der Freiburger Kripo.
Der stark übergewichtige, diabetesgeplagte Polizist hat eigenwillige
Ermittlungsmethoden, aber auch ein ausgezeichnetes kriminalistisches
Gespür. Beide Handlungsstränge laufen nebeneinander her und dabei
chronologisch aufeinander zu. Das ist raffiniert und spannend gemacht.
Am Schluss wird der eine Strang den anderen eingeholt haben – mit
dramatischem Ergebnis, das insgesamt vielleicht etwas zu drastisch
ausfällt. „Der Blogger“ geht mit einem erstaunlich hohen Verlust an
Menschenleben einher, so ein bisschen nach der Maxime, mehr sei eben mehr.
Stimmt aber nicht immer. Zu Zwecken der Handlungsentwicklung würde die
Hälfte der anfallenden Leichen in diesem Fall gar nicht gebraucht werden.
Und Brosi schreibt eh so gut, dass er sich ruhig trauen könnte, auf diese
rein äußerlich orientierte Effektemacherei zu verzichten.
23 Oct 2015
## LINKS
[1] http://www.emons-verlag.de/programm/der-blogger
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Blogger
Kriminalroman
Pharmaindustrie
Thriller
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Tatort
Transgender
Kriminalroman
Kriminalroman
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nachruf auf Henning Mankell: Wer war der Mörder?
Der Krimi-Autor Henning Mankell war einer, der sagte: Nein, die Oberfläche
täuscht. Nun ist er in Göteborg im Alter von 67 Jahren gestorben.
Doppelfolge „Polizeiruf“: Der bessere „Tatort“
Erstmals lässt die ARD zwei „Polizeiruf“-Teams zusammen ermitteln. Die
Krimireihe tritt endgültig aus dem Schatten des großen Bruders.
Krimi über eine Obdachlose: Verpeilt, versoffen und verraten
Liza Cody findet ihre Heldinnen ganz am Rand der Gesellschaft. In ihrem
neuen Drama behält einzig ein Rennhund einen klaren Kopf.
Ross Thomas' „Fette Ernte“ übersetzt: Auf den Weizen wetten
Ross Thomas' Roman „Fette Ernte“ ist ein unnachahmlich unterkühlter Krimi
über Lebensmittelspekulation. Nun erscheint er ungekürzt auf Deutsch.
Krimi-Reihe „Bruno, Chef de police“: „Ich wäre gerne mehr wie Bruno“
Martin Walker ist Schotte und leitet einen US-Thinkthank. Im Sommer lebt er
in Frankreich und hat mit Dorfpolizist Bruno einen amüsanten Ermittler
erschaffen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.