# taz.de -- Benefiz-Album „Kein Mensch ist illegal“: Welche Krise soll es d… | |
> Auf „Kein Mensch ist illegal“ singen 36 Künstler gegen Rassismus und | |
> Gewalt an. Der Sampler ist ein solidarisches Zeichen der Popkultur. | |
Bild: Von der Straße auf‘s CD-Cover: „Kein Mensch ist illegal“. | |
Das BKA ging Ende September von 26 [1][Brandanschlägen auf | |
Flüchtlingsheime] allein für 2015 aus. Bundesweit zählt die | |
Amadeu-Antonio-Stiftung mehr als 500 Straftaten gegen Flüchtlinge. In einem | |
[2][Land wie Sachsen], in das innerhalb eines Monats gerade mal 6.000 | |
Personen migrierten, registrierte man seit Jahresbeginn knapp 100 | |
fremdenfeindliche Taten und 49 Demos. Man möchte sich nicht ausmalen, was | |
los wäre, hätte Sachsen mehr als 70.000 Flüchtlinge aufgenommen, wie Bayern | |
es zur gleichen Zeit tat. | |
„Wir stehen vor einem Problem, welches zu ekelhafter Größe herangewachsen | |
ist. Flüchtlingsheime brennen“, schreibt Ingo Knollmann, Sänger der | |
Punkband Donots, im Booklet des Samplers [3][“Kein Mensch ist illegal“], | |
der nächsten Freitag vom Indie-Label Unter Schafen veröffentlicht wird. | |
Viele relevante Mainstream- und Indie-Künstler (leider nur wenige | |
Künstlerinnen) sind vertreten, die Musik mit deutschen Texten machen – | |
darunter Herbert Grönemeyer, Die Goldenen Zitronen oder das junge Kölner | |
Trio AnnenMayKantereit. | |
Zweifel darüber, wie es um die Willkommenskultur in Deutschland in Zukunft | |
tatsächlich bestellt ist, die Sorge, dass angesichts des rassistischen Mobs | |
und des mancherorts ausbleibenden Widerstands dagegen [4][die Gewalt | |
anhält], hat die Musikszene zu diesem Projekt veranlasst. Alle Einnahmen | |
fließen an Pro Asyl und die Initiative „Kein Mensch ist illegal“. | |
Es ist unerheblich, wie man die Qualität im Ganzen bewertet (ganz schön | |
viele Ton-Steine-Scherbe-Erben – sie selbst sind übrigens auch dabei) – man | |
sollte dieses Album, bei dem am Ende 36 Künstler partizipieren wollten, als | |
bescheidenes solidarisches Zeichen des hiesigen Pop werten, das Geld | |
einbringen soll – und schon deshalb bitte massenhaft gekauft werden möge. | |
Über einige zentrale Forderungen der Organisationen – legale Wege in die | |
EU, Aufbau und Finanzierung einer Seenotrettung, – wird im Booklet | |
informiert. Was Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, dessen Band Pro Asyl | |
schon länger unterstützt, zu dem politischen Gehalt seiner Songs sagt, gilt | |
dabei für viele Beiträge des Samplers: „In unseren Texten überlagern sich | |
viele Dinge und es entsteht oft ein politischer Subtext, der mehr auslösen | |
kann als eine Parole, die ein ganzes Stück tragen soll“, erklärte von | |
Lowtzow in einem Interview. „Künstlerisch fände ich das einfach auch | |
unbefriedigend.“ | |
Die Zeit der Parolen scheint glücklicherweise vorbei – auf dem Album | |
überwiegen Songs, in denen die Künstler zwischen Ebenen und Perspektiven | |
wechseln. Dies klingt witzig und pointiert – zumindest der | |
Mainstream-Popdiskurs wird abgebildet. Farin Urlaubs Stück „Welche Krise?“ | |
bringt die [5][unruhige Weltlage auf den Punkt]. Der Ärzte-Sänger macht | |
einige Seitenhiebe gegen eurozentristisches Denken und ist dabei null | |
peinlich, zynisch oder pathetisch: „Welche Krise darf’s denn sein?“ | |
Direkt im Anschluss singen Kraftklub: „Meine Mutter sagt: Junge geh mal | |
schlafen, fahr mal in Urlaub / aber ich soll auf die Straße/ sagt Farin | |
Urlaub.“ Wenn man abschließend doch ein Wort zur Auswahl der Künstler | |
verlieren will: Auch wenn es Konzept war, hier ausschließlich Deutsch | |
singende Künstler zu versammeln, darf’s beim nächsten Mal gern etwas | |
heterogener zugehen. | |
23 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Liste-der-Brandanschlaege-auf-Unterkuenfte/!5235937/ | |
[2] /Pegida-und-Anti-Pegida/!5238988/ | |
[3] http://unterschafen.de/de/discography/various-kein-mensch-ist-illegal/ | |
[4] /Kommentar-Rassismus-in-Deutschland/!5238953/ | |
[5] http://www.farin-urlaub.de/v5/musik/idisco/welche_krise | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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