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# taz.de -- Krise in Zentralafrikanischer Republik: Schusswechsel und Putschger…
> Vergangenes Jahr hatten sie die Muslime des Landes gejagt. Nun setzen die
> Anti-Balaka-Milizen zum Sturm auf UN-Mission und Regierung an.
Bild: Französische Einheiten patroullieren in der Hauptstadt der Zentralafrika…
Berlin taz | In der Zentralafrikanischen Republik ist die staatliche
Ordnung zusammengebrochen. Hoffnungen auf Frieden und baldige Wahlen haben
sich in Luft aufgelöst. Bewaffnete Milizen der Koalition „Anti-Balaka“, die
im vergangenen Jahr die meisten Muslime der Hauptstadt Bangui getötet oder
vertrieben hatten, haben seit dem Wochenende die faktische Kontrolle über
große Teile der Hauptstadt übernommen. Nach UN-Angaben wurden mehrere
Dutzend Menschen getötet, und über 10.000 suchten bislang Schutz in den
Vertriebenenlagern am Flughafen.
In der Nacht zum Dienstag wurden zahlreiche internationale Helfer in Bangui
evakuiert oder suchten Zuflucht in UN-Einrichtungen. Die Büros und
Residenzen vieler Hilfswerke sind geplündert. Übergangspräsidentin
Catherine Samba-Panza, die zur UN-Vollversammlung nach New York geflogen
war, trat am Dienstag hastig die Rückreise an. Von Anti-Balaka-Seite waren
nach Angaben lokaler Beobachter zuvor Putschüberlegungen laut geworden.
Die Gewalt hatte sich am Samstag am Mord an einem muslimischen Taxifahrer
im einst muslimischen Stadtviertel PK5 entzündet. Es kam danach zu
Schusswechseln, woraufhin sich das Gerücht verbreitete, die früheren
muslimischen Seleka-Rebellen – die das Land von März 2013 bis Januar 2014
regiert hatten, bis eine französische Militärintervention sie zum Rücktritt
zwang – würden wieder angreifen.
Anti-muslimische Anti-Balaka-Milizionäre, die nach dem Seleka-Rücktritt
2014 monatelang Pogrome gegen die muslimische Minderheit begangen hatten,
fanden sich wieder zusammen und gingen auf Menschenjagd in PK5. Mehrere
Stunden lang wurden Muslime getötet, während die in Bangui stationierte
UN-Blauhelmmission nicht eingriff – Augenzeugen zufolge überflogen
lediglich UN-Hubschrauber die Szenen, aber keine Bodentruppen waren zu
sehen. Ärztliche Quellen sprachen am Samstag Abend von 20 Toten.
## Französische Soldaten greifen ein
Nach eigenen Angaben bemühte sich die UN-Mission Minusca darum, ein
Übergreifen der Gewalt auf andere Stadtviertel zu verhindern. Dies führte
wiederum dazu, dass in anderen Stadtvierteln am Sonntag Unterstützer der
Anti-Balaka auf die Straße gingen und den Abzug der UN-Blauhelme und der
französischen Truppen forderten. In der Nacht zum Montag griffen dann
bewaffneten Anti-Balaka-Einheiten das Verteidigungsministerium, den Sitz
der Gendarmerie und den Staatsrundfunk an, so als wollten sie putschen.
Französische Soldaten schlugen sie zurück.
Es kam zu verbreiteten Plünderungen vor allem an Einrichtungen
internationaler Hilfswerke in Bangui, die sich am Montag noch verstärkten,
nachdem die Milizen das größte Gefängnis von Bangui stürmten und alle
Häftlinge befreiten. UN-Einheiten eröffneten das Feuer auf eine
Demonstration und töteten mindestens drei Menschen, was die Spannungen
zusätzlich verschärfte. Anti-Balaka-Milizen aus anderen Städten machten
sich auf den Weg nach Bangui auf.
Am Dienstag morgen war die Lage zunächst noch ruhig, aber Bewohner Banguis
erwarteten weitere Gewalt. Die Anti-Balaka-Demonstranten fordern den Abzug
aller ausländischen Truppen aus Bangui und die Rückgabe der Macht an die
zentralafrikanische Regierungsarmee FACA. Die gibt es allerdings nicht
mehr, seit im März 2013 der damalige Präsident Francois Bozizé von den
muslimischen Seleka-Rebellen gestürzt wurde, die ihrerseits im Januar 2014
die Macht an die aktuelle Übergangsregiernug abgeben mussten.
Aus den Reihen der Bozizé-treuen FACA rekrutiert sich der Großteil der
Anti-Balaka. Manche der Angreifer auf Regierungsgebäude in der Nacht zum
Montag trugen FACA-Uniformen. Ein Neuaufbau einer funktionierenden Armee
ist bislang nicht gelungen.
Die Regierung sprach von einem „Komplott“ zum Sturz der Institutionen und
verhängte eine nächtliche Ausgangssperre, hat aber keine Mittel, um diese
durchzusetzen. Der zivilgesellschaftliche Dachverband des Landes hat sich
auf die Seite der Anti-Balaka geschlagen und ruft zu Großdemonstrationen
gegen Regierung und UNO auf. Die für dieses Jahr geplanten Wahlen, die
eigentlich am kommenden Sonntag mit einem Referendum über eine neue
Verfassung beginnen sollten, können jetzt vermutlich nicht mehr
stattfinden.
29 Sep 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
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Bangui
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