# taz.de -- Flüchtlingskrise in Zentralafrika: Keine Lösung in Sicht | |
> Ein Drama ohne Ende: Fast ein Fünftel der Bevölkerung ist nach wie vor | |
> inner- und außerhalb der Zentralafrikanischen Republik auf der Flucht. | |
Bild: Flüchtlingskind in Bangui. | |
BRÜSSEL taz | Internationale Hilfs- und Geberorganisationen befürchten eine | |
Verschärfung der Flüchtlingskrise in der Zentralafrikanischen Republik. | |
430.000 Zentralafrikaner, knapp zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, sind | |
bereits ins Ausland geflohen, davon über die Hälfte nach Kamerun. Weitere | |
410.000 Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, sagte die | |
Koordinatorin für Zentralafrika des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Liz | |
Ahua, kürzlich auf einer Fachkonferenz in Brüssel. | |
Dort wurden Szenarien diskutiert. Demnach dürften selbst nach den | |
optimistischsten Prognosen 2015 nur 170.000 der Binnenvertriebenen nach | |
Hause zurückkehren. Pessimistischere Einschätzungen gehen von neuen | |
Fluchtbewegungen und Vertreibungen aus, falls die politische Lage sich | |
nicht stabilisiert. 5.000 bis 200.000 Menschen, vor allem Muslime, könnten | |
dann erneut vertrieben werden. | |
Dieses Szenario basiert auf der Möglichkeit, dass die mehrheitlich | |
muslimischen Seleka-Rebellen, die in Zentralafrikas Hauptstadt Bangui von | |
März 2013 bis Januar 2014 regierten und dann mit den meisten Muslimen aus | |
der Stadt verjagt wurden, auch die Gebiete im Norden und Osten des Landes | |
verlieren, die sie derzeit noch kontrollieren. Schon in den letzten Wochen | |
hat sich auch in Bangui die Sicherheitslage wieder verschlechtert. | |
Auf jeden Fall dauert die Flüchtlingskrise des Landes länger als zunächst | |
erwartet. Die massive Stationierung internationaler Truppen im Rahmen von | |
UN- und EU-Missionen sorgt nicht automatisch für eine Beruhigung. Das UNHCR | |
braucht daher mehr Mittel als vorgesehen, um Flüchtlingslager zu bauen, die | |
Versorgung mit Nahrung und Trinkwasser zu gewährleisten und um Epidemien | |
wie Cholera zu verhindern. | |
## Kein Dach über dem Kopf | |
Schon die jetzigen Bedürfnisse übersteigen die Mittel. Das UNHCR hat nur 43 | |
Prozent von 209 Millionen US-Dollar zur Verfügung, die es für | |
zentralafrikanische Flüchtlinge im Ausland allein dieses Jahr braucht. | |
Innerhalb des Landes benötigen die UN-Hilfswerke dieses Jahr 554 Millionen | |
Dollar zur Versorgung Bedürftiger. Erhalten haben sie davon aber nur 60 | |
Prozent. Und das für Binnenvertriebene zuständige UNHCR habe von den | |
benötigten 244 Millionen nur ein Drittel bekommen, so dass nicht einmal | |
alle ein Dach über dem Kopf hätten, sagt die Koordinatorin Ahua. | |
Im benachbarten Kamerun und der Demokratische Republik Kongo sind die | |
betroffenen Regionen mit der Versorgung der Flüchtlinge oft überfordert. | |
Gesundheitszentren sind ohnehin unterbesetzt und schlecht ausgestattet, | |
Lebensmittel knapp. In Teilen der Grenzgebiete dieser Länder gibt es mehr | |
zentralafrikanische Flüchtlinge als Einheimische, sagt Margaret Mac Kelvey | |
von der US-Entwicklungsagentur USAID. 80 Prozent der Flüchtlingskinder | |
gehen nicht zur Schule, so UNHCR-Koordinatorin Ahua. | |
Die Flüchtlinge entstammen keineswegs alle der gleichen Bevölkerungsgruppe, | |
die im Falle einer Befriedung einfach wieder nach Hause können, hieß es auf | |
der Tagung in Brüssel. So gelten 100.000 zentralafrikanische Flüchtlinge im | |
Tschad als „Rückkehrer“ in den Tschad. Sie sind tschadischen Ursprungs, | |
obwohl sie teils seit Generationen in Zentralafrika gelebt haben. Die | |
lokalen Anti-Balaka-Milizen haben sie vertrieben. Sie haben keine Region im | |
Tschad, wohin sie „zurückkehren“ könnten. | |
## Vertriebene aus Drittländern | |
Unter den originär zentralafrikanischen Flüchtlingen gibt es viele Beamte, | |
höhere Angestellte und andere Menschen, die „nicht wissen, wie man | |
praktische Dinge erledigt“, sagt Mac Kelvey von USAID. Hinzu kämen | |
Vertriebene aus Drittländern wie Nigeria oder der Elfenbeinküste. Die seien | |
im Tschad gestrandet und müssten eigentlich in ihre Heimat gebracht werden. | |
Der US-Sonderbeauftragte für die Zentralafrikanische Republik, Stuart | |
Symington, zieht den Schluss, dass alle Nachbarländer ein Interesse an der | |
Stabilisierung des Landes hätten und daher an einer Befriedung mitarbeiten | |
würden. Der Schlüssel liege darin, Friedenskräfte innerhalb des Landes zu | |
identifizieren und zu stärken. | |
„Es gibt außergewöhnliche Helden, die sich öffentlich gegen die Gewalt | |
gestellt haben“, sagt Symington. „Und es gibt politische Führer, die vor | |
der Wahl stehen, das Interesse ihres Landes insgesamt zu verteidigen oder | |
ein beschränkteres Ziel zu verfolgen. Da steht ein großer Test bevor. Denn | |
es gibt Menschen in Zentralafrika, die ein Interesse an der Instabilität | |
haben. Die Bevölkerung und die Welt insgesamt haben klar gesagt, dass diese | |
Menschen zur Rechenschaft gezogen werden und dass sie in einer | |
demokratischen vereinigten Zentralafrikanischen Republik keine Zukunft | |
haben. Aber das wird nicht leicht.“ | |
6 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
## TAGS | |
Zentralafrikanische Republik | |
Bangui | |
UNHCR | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
französische Armee | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
Zentralafrikanische Republik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Krise in Zentralafrikanischer Republik: Schusswechsel und Putschgerüchte | |
Vergangenes Jahr hatten sie die Muslime des Landes gejagt. Nun setzen die | |
Anti-Balaka-Milizen zum Sturm auf UN-Mission und Regierung an. | |
Kommentar Zentralafrikanische Republik: Unverzeihliches Verhalten der UN | |
Die Vereinten Nationen schaffen es immer wieder, sich in Misskredit zu | |
bringen. Die Tatenlosigkeit im Falle Zentralafrikas ist nicht hinnehmbar. | |
Zentralafrikanische Republik: UN-Geheimsache Kindesmissbrauch | |
Der UN-Bericht, der Vorwürfe gegen französische Soldaten erhebt, wird zum | |
Skandal. Der Einzige, der die Schuldigen bestrafen will, ist suspendiert. | |
Militärintervention in Zentralafrika: Sexueller Missbrauch statt Schutz | |
Laut UN-Bericht haben französische Soldaten in Bangui Kinder sexuell | |
missbraucht. In Frankreich reagiert man mit Abscheu und will ermitteln. | |
Konflikt in Zentralafrikanischer Republik: Milizen greifen nach der Macht | |
Eine Welle der Gewalt erschüttert die Zentralafrikanische Republik. Das | |
stärkt die für viele Verbrechen verantwortlichen Anti-Balaka-Milizen. | |
Zentralafrikanische Republik: Blutige Gewalt erschüttert Bangui | |
Anti-Balaka-Milizen gehen wieder in die Offensive gegen Muslime und die | |
Regierung. Ein UN-Blauhelmsoldat aus Pakistan wurde getötet. | |
Den Haag ermittelt in Zentralafrika: Den Horror aufklären | |
Der Internationale Strafgerichtshof startet Ermittlungen gegen Milizen der | |
Zentralafrikanischen Republik. „Die Liste der Gräueltaten“ sei endlos. | |
Zentralafrikanische Republik: „Verwunderung“ über neuen Premier | |
Ein Vertreter der verfolgten Muslime wird Regierungschef. Aber was für | |
einer: Der Neue verkörpert die Korruption der Vergangenheit. | |
Zentralafrikanische Republik: Gescheiterte Regierung wirft hin | |
Der glücklose Premier Zentralafrikas tritt mit seinem gesamten Kabinett ab. | |
Kommen die Seleka-Rebellen zurück an die Macht? |