# taz.de -- Zentralafrikanische Republik: „Verwunderung“ über neuen Premier | |
> Ein Vertreter der verfolgten Muslime wird Regierungschef. Aber was für | |
> einer: Der Neue verkörpert die Korruption der Vergangenheit. | |
Bild: „Vorsicht Lebensgefahr“: Straße bei Bambari, Zentralafrikanische Rep… | |
BERLIN taz | Eigentlich war es als Maßnahme zur Befriedung und Versöhnung | |
gedacht: die Ernennung eines Angehörigen der zuletzt von | |
Massenvertreibungen und Massakern betroffenen muslimischen Minderheit der | |
Zentralafrikanischen Republik zum Premierminister. Mahamat Kamoun, ein | |
enger Mitarbeiter des ehemaligen Leiters der muslimischen Séléka-Rebellen | |
und kurzfristigen Staatschefs Michel Djotodia, wurde am Sonntag von | |
Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza in dieses Amt berufen. Sein | |
Vorgänger André Nzapayéké war in der Vorwoche zurückgetreten. | |
Die Idee war, dass ein neues Kabinett auch die bewaffneten Gruppen und | |
Minderheiten des Landes einbeziehen sollte. Doch die Ernennung bewirkte das | |
Gegenteil. | |
Die Séléka erklärte, sie habe die Nominierung Kamouns mit „Schock und | |
Verwunderung“ zur Kenntnis genommen und ziehe sich damit aus der neuen | |
Regierung zurück. Man werde auch die bei der letzten | |
Zentralafrika-Friedenskonferenz in Brazzaville am 23. Juli vereinbarte | |
Feuerpause „überdenken“, hieß es in der von Séléka-General Mohamed Mous… | |
Dhaffane unterzeichneten und am Sonntagabend verbreiteten Erklärung. | |
Die Ernennung eines Premierminister hätte in Absprache mit Séléka geschehen | |
und auf die Unterzeichnung eines politischen Friedensabkommens folgen | |
müssen, sagte der Rebellenführer. | |
So geht die politische Krise in der Zentralafrikanischen Republik in eine | |
neue Runde. Im März 2013 hatte die Rebellenallianz Séléka aus dem | |
muslimischen Nordosten des Landes die Hauptstadt Bangui erobert und | |
Präsident François Bozizé gestürzt. Bozizés versprengte Anhänger und loka… | |
antimuslimische Milizen nahmen unter dem Namen „Anti-Balaka“ (Gegen die | |
Kugeln der AK-47) den Kampf gegen Séléka auf; eine französische | |
Militärintervention im Dezember 2013 erzwang im Januar 2014 den Rücktritt | |
der Séléka-Regierung von Präsident Michel Djotodia. | |
Die neue Übergangspräsidentin Samba-Panza sah tatenlos zu, wie | |
Anti-Balaka-Milizen fast alle Muslime aus Bangui und dem gesamten Süden des | |
Landes vertrieben. Die Pogrome und Massaker forderten nach einer neuen | |
Zählung des Roten Kreuzes 1.547 Tote. | |
Séléka hat sich mittlerweile im Norden des Landes reorganisiert, wobei ihre | |
beiden wichtigsten Generäle, Mohamed Dhaffane und Noureddine Adam, | |
miteinander zerstritten sind. Adam hat den im Juli von Dhaffane in | |
Brazzaville unterzeichneten Waffenstillstand abgelehnt. Dass jetzt auch | |
Dhaffane davon abrückt, könnte aber die Séléka-Flügel wieder | |
zusammenführen. | |
## Ein vollendeter Wendehals | |
Mahamat Kamoun ist als Premierminister nicht nur im eigenen Lager | |
umstritten. Er gilt als vollendeter Wendehals, der allen drei Präsidenten | |
gedient hat: Bozizé, Djotodia und Samba-Panza. Unter der Bozizé-Herrschaft | |
von 2003 bis 2013 war er zunächst Generaldirektor im Finanzministerium; | |
seine Frau Rachel Ngakola war Finanzministerin und später Leiterin der | |
Zollbehörde, eine der wichtigsten Einnahmequelle des Landes, während er den | |
Staatstresor führte. Oppositionelle in Bangui machen die beiden | |
mitverantwortlich für verbreitete Unterschlagungen. | |
Kamouns einmalige Kenntnis der zentralafrikanischen Staatsfinanzen brachten | |
ihm nach Bozizés Sturz einen hohen Posten erst unter Séléka-Führer Djotodia | |
und dann unter Übergangspräsidentin Samba-Panza, die auch Ngakola im Amt | |
beließ. Dass diese Clique jetzt einen politischen Neuanfang verkörpern | |
soll, stößt weithin auf Unverständnis. | |
11 Aug 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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