# taz.de -- Konflikt in Zentralafrikanischer Republik: Milizen greifen nach der… | |
> Eine Welle der Gewalt erschüttert die Zentralafrikanische Republik. Das | |
> stärkt die für viele Verbrechen verantwortlichen Anti-Balaka-Milizen. | |
Bild: Zeremonie zum Beginn der UN-Mission in Bangui im September. | |
BERLIN taz | Nach mehreren Tagen schwerer Unruhen in der | |
zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui steht die Übergangsregierung unter | |
Präsidentin Catherine Samba-Panza mit dem Rücken zur Wand. | |
Führer der Anti-Balaka-Milizen, die vor einem halben Jahr fast alle Muslime | |
der Hauptstadt vertrieben oder getötet hatten und auch in der vergangenen | |
Woche wieder zahlreiche Gewaltakte begingen, verlangten bei einem Treffen | |
mit der Präsidentin am Samstag Straffreiheit für ihre Bewegung, die | |
Freilassung inhaftierter Mitglieder und dazu noch den Rücktritt der | |
gesamten Regierung. | |
Dass eine Sprecherin der Präsidentin das Treffen als möglichen Beginn einer | |
Verständigung wertete, zeigt, wie machtlos die Staatsmacht der | |
Zentralafrikanischen Republik gegenüber Gewaltakteuren ist. | |
Man hoffe, die Anti-Balaka würden jetzt ihre Kämpfer aus den Straßen der | |
Hauptstadt zurückziehen, erklärte das Präsidialamt. Am Sonntag früh wurden | |
allerdings neue schwere Kämpfe in der Umgebung der Präsidialresidenz | |
gemeldet, und lokale Medien zitierten Anti-Balaka-Führer Edouard Patrice | |
Ngaissona mit der Aussage, man halte an der Forderung nach Rücktritt der | |
Präsidentin fest. | |
Die neue Gewaltwelle in Bangui hatte, wie lokale Medien sowie die vor Ort | |
aktive US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch rekonstruiert | |
haben, am Dienstag vergangener Woche begonnen. | |
Ein kasernierter ehemaliger Kämpfer der muslimischen Rebellenbewegung | |
Seleka, die die Zentralafrikanische Republik im Jahr 2013 regiert hatte, | |
verließ sein Quartier, um Verwandte in Bangui zu besuchen. | |
Anti-Balaka-Milizionäre erkannten ihn und nahmen seine Verfolgung auf; der | |
Seleka-Kämpfer bewarf seine Verfolger mit Granaten; sie holten ihn ein und | |
zerhackten ihn. | |
## Lynchmord unter den Augen der UN | |
Die Leiche wurde am nächsten Tag ins Stadtviertel PK5 gebracht, dem | |
einzigen in Bangui, wo nach den Pogromen des Frühjahrs noch Muslime leben. | |
Wütende Muslime lynchten daraufhin aus Rache einen Taxifahrer, und dessen | |
Leiche brachten wiederum die Anti-Balaka in einem Protestmarsch zum | |
Hauptquartier der neuen UN-Blauhelmmission „Minusca“. Als diese sich nicht | |
rührte, schwärmten die Anti-Balaka in ganz Bangui aus, errichteten | |
Straßensperren, tötetn mutmaßliche Feinde und setzten Verstärkung aus | |
anderen Städten in Bewegung. | |
Während die Muslime in PK5 sich auf einen Sturm auf ihr Viertel wappneten, | |
geriet am Donnerstag Abend eine UN-Patrouille in einen Hinterhalt und ein | |
pakistanischer UN-Soldat wurde getötet. Bei weiteren Angriffen auf die UNO | |
am Freitag wurden burundische und kamerunische Blauhelme verletzt. | |
Nur ein relativ massives Auftreten der ausländischen Interventionskräfte in | |
Bangui verhinderte eine Eskalation der Gewalt – aber unterschiedlichen | |
Zählungen zufolge kamen 12 bis 25 Menschen ums Leben und mehrere Tausend | |
ergriffen die Flucht. Hilfswerke sagten, sie würden daran gehindert, | |
Verletzte zu bergen. | |
## Barbarische Akte | |
Das Verteidigungsministerium in Bangui gab zu, dass auch Soldaten der | |
eigenen Armee, die sofern sie überhaupt existiert, als Unterstützertruppe | |
der Anti-Balaka agiert, „barbarische Akte“ begangen hätten. Am Freitag | |
Abend wurde der internationale Flughafen von Bangui auf unbestimmte Zeit | |
geschlossen. | |
Aber die neue Eskalation hat noch einen weiteren, politischen Hintergrund. | |
Die Anti-Balaka unterstellen der Präsidentin Catherine Samba-Panza | |
politische und geschäftliche Nähe zu den muslimischen Seleka-Rebellen, die | |
in Bangui bis zum Amtsantritt der von Samba-Panza geführten | |
Übergangsregierung im Januar 2014 geherrscht hatten und sich jetzt in den | |
Norden des Landes zurückgezogen haben. Viele Anti-Balaka kommen aus dem | |
Umfeld des 2013 von Seleka gestürzten ehemaligen zentralafrikanischen | |
Präsidenten Francois Bozizé und wittern jetzt die Chance, die Macht | |
zurückzuerobern. | |
Der hartnäckigste Vorwurf gegen Samba-Panza ist der der Veruntreuung von | |
Hilfsgeldern für das bitterarme Land, in dem seit zwei Jahren fast niemand | |
mehr regulär Geld verdient. So seien von einer Hilfszahlung in Höhe von 10 | |
Millionen Dollar aus Angola ein Viertel spurlos verschwunden. | |
Journalisten in Bangui und Paris haben den Vorgang rekonstruiert: Demnach | |
brachte Samba-Panza am 5. März von einem Gipfeltreffen in Angola fünf | |
Millionen Dollar in bar nach Hause, die zur Zahlung von Beamtengehältern | |
dienen sollten. Die wurden in Kamerun in lokale Währung umgetauscht. | |
## Exporthandel statt Beamtengehälter | |
Eine zweite Tranche von weiteren fünf Millionen sei Ende März von einem | |
Sondergesandten aus Angola nach Bangui gebracht und von der | |
Präsidententochter Christelle Sappot entgegengenommen worden. | |
Präsidialberater Mahamat Kamoun habe den Staatstresor angewiesen, von der | |
Tochter 2,5 Millionen Dollar abzuholen und zur Bank zu bringen. Der | |
Verbleib der restlichen 2,5 Millionen ist nicht bekannt. | |
Die Präsidententochter ist inzwischen Geschäftsfrau im Exporthandel | |
geworden und Berater Kamoun ist jetzt Premierminister. Präsidentin | |
Samba-Panza hat auf den Vorwurf der Veruntreuung mit der Drohung reagiert, | |
die Namen aller Empfänger der gesamten Hilfsgelder zu veröffentlichen, was | |
auch nicht für eine ordnungsgemäße Verwendung spricht. Sie soll am Montag | |
im Übergangsparlament dazu Stellung nehmen. Aber ihre Zukunft entscheidet | |
sich eher im Machtkampf auf der Straße. | |
12 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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