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# taz.de -- Änderungen in der Altersvorsorge: Ruhestand mit Risiko
> Das Bundesfinanzministerium schafft den Garantiezins in der
> Lebensversicherung ab. Die private Rente wird noch unsicherer.
Bild: Ein Balanceakt: Die Abschaffung des Garantiezins in der Lebensversicherun…
Berlin taz | Es klingt nach einem technischen Detail, hat aber enorme
Auswirkungen auf die private Altersvorsorge. Das Bundesfinanzministerium
will ab 2016 Versicherungskonzernen keinen Garantiezins mehr vorschreiben.
Damit gibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der Branche das
Signal, bei Lebensversicherungen künftig keine Mindestverzinsung mehr zu
garantieren. Für Verbraucher fällt damit etwas ganz Entscheidendes weg: der
Inflationsschutz. Bereits abgeschlossene Verträge sind davon nicht
betroffen.
Das heißt, wer in Zukunft eine private Rentenversicherung abschließt, wird
mit weniger Einkünften im Alter kalkulieren müssen. Bei den klassischen
Policen – Rentenversicherungen sind eine Form der Lebensversicherung –
können Kunden dank Garantieverzinsung genau ausrechnen, wie viel Geld sie
später mindestens im Monat bekommen. Angesichts der von Rot-Grün 2001
erheblich gekürzten Renten sind Millionen auf eine zusätzliche
Altersvorsorge angewiesen. Viele entscheiden sich für eine private
Rentenversicherung, weil durch die Garantieverzinsung der Wert ihres Geldes
zumindest auf dem Niveau der Inflation erhalten bleibt. Die Höhe des Zinses
hängt vom Kapitalmarktumfeld ab, zurzeit liegt sie bei 1,25 Prozent. Die
Garantieverzinsung wird vom Bundesfinanzministerium festgelegt.
Darauf will das Ministerium ab 2016 bei großen Unternehmen verzichten. Den
Garantiezins gibt es seit Jahrzehnten. Ursprünglich wollte die Politik mit
der Festlegung des Garantiezinses verhindern, dass Versicherer sich
gegenseitig in festen Zusagen überbieten und sich so ruinieren. Daher wird
der Zins auch „Höchstrechnungszins“ genannt. Heute ist der Sinn ein
anderer: Der Garantiezins schafft die Grundlage für die sichere Kalkulation
der Altersvorsorge.
## „Der Sargnagel für die klassische Lebensversicherung“
Die Bundesregierung begründet den Wegfall mit dem Inkrafttreten der
europäischen Richtlinie „Solvency II“. Sie erlaubt Versicherern, beim
Spekulieren größere Risiken einzugehen, solange sie gleichzeitig ihre
Rücklagen aufstocken. Die Gesellschaften können auch weiterhin Garantien
geben, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums.
Doch das werden immer weniger tun. „Der Wegfall des Garantiezinses ist der
Sargnagel für die klassische Lebensversicherung“, sagt Dirk Ulbricht vom
Verbraucherschutzverein Bund der Versicherten. Ulbricht geht davon aus,
dass die Versicherer Policen mit Garantien durch Verträge ersetzen werden,
bei denen Kunden das Kapitalmarktrisiko tragen.
Allianz, Axa, Ergo, Generali und andere Große haben damit längst begonnen.
Einige bieten nur noch Verträge ohne verbindliches Verzinsungsversprechen
an. Sie ködern Kunden mit der Aussicht auf eine höhere Ausschüttung – von
der niemand weiß, ob es sie geben wird. Diesen Gesellschaften kommt die
Quasi-Abschaffung des Garantiezinses durch die Bundesregierung entgegen.
Manche Manager wollen trotzdem am alten Modell festhalten. Der
Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft sieht die Abschaffung
denn auch kritisch.
Nutzen wird der Branche das Aus auf jeden Fall. Denn nun kann sie sich auf
ein lukratives Schlussverkaufsgeschäft für Garantieverträge bis zum Ende
des Jahres freuen. Verbraucherschützer Ulbricht warnt davor, der Kampagne
auf den Leim zu gehen. Die Policen sind viel zu teuer, sagt er: „Die
Garantieverzinsung reißt das auch nicht raus.“
9 Oct 2015
## AUTOREN
Anja Krüger
Peter Weissenburger
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