| # taz.de -- Hamburg ist Hochburg der Grundsicherung: Stadt der Altersarmut | |
| > In Hamburg bekommen bundesweit am meisten Senioren Grundsicherung. Viele | |
| > Alte sind auf Tafeln angewiesen – manche müssen sogar betteln. | |
| Bild: Arme Rentner gibt es in Hamburg bundesweit am meisten | |
| Hamburg taz | Das Kleingeld in der lila Plastikschale klimpert. Die Hände | |
| der älteren Frau, die sich am Schulterblatt vor dem Regen an eine Wand | |
| drückt, zittern. Die 63-Jährige möchte ihren Namen nicht in der Zeitung | |
| lesen. Sie steht oft an diesem Platz neben einer Drogerie, grüßt die | |
| Vorbeigehenden höflich und lächelt. | |
| „Das, was ich vom Sozialamt bekomme, reicht hinten und vorne nicht“, sagt | |
| sie. Arbeiten könne sie nicht mehr. Sie bekommt schwer Luft, hatte eine | |
| Lungenembolie. Früher habe sie als Bedienung gearbeitet oder als | |
| Zimmermädchen. Seit vier Jahren geht das nicht mehr. Sie bekommt Hartz IV. | |
| „Das ist absolut die schlimmste Zeit in meinem Leben“, sagt sie. Die | |
| schwierige Situation lasse ihr keine andere Wahl, als zu betteln. | |
| In Hamburg leben viele ältere Menschen am Existenzminimum. Das statistische | |
| Bundesamt teilte am Donnerstag mit, dass derzeit 69 von 1.000 Senioren von | |
| der Grundsicherung leben. In keinem anderen Bundesland sind es so viele. | |
| Für die Stadt ist das ein altbekanntes Problem: Seit 2005 führt der | |
| Stadtstaat fast jedes Jahr diese Liste an. „Das weiß die Stadt auch“, sagt | |
| Klaus Wicher, Vorsitzender des Hamburger Sozialverbandes. Die Politiker | |
| unternähmen bloß nichts. | |
| Der Sozialverband fordert den Bau von 6.000 bezahlbaren Wohnungen pro Jahr, | |
| mehr kostenlose Dienstleistungen wie Haushaltshilfen, kostenlose | |
| Theaterkarten und einen sozialen Arbeitsmarkt mit 1.000 | |
| sozialversicherungspflichtigen Stellen. So sollen Langzeitarbeitslose die | |
| Möglichkeit bekommen, etwas in die Rentenkasse einzuzahlen, damit sie im | |
| Alter keine Grundsicherung brauchen. | |
| Das steht jetzt auch so im Koalitionsvertrag“, sagt Wicher. SPD und Grüne | |
| wollen 700 solcher Arbeitsplätze schaffen. Viele der Senioren, die im Alter | |
| Grundsicherung erhalten, hatten zuvor gering bezahlte und befristete Jobs. | |
| Dazu kommen 23.000 Langzeitarbeitslose. | |
| Zudem sind Hartz-IV-Empfänger verpflichtet, mit 63 Jahren eine vorgezogene | |
| Altersrente zu beantragen. Reicht die nicht zum Leben, wird sie bis zum | |
| Sozialhilfesatz aufgestockt. Grundsicherung gibt es erst mit 65 Jahren. | |
| „Viele Senioren stehen trotzdem ab dem 20. eines Monats an den Tafeln“, | |
| sagt Wicher. | |
| Die ältere Frau am Schulterblatt versucht sich anders zu helfen. Doch bei | |
| Regen werfen nur wenige Passanten etwas in ihre Schale. Vom Amt zu leben, | |
| sei nicht halb so angenehm, wie die Medien den Massen vorgaukelten. „Du | |
| musst dich ständig erklären und Papiere einreichen“, sagt sie. Das Geld | |
| reiche trotzdem nicht: „Man kann ja nicht jeden Tag Eintopf essen.“ | |
| 7 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Robin Grützmacher | |
| Andrea Scharpen | |
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