# taz.de -- Nobelpreis in Chemie: Reparaturkit für die Erbsubstanz | |
> Ohne ein hocheffektives Kontroll- und Reparatursystem für die DNA ist | |
> Leben kaum denkbar. Fehlt das Repairsystem, drohen Fehlfunktionen oder | |
> Krebs. | |
Bild: Körpereigene Enzyme kontrollieren die korrekte Basensequenz der Erbmolek… | |
Drei Wissenschaftler teilen sich in diesem Jahr den [1][Nobelpreis für | |
Chemie], der 77-jährige Schwede Tomas Lindahl und die beiden 69-jährigen | |
US-Amerikaner Paul Modrich und Aziz Sancar. Sancar ist allerdings auch | |
türkischer Staatsbürger. Die Herkunft der Wissenschaftler überrascht etwas. | |
Dass ein Schwede den Nobelpreis verliehen bekommt, geschieht sehr selten. | |
Das Komitee ist bei eigenen Landsleuten oft zurückhaltend. Zum ersten Mal | |
allerdings erhält ein Naturwissenschaftler aus der Türkei die Auszeichnung. | |
Aziz Sancar ist in Anatolien geboren. Seine Eltern waren nach Angaben der | |
Zeitung Hürriyet Analphabeten, ermöglichten aber ihrem Sohn, der mit seinen | |
sieben Geschwistern im anatolischen Savur aufwuchs, ein Studium in Dallas, | |
Texas. Heute lehrt er als Professor an der Universität von Chapel Hill in | |
North Carolina. | |
Tomas Lindahl entdeckte schon Anfang der 1970er Jahre ein Enzym, das Fehler | |
in der Desoxyribonukleinsäure (DNA) von Lebewesen reparieren kann. Zuvor | |
nahm man an, dass die DNA ein statisches Molekül sei. Lindahl bezweifelte | |
diese Theorie früh. Ohne einen Reparaturmechanismus, so seine Überlegung, | |
könne Leben nicht existieren. Tatsächlich ist zum Beispiel die menschliche | |
DNA in der befruchteten Eizelle etwa zwei Meter lang. Ein ausgewachsener | |
Mensch aber verfügt über DNA-Moleküle, deren Länge aneinandergefügt 250-mal | |
zur Sonne und wieder zurück reichen würde. | |
Die Eizelle teilt sich somit viele Milliarden Male im Leben eines Menschen. | |
Erbinformationen müssen also ständig fehlerfrei dupliziert werden. Die | |
empfindliche DNA ist dabei auch noch schädlichen Einflüssen wie | |
Umweltgiften und UV-Strahlung ausgesetzt. Die Reparaturmaßnahmen, die die | |
drei Forscher entdeckten, sind so ausgeklügelt, dass sie Handlung eines | |
Animationsfilmes seien könnten. Einige Proteine rasen ständig an der DNA | |
entlang und suchen Fehler. Ist eine Auffälligkeit gefunden, eilen andere | |
Proteine herbei, um die Fehlermeldung zu bestätigen. Erst dann wird von | |
weiteren Helfern die Stelle der DNA ausgeschnitten und ersetzt. | |
Asis Sanzar richtete seine Aufmerksamkeit auf Zellschäden, die durch die | |
Einstrahlung von UV-Licht entstehen. Menschen, deren Mechanismus der | |
Reparatur massiv gestört ist, vertragen kein Sonnenlicht. Diese sogenannten | |
„Mondscheinkinder“ erkranken häufig an Hautkrebs. Bislang blieb diesen | |
Menschen nur ein Leben in geschlossenen, abgedunkelten Räumen oder kurzen | |
Aufenthalten draußen mit UV-blockenden Cremes. Eine Therapie dieser | |
Krankheit erscheint nun denkbar. | |
## Gefährliche Defekte | |
Auch bei der Zellteilung und der damit verbundenen Teilung der DNA können | |
Schäden entstehen. Die Reparatur jener Schäden untersuchte Paul Modrich, | |
der einen Zusammenhang zwischen fehlender oder gestörter Reparatur bei der | |
Teilung der DNA und dem Auftreten von Darmkrebs nachweisen konnte. Bei | |
vielen Krebsarten, so kann aus den Forschungsergebnissen der drei | |
Wissenschaftler abgeleitet werden, ist die Ursache in einem Defekt des | |
körpereigenen Reparatursystems zu finden. | |
In der Krebsforschung wird nun nach einer Methode gesucht, dieses | |
Reparatursystem partiell ausschalten zu können. Denn auch Krebszellen | |
können sich reparieren und so gegen Chemotherapie resistent werden. Nimmt | |
man den Krebszellen ihren Schutz, können Therapien besser greifen. | |
Ein anderer Aspekt ist bei all dem Trubel um den Nobelpreis bislang wenig | |
beachtet worden. Wenn es in Zukunft gelingt, die Reparaturtätigkeit an der | |
DNA zu intensivieren, könnte vielleicht eine Therapie gegen Krebs | |
entwickelt oder gar die Zellalterung gestoppt werden. Vielleicht haben die | |
drei preisgekrönten Forscher einen kleinen Schritt hin zur Unsterblichkeit | |
getan. | |
8 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.nobelprize.org/nobel_prizes/chemistry/laureates/2015/press.html | |
## AUTOREN | |
Lutz Debus | |
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