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# taz.de -- Verkehrsexperte über Volkswagen-Krise: „VW wird nicht in die Kni…
> Verkehrsexperte Axel Friedrich über die Folgen der Manipulation bei VW,
> die systematische Präparierung von Testfahrzeugen und Behördenignoranz.
Bild: Die Krise im Spiegel der Autoindustrie: Porsche-Chef Müller und VW-Chef …
taz: Herr Friedrich, Sie kritisieren seit Jahren gebetsmühlenartig, dass
die Autoindustrie bei offiziellen Abgasmessungen manipuliert. Warum ist das
jetzt erst aufgeflogen?
Axel Friedrich: Autoindustrie und Politik haben unsere Kritik jahrelang
ignoriert. In den USA ist das ein wenig anders. Der Skandal ist jetzt
aufgeflogen, weil die unabhängige Forschungs- und Wissenschaftsvereinigung
International Council on Clean Transportation ICCT die US-Umweltbehörde EPA
in Marsch gesetzt haben. Das Kuriose dabei: Eigentlich wollte ICCT ja nur
zeigen, dass die für den US-Markt zugelassenen Autos von VW bessere
Abgaswerte haben als die europäischen. Dann stellte sich heraus, dass die
US-Wagen von VW so gut gar nicht waren. Deshalb hat sich EPA eingeschaltet.
Hätte VW nicht wissen müssen, dass in den USA schärfer kontrolliert wird?
Die EPA kann nicht alle Fahrzeuge einer systematischen Nachprüfung
unterziehen, weil es zu viele Modelle gibt. Erst wenn Verdachtsmomente
aufkommen, schaut man genauer hin. Hinzu kommt, dass der Marktanteil von VW
in den USA nicht wichtig genug ist.
Sind die Betrügereien vergleichbar mit denen in Europa, wo Verbrauchswerte
und Kohlendioxid-Ausstoß der Fahrzeuge um 30 bis 40 Prozent zu niedrig
angegeben werden?
Auch auf europäischen Prüfständen sind nicht nur der gemessene
Spritverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß falsch, wir haben auch viel höhere
Stickoxidwerte als offiziell gemessen. Deshalb werden die Grenzwerte nicht
eingehalten.
Haben die Umweltverbände nie Strafanzeige erstattet, um diesen Betrug zu
stoppen?
Der juristische Weg ist schwierig, weil der Nachweis, dass manipuliert
wird, schwer zu führen ist. Abgasmessungen sind kompliziert, sie müssen
gerichtsfest sein. Das übersteigt die Möglichkeiten der Umweltverbände. Das
ist Aufgabe staatlicher Stellen.
Was haben die politischen Instanzen zu Ihren ständigen Vorwürfen gesagt?
Es gab eine Anfrage der Grünen und eine Antwort der Bundesregierung, dass
ihr keine konkreten Ergebnisse vorliegen, die auf Manipulationen hinweisen.
Das ist natürlich eine Schutzbehauptung.
Wie schwierig wird es jetzt für VW, saubere Autos bereitzustellen?
Bei den meisten Autos könnten die Grenzwerte mit einer einfachen
Nachrüstung, einer sogenannten Umkalibrierung, eingehalten werden. Das
große Problem in den USA ist die Ermittlung der Halter: Es gibt dort keine
Kartei eines Kraftfahrbundesamts wie bei uns. Man muss also jeden einzelnen
Halter suchen, das wird mühsam. Die Nachrüstung selbst könnte bei vielen
Autos mit einer Werkstattstunde erledigt sein.
Und was ist bei den Neufahrzeugen zu tun, wenn sie die gesetzlichen
Vorschriften künftig einhalten sollen?
Bei Neufahrzeugen müsste VW die Einspritzsysteme neu konzipieren und
kalibrieren. Auch hier ist der Aufwand überschaubar.
Warum hat man es dann nicht gemacht, warum riskiert man stattdessen
milliardenschwere Klagen und einen gewaltigen Imageverlust?
Ich weiß es nicht. Die VW-Unternehmenspolitik ist für mich an diesem Punkt
wirklich nicht nachvollziehbar.
Eine Manipulation der Prüfsoftware erfordert jahrelange Planung und viel
Personal …
Die Umgehung von Testvorschriften ist nicht neu: In den 80er Jahren hatte
man Schalter an der Drosselklappe installiert, man hat auch mit Zündzählern
gearbeitet. Die Branche hat sich vieles einfallen lassen. Mit der modernen
Elektronik wird das Aufspüren der Manipulationen immer aufwendiger, man
fühlte sich offenbar sicher.
Machen das die anderen Hersteller genauso?
Die Verdachtsmomente liegen auf dem Tisch. Jetzt ist es die Aufgabe der
Politik und der Aufsichtsbehörden, diese Frage zu beantworten. Auffällig
ist, dass auch viele Modelle anderer Hersteller erhöhte Emissionswerte
aufweisen und die Verbrauchsangaben nicht stimmen. Von BMW stammt der
Begriff Zyklus-Design, wenn es darum geht, Autos für den Test auf dem
Prüfstand zu präparieren. Ich nenne das Zyklus-Betrug. Wir haben Autos, die
im realen Leben auf der Straße um den Faktor zehn bis zwanzig höhere
Emissionen haben als angegeben.
Nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich Millionen
Menschen an Luftschadstoffen …
… dazu kommen Umweltschäden. Stickoxide erhöhen die Ozonwerte, sie
überdüngen Wälder und Meere, sie führen zu Übersäuerung. Unter den Folgen
leiden vor allem Asthmatiker und sensitive Menschen. Die
Gesundheitsgefahren sind massiv.
In der EU ist ab 2017 ein neuer Testzyklus bei Abgasmessungen geplant. Wird
der dafür sorgen, dass wir ehrliche Angaben zu Verbrauch und Emissionen
bekommen?
Man plant eine Ergänzung heutiger Tests, und es sollen auch auf der Straße
realistische Messungen vorgenommen werden. Vielleicht wird es dann
schwieriger für die Automobilindustrie. Die entscheidende Frage ist aber,
welche Grenzwerte man künftig vorschreiben wird.
Wie stark wird VW nach diesem Skandal in die Knie gehen?
Er wird VW nicht das Genick brechen. Auch andere Konzerne sind schon bei
Umweltvergehen erwischt worden. VW wird eine deftige Strafe zahlen. Und der
Verkauf von VW-Modellen wird erst einmal einbrechen.
23 Sep 2015
## AUTOREN
Manfred Kriener
## TAGS
Automobilindustrie
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