# taz.de -- Viertklässler über Flüchtlinge: „Ich würde mein Zimmer teilen… | |
> Täglich kommen Tausende Geflüchtete in Passau an: Wie sich mediale | |
> Debatten in den Augen von weißen deutschen Schulkindern spiegeln. | |
Bild: Heile Welt: Moritz, Jasmin, Chiara und Benedikt (von links). | |
Passau ist bekannt für Hochwasser und den Politischen Aschermittwoch der | |
CSU. Seit Sommer auch für Asylpolitik. Die beschauliche Kleinstadt an der | |
Grenze zu Österreich ist die erste deutsche Station von Flüchtlingen auf | |
der Balkan-Route. An der Hans-Carossa-Grundschule ist davon wenig zu | |
spüren. Noch sitzt dort kein Flüchtlingskind im Klassenzimmer. Was wissen | |
Jasmin, Chiara, Benedikt und Moritz über Flüchtlinge? Und woher? | |
taz: Wer kann mir sagen, was ein Flüchtling ist? | |
Chiara: Die kommen aus Thüringen, glaube ich, aus Afrika und der Türkei. In | |
der Nähe, wo ich wohne, gibt’s so ein Heim für Flüchtlinge. | |
Was weißt du über Flüchtlinge, Benedikt? | |
Benedikt: Ich hab was gesehen in der Zeitung, da hat meine Oma geweint. Da | |
ist ein Baby ertrunken und lag am Strand. Das fand ich brutal. Sie flüchten | |
aus Afghanistan und Syrien vorm Krieg, weil sie meinen, es ist in | |
Deutschland und Europa besser. | |
Was bedeutet Krieg? | |
Benedikt: Ballerei, Bomben. | |
Jasmin, hast du schon Flüchtlinge gesehen? | |
Jasmin: Ja, in der X-Point-Halle in Passau. Und ich war in der Türkei. Dort | |
am Bahnhof waren ganz viele Flüchtlinge. | |
Moritz: Und wenn sie dann in Deutschland sind, kriegen sie gleich was zu | |
essen und Klamotten und dann einen Ausweis. | |
Jasmin: Also ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich hab mal gehört, dass | |
alle nach Deutschland kommen und dann nach Frankreich oder irgendwohin | |
gebracht werden, weil es hier zu viele Flüchtlinge gibt. | |
Wie viele Flüchtlinge sind in Deutschland? | |
Benedikt: Ich glaub vor zwei Wochen sind 5.000 mit dem Zug gekommen. Also | |
werden schon über eine Million Flüchtlinge hier sein. | |
Chiara: Ich hab im Fernsehen was gesehen: Da war so ein Lastwagen, da waren | |
Flüchtlinge drin. Und wenn da zu viele drin sind, dann kriegen sie keine | |
Luft mehr. | |
Moritz: Ich hab gehört, dass sie erstickt sind. | |
Soll Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen? | |
Benedikt: Ich glaub, wir können schon noch mehr aufnehmen. Es ist gut, dass | |
wir sie aufnehmen. Aber wir dürfen nicht zu viele Häuser bauen, sonst wird | |
auch die Natur kaputt. | |
Chiara: Kommt drauf an, wie viel Platz in den Häusern ist. | |
Wer hat ein eigenes Zimmer? | |
Alle: Ich. | |
Würdet ihr euer Zimmer mit einem Flüchtlingskind teilen? | |
Benedikt: Ich hätte noch Platz frei. Ich würde gerne einen Flüchtling bei | |
mir daheim aufnehmen. | |
Was ist der Unterschied zwischen einem Flüchtlingskind und euch? | |
Moritz: Dass bei denen im Land Krieg ist und bei uns nicht. | |
Chiara: Sind Flüchtlinge immer schwarz? | |
Benedikt: Nein, die können auch ein bisschen braun sein. Flüchtlinge kommen | |
zwar nicht aus unserem Land, aber man muss sie gleich respektieren. | |
Woher kommen die Flüchtlinge? | |
Moritz: Aus dem Land, wo Krieg ist. | |
Wie weit ist das weg? | |
Moritz: Weit weg. | |
Chiara: Müssen die da eigentlich mit dem Boot fahren? | |
Benedikt: Ja, die fahren mit so Schlauchbooten. Dann gibt’s aber auch noch | |
so Schleuser, die verlangen ganz viel Geld. | |
Jasmin: Ich hab gesehen, da sind welche mit dem Boot gefahren und da sind | |
welche rausgefallen. | |
Warum kommen Flüchtlinge nach Deutschland? | |
Chiara: Weil wir vielleicht ganz viel Platz haben? | |
Benedikt: Und weil sie wissen, dass sie hier gut behandelt werden und kein | |
Krieg ist. | |
Chiara: Manchmal, hab ich gehört, verarschen Menschen andere, damit die, | |
die keine Flüchtlinge sind, dann das Geld bekommen. | |
Benedikt: Es gibt auch falsche Flüchtlinge. Die tun so, als wären sie | |
Flüchtlinge, wollen aber nur mehr Geld. | |
Woher wisst ihr das? | |
Benedikt: Aus der Zeitung. Und vom Radio. | |
Welche Hilfe braucht ein Flüchtling hier in Deutschland? | |
Benedikt: Er sollte gut behandelt werden und kommt in die ärztliche | |
Notaufnahme. Dann kommt er in ein Flüchtlingsheim und dort wird ihm zuerst | |
was zu essen gegeben. Da kann er sich auch waschen. | |
Könnt ihr auch helfen? | |
Moritz: Ja. | |
Wie denn? | |
Jasmin: Zum Beispiel meine Eltern haben einen ganz großen Sack mit Kleidern | |
und Spielsachen und Kuscheltieren eingepackt und haben das nach Salzweg | |
(Stadt im Landkreis Passau, Anm. der Red.) ins Flüchtlingsheim gebracht. | |
Benedikt: Das haben wir auch gemacht. Meine Mama hat meine Spielsachen, mit | |
denen ich nicht mehr spiele, gepackt und die schenken wir dann den | |
Flüchtlingen. | |
Chiara: Wieso gibt es eigentlich den Krieg? | |
Benedikt: Ich hätte schon eine Lösung, wie man den ganzen Krieg wegbringen | |
könnte. | |
Wie denn? | |
Benedikt: Zum Beispiel in Afghanistan könnt man fragen, warum sie | |
eigentlich kämpfen. Ich glaub, die wissen selbst nicht, warum sie sich | |
eigentlich gegenseitig abschießen. Das weiß ich eigentlich auch nicht. | |
Chiara: Kommen Flüchtlinge auch aus Kanada und Amerika? | |
Nein, ihr habt vorher schon Länder genannt: Syrien zum Beispiel. Kennt ihr | |
das Land Ungarn? Das hat einen Zaun gegen die Flüchtlinge gebaut. | |
Benedikt: Ja, das finde ich voll schlimm. Weil die lassen jetzt keinen mehr | |
rein, jetzt müssen die einen riesigen Umweg gehen, und vielleicht sterben | |
da jetzt noch mehr am Weg. | |
Ist die Reise gefährlich? | |
Jasmin, Chiara: Ja. | |
Benedikt: Ja, zum Beispiel können sie in eine Felsspalte reinfallen und | |
kommen nicht mehr raus. Oder werden von wilden Tieren überfallen. | |
Sind auch Flüchtlinge in eurem Alter dabei? | |
Jasmin: Ja. | |
Benedikt: Und auch Babys. | |
Moritz: Ich hab was im Fernsehen gesehen: Da war eine ungarische Reporterin | |
und ein Papa mit seinem Sohn im Arm und die Frau hat dem Papa ein Bein | |
gestellt. | |
Wie findest du das? | |
Moritz: Schlimm. | |
Benedikt: Meine Oma hat letztens einem Flüchtling geholfen. Die haben an | |
der Haustür geklopft und haben dann was zu Essen bekommen von meiner Oma. | |
Und da war ein kleines Baby dabei. | |
Was nehmen die Menschen mit auf die Flucht? | |
Moritz: Klamotten, was sie anhaben. | |
Jasmin: Was zum Trinken. | |
Warum haben Flüchtlinge oft Handys? | |
Jasmin: Haben die Handys? | |
Chiara: Sind das richtige Handys? | |
Ja, damit sie mit ihren Verwandten, Familien und Freunden telefonieren und | |
sich informieren können, wie es ihnen geht – in der Heimat, wo Krieg | |
herrscht. | |
Benedikt: Und wenn sie nicht mehr abheben, dann kann es sein, dass sie | |
gestorben sind – oder auch flüchten. | |
Chiara: Wieso alle nach Deutschland? Geht’s denen in England auch gut oder | |
geht’s denen da nicht gut? | |
Benedikt: Europa ist ein guter Kontinent. Da, glaub ich, geht’s ihnen | |
überall gut, auch wenn sie in England sind. | |
Aber es gibt Länder, wie zum Beispiel England, die nicht so viele | |
Flüchtlinge nehmen wollen. Versteht ihr das? | |
Jasmin: Vielleicht haben sie Angst, dass es zu viele werden und sie dann in | |
die Häuser reingehen und so etwas. | |
Benedikt: Ich hätte eine Idee, wie man das machen kann. Dass sich die | |
Regierungen aus allen Ländern zusammensetzen und mit den Flüchtlingen | |
reden. Zum Beispiel: Jedes Land nimmt 15.000 auf oder mehr. Dass sie dann | |
ungefähr gleich sind, weil dann braucht keiner sagen: Ich hab jetzt mehr | |
Flüchtlinge als ihr. Ich find, das wär besser, wenn sie gerecht aufgeteilt | |
werden. | |
Das hat unsere Bundeskanzlerin versucht, aber viele Länder sagen: Wir | |
nehmen gar keine Flüchtlinge. Kennt ihr Angela Merkel? | |
Alle: Ja. | |
Moritz: Sie ist sehr wichtig. | |
Benedikt: Ich glaub, die hilft auch gerne Flüchtlingen. Ich denk, die hat | |
schon Mitleid mit ihnen. | |
Was glaubst du, will Angela Merkel erreichen? | |
Jasmin: Dass kein Krieg herrscht. | |
Benedikt: Sie wird erst versuchen, den Krieg wegzubringen. Und dann wird | |
sie versuchen, die Flüchtlinge, die zu uns kommen, in Obhut zu nehmen. Und | |
dann schauen, in welches Land kann ich sie bringen. In Passau, glaub ich, | |
ist die Erststation für Flüchtlinge, da kommen jetzt, glaub ich, jeden Tag | |
15.000 mit dem Zug an. | |
Bleiben sie alle in Passau? | |
Benedikt: Die kommen erst mal in die Dreiländerhalle in die Erstaufnahme | |
und da wird dann festgestellt, wo sie herkommen. Wenn es Kriegsgebiet ist, | |
dann werden sie mit dem Bus in andere Orte in Deutschland gebracht. | |
10 Oct 2015 | |
## AUTOREN | |
Toni Wölfl | |
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