| # taz.de -- Ex-Coach von Dynamo über Ostfußball: „Man hätte einen Wessi ge… | |
| > Am Tag der Deutschen Einheit trifft Rostock auf Dresden. Helmut Schulte, | |
| > einst Coach von Dynamo, erinnert sich an die bewegte Erstligasaison nach | |
| > der Wende. | |
| Bild: „Bei den Spielern schon fast alle Kniffe angewandt“: Nach nur einer S… | |
| taz: Herr Schulte, Sie werden vor allem mit dem FC St. Pauli verbunden, | |
| aber kaum etwas hat Sie so sehr bewegt wie die Saison 1991/1992 bei Dynamo | |
| Dresden. Erinnern Sie sich noch, wie Sie damals Trainer geworden sind? | |
| Helmut Schulte: Ich war zwar zuvor mit St. Pauli in die Bundesliga | |
| aufgestiegen, doch als ich nach Dresden ging, war ich der Nobody, der | |
| Ahnungslose. Reinhard Häfner hatte als Vizemeister der DDR-Oberliga die | |
| Qualifikation für die Bundesliga geschafft, aber es kam dann zu keiner | |
| Einigung. Man wollte einen Trainer haben, der die Bundesliga kennt. Ich | |
| kann es gar nicht genau sagen, aber mich brachte wohl ein Redakteur der | |
| Hamburger Morgenpost ins Gespräch; Reiner Calmund, Bayer Leverkusens | |
| Manager, der die ersten Transfers mit DDR-Spieler abgewickelt hatte, legte | |
| ein gutes Wort für mich ein. Da fiel die Wahl auf den jungen Wessi-Trainer | |
| (lacht). | |
| Und als Sie nach Dresden kamen, wie war das damals vor fast 25 Jahren? | |
| Eigentlich unvorstellbar. Ich war jung verheiratet, meine Tochter wurde in | |
| Dresden geboren, aber es war keine vernünftige Wohnung zu bekommen, alles | |
| war runtergekommen. Ich habe aus Verzweiflung Zettel in Briefkästen | |
| geworden. Als dann über die Dresdner Bank neue Häuser am Elbhang gebaut | |
| wurden, sind wir dorthin gezogen. Imponiert hat mir aber die | |
| Zwischenmenschlichkeit: Die ehemaligen DDR-Bürger hatten einen | |
| Zeit-Wohlstand, der es ihnen ermöglicht hat, sich mehr miteinander zu | |
| beschäftigen. Das ist wohl auch der Grund, dass ich aus der damaligen Zeit | |
| so viele gute Verbindungen mitgebracht habe. | |
| Bei Dynamo lief es anfangs in der Saison 1991/1992 gar nicht gut. | |
| Dazu muss man wissen: Hansa Rostock war als letzter DDR-Meister ja mit in | |
| die Bundesliga aufgenommen worden, aber in der Wahrnehmung war Dresden für | |
| die meisten Menschen vor diesem Klub angesiedelt. Der BFC Dynamo war als | |
| Klub der Staatssicherheit die Nummer eins, wir die Nummer zwei. Aber Hansa | |
| hat unter dem damaligen Trainer Uwe Reinders einen Überraschungssieg nach | |
| dem anderen gelandet und gleich beim FC Bayern im Münchner Olympiastadion | |
| gewonnen. Wir steckten mit Dynamo von Beginn an unten fest. Wir hatten mit | |
| Dirk Zander nur einen Spieler aus dem Westen verpflichtet. Wir konnten | |
| anfangs nicht mithalten. | |
| Was passierte am 19. Oktober 1991 beim ersten direkten Duell Rostock gegen | |
| Dresden? | |
| Es regnete wie aus Kübeln, nur 9.000 Zuschauer waren da, und zur Pause | |
| stand es 0:0. Zur zweiten Halbzeit bin ich dann ein wenig zu spät aus der | |
| Kabine gekommen, aber der Schiedsrichter hatte sofort angepfiffen – und | |
| dann habe ich das Tor von Jens Wahl zum 1:0 verpasst. Wir haben am Ende mit | |
| 0:3 verloren und den Reportern war nicht entgangen, dass ich beim ersten | |
| Gegentreffer noch nicht auf der Bank saß. Ich habe dann spontan gesagt: | |
| ‚Ich habe mir noch die Haare geföhnt.‘ | |
| Das war vermutlich kein kluger Spruch, oder? | |
| Natürlich nicht. Das wurde ausgeschlachtet. Und im nächsten Heimspiel hing | |
| im alten Rudolf-Harbig-Stadion ein Plakat, auf dem stand: „Schulte in die | |
| Wüste – da ist immer Föhn“. Darauf musste man erst mal kommen. | |
| Warum wurden Sie dann nicht entlassen? | |
| Ich muss den Verantwortlichen um Präsident Wolf-Rüdiger Ziegenbalg heute | |
| noch sehr dankbar sein. Der damalige Torwart René Müller hat mir oft genug | |
| den Rücken gestärkt. Auch mein späterer Nachfolger Klaus Sammer hat sich | |
| sehr für mich eingesetzt. Aber heute wäre das nicht mehr möglich – da wäre | |
| ich nie und nimmer geblieben. So aber konnten wir das Rückspiel gegen | |
| Rostock im Frühjahr 1992 mit 2:1 gewinnen. Wir haben in diesem Spiel das | |
| Fundament für den Klassenerhalt gelegt. | |
| Nach Platz 14. in der Premierensaison sind Sie trotzdem zurückgetreten. | |
| Warum? | |
| Der Entschluss reifte bei mir während einer eigentlich unvergessenen | |
| Abschlussfahrt nach Florida, die wir spendiert bekamen. Zum einen hatte ich | |
| bei den Spielern schon fast alle Kniffe angewandt. Zum anderen hatte ich | |
| nach dem Einstieg eines Investors das Gefühl, dass der Sport nicht mehr die | |
| erste Geige spielt. Der Verein war in wirtschaftliche Schwierigkeiten | |
| geraten, wobei ich den damaligen Verantwortlichen gar keinen Vorwurf machen | |
| konnte. Ich habe mal plakativ gesagt: Sie haben das Geld eingenommen wie | |
| die Sozialisten, aber ausgegeben wie die Kapitalisten. Man hätte unbedingt | |
| einen organisatorischen Leiter oder Geschäftsführer aus dem Westen | |
| einstellen müssen. | |
| Missmanagement hat dazu geführt, dass Hansa Rostock und Dynamo Dresden in | |
| der Dritten Liga spielen. Beide treffen am Samstag aufeinander; speziell | |
| für Dresden sieht es als unangefochtener Tabellenführer recht gut aus. | |
| Ich glaube, dort sind die richtigen Grundlagen wieder gelegt. Ralf Minge, | |
| der jetzt Sportdirektor ist, war in meiner Zeit ja bereits mein Co | |
| -Trainer. Keiner ist besser geeignet als er, weil er die Gegebenheiten bei | |
| Dynamo am besten kennt. Dresden besitzt mit dem schmucken Stadion alle | |
| Voraussetzungen, sich dauerhaft in der Zweiten Liga und vielleicht auch mal | |
| wieder in der Bundesliga zu positionieren. Sie dürfen sich nur nicht wieder | |
| selbst ein Bein stellen. | |
| 3 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Frank Hellmann | |
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