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# taz.de -- Flüchtlingspolitik auf dem Balkan: Kroatien und Slowenien überfor…
> Sieben von acht Grenzübergängen in Kroatien wurden geschlossen, Ungarn
> baut an der Grenze einen Zaun. Slowenien schickt Flüchtlinge von Kroatien
> zurück.
Bild: Flüchtlinge warten in Kroatien auf die Aufnahme in eine Unterkunft.
Tovarnik/Berlin afp | Auf der Suche nach Schutz in Europa geraten
Flüchtlinge zunehmend im Streit der EU-Länder um eine gerechte
Lastenverteilung zwischen die Fronten. Kroatien schloss in der Nacht zum
Freitag sieben seiner acht Grenzübergänge zu Serbien, nachdem dort Ungarns
vollständige Abschottung zu einem Massenandrang von Flüchtlingen geführt
hatte. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) drohte mit der
Erzwingung einer fairen Verteilung in der EU per Mehrheitsentscheidung.
Der Verkehr an den sieben Grenzübergängen Tovarnik, Ilok, Ilok 2,
Principovac, Principovac 2, Batina und Erdut werde bis auf Weiteres
eingestellt, teilte das kroatische Innenministerium in Zagreb mit.
Begründet wurde dies damit, dass seit Mittwochmorgen mehr als 11.000
Flüchtlinge aus Serbien nach Kroatien gekommen seien.
Die Regierung versetzte die Armee in Alarmbereitschaft - und brachte nach
Ungarn ebenfalls eine Schließung der Grenze zu Serbien ins Spiel.
In Tovarnik hatten am Donnerstag tausende Flüchtlinge in der sengenden
Sonne stundenlang ausgeharrt. Regierungschef Zoran Milanovic erklärte,
Kroatien wolle die Flüchtlinge nicht aufhalten, seine Aufnahmekapazitäten
seien aber „begrenzt“. Seit Ungarn am Dienstag seine Grenze zu Serbien
vollständig dicht gemacht hatte, versuchen vermehrt Flüchtlinge, über
Kroatien weiter nach Norden zu gelangen.
Ungarn errichtet an seiner Grenze zu Kroatien jetzt auch
Stacheldrahtsperren. Ministerpräsident Viktor Orban sagte am Freitag im
staatlichen Rundfunk, dies solle verhindern, dass Flüchtlinge auf dem Umweg
über Kroatien nach Ungarn kommen. Der erste Teil der 41 Kilometer langen
Sperre werde noch am Freitag fertiggestellt. Hunderte Soldaten und
Polizisten sollten die Grenze schützen und einen Zaun vorbereiten, der
später gebaut werde.Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Ra‘ad Al
Hussein, nannte Ungarns Einwanderungspolitik „fremdenfeindlich und
schockierend“.
Slowenien stoppte am Donnerstagabend an der Grenze zu Kroatien zunächst
einen Zug mit Flüchtlingen und stellte dann den gesamten Bahnverkehr
zwischen den beiden Ländern vorübergehend ein. Rund 150 der insgesamt etwa
300 Passagiere eines Zuges hätten nicht die notwendigen Papiere für eine
Einreise gehabt, sagte ein Sprecher der Grenzpolizei. Daher sei der Zug am
Bahnhof von Dobova gestoppt worden. Die illegal eingereisten Flüchtlinge
würden nun schnellstmöglich in die kroatische Hauptstadt Zagreb
zurückgebracht.
## Intellektuelle protestieren
Später setzten die slowenischen Behörden den gesamten Zugverkehr zwischen
Slowenien und Kroatien bis Freitagmorgen aus, wie die slowenische
Nachrichtenagentur STA berichtete. Am Morgen durfte der zuerst gestoppte
Zug mit den rund 150 übrigen Flüchtlingen westwärts fahren. Sloweniens
Innenministerin Vesna Gjerkes Znidar hatte zuvor hervorgehoben, dass eine
unkontrollierte Weiterleitung von Flüchtlingen gegen EU-Recht verstoße.
Gegen den Versuch der EU-Kommission, verbindliche Quoten zur Verteilung der
Flüchtlinge einzuführen, hatten insbesondere ost- und mitteleuropäische
Länder Widerstand geleistet. Etwa hundert Politiker und Intellektuelle der
Region riefen am Donnerstag in einem offenen Brief die Regierungen und
Bürger ihrer Länder im „Namen unserer Menschlichkeit, im Namen unserer
Prinzipien und Werte“ auf, „auf praktische Weise unsere Solidarität mit den
Flüchtlingen zu beweisen“.
Zu den Unterzeichnern zählen die polnischen Ex-Präsidenten Bronislaw
Komorowski und Aleksander Kwasniewski, der frühere ungarische
Regierungschef Gordon Bajnai, Litauens Ex-Ministerpräsident Andrius
Kubilius, der tschechische Filmemacher Jiri Menzel und der litauische
Dichter Tomas Venclova. Sie erinnerten daran, dass ihre Länder vor nicht
allzu langer Zeit selbst „an die Türen“ der Europäischen Union geklopft u…
Aufnahme gefunden hätten.
Die lettische Regierung stimmte der von der Europäischen Union von ihr
geforderten Aufnahme von 526 Flüchtlingen „freiwillig“ zu, wie
Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma am Donnerstagabend in Riga sagte.
## Europäische Solidarität
Bundesaußenminister Steinmeier sagte in der Passauer Neuen Presse, es könne
„nicht sein, dass Deutschland, Österreich, Schweden und Italien die Last
allein tragen. So funktioniert europäische Solidarität nicht.“ Wenn es
nicht anders gehe, „sollten wir ernsthaft erwägen, auch das Instrument der
Mehrheitsentscheidung anzuwenden“, forderte Steinmeier. Statt den Konsens
aller Mitgliedstaaten zu suchen, würden dann einzelne überstimmt.
Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sieht in der Flüchtlingskrise ein großes Risiko
für den Zusammenhalt in der EU und warnt vor einer Überforderung
Deutschlands. Europa sei eine Wertegemeinschaft, die auch auf
Mitmenschlichkeit und Solidarität beruhe, sagte der SPD-Chef und
Wirtschaftsminister in einem Bild-Interview. „Wer unsere Werte nicht teilt,
kann auf Dauer auch nicht auf unser Geld hoffen. Wenn es so weitergeht, ist
Europa in Gefahr. Mehr als durch die Finanz- oder Griechenlandkrise“, fügte
er an. Es sei notwendig, dass Europa die Flüchtlinge fair verteile.
Deutschland könne viele, aber nicht alle Menschen aufnehmen. „Deshalb muss
Europa endlich helfen.“
[1][Derzeit reagieren viele EU-Länder auf die Flüchtlingskrise mit
verschärfter Grenzkontrolle.] Auch Deutschland sowie Österreich und die
Slowakei hatten kürzlich wieder Grenzkontrollen eingeführt. Auch Polen und
die Niederlande erwägen diesen Schritt. Das bayerische Innenministerium
teilte am Donnerstagabend mit, um Chaos zu vermeiden, sollten weitere
Flüchtlinge mit Sonderzügen von der deutsch-österreichischen Grenze
abgeholt und direkt in verschiedene deutsche Städte gebracht werden.
18 Sep 2015
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