# taz.de -- Kommentar Flüchtlingspolitik am Balkan: Ein Chaos sondergleichen | |
> Die EU hat kaum mehr die Kraft, den Laden zusammenzuhalten. Nationale | |
> Interessen stehen einer gemeinsamen Lösung im Weg. | |
Bild: Orbán hat die Region mit seiner Politik der „Unbarmherzigkeit“ in ei… | |
Hat Brüssel noch die Kraft, die EU zusammenzuhalten? Serbien und Bosnien | |
werden in ein paar Jahren in die EU kommen, sagte vor wenigen Wochen der | |
kroatische Menschenrechtler und Politikwissenschaftler Zarko Puhovski, | |
„wenn es dann noch eine EU gibt“. Damals konnte Puhovski noch nicht wissen, | |
wie die Flüchtlinge auf den Zusammenhalt der Mitgliedsländer an der | |
Südostflanke Europas wirken werden. Die Befürchtung jedoch, das Europa der | |
EU habe seit der Griechenlandkrise kaum mehr die Kraft, den Laden | |
zusammenzuhalten, hat sich schneller bewahrheitet, als dies der bekannte | |
Intellektuelle glauben wollte. | |
Das Schauspiel, das sich bietet, übersteigt ja auch jegliche | |
Vorstellungskraft. Da schließen die Ungarn die Grenzen zu dem | |
Nichtmitgliedsland Serbien, dann gegenüber dem EU-Mitglied Kroatien. Die | |
Kroaten schicken die in ihr Land fliehenden Menschen einfach an die | |
kroatisch-ungarische Grenze, ohne sich mit den Ungarn abzustimmen. Die | |
Slowenen beharren plötzlich darauf, die Schengengrenze gegenüber Kroatien | |
verteidigen zu müssen. Ein Chaos sondergleichen. | |
Hier zeigt sich nicht nur Überforderung der Behörden. Die drei Regierungen | |
waren und sind nicht in der Lage, sich zu koordinieren, obwohl sie ja nur | |
Transitländer für die Flüchtlinge sind. Mehr noch: Die wie auch immer | |
definierten „nationalen Interessen“ überlagern das gemeinsame Interesse an | |
einer Lösung. Doch das ist nicht neu. In den letzten Jahren waren diese | |
Regierungen nur daran interessiert, jeweils für sich getrennt Subventionen | |
und Hilfsprogramme der EU zu ergattern und nicht die gemeinsame Entwicklung | |
der Region anzupacken. | |
Mit dem Mauerbau an Ungarns Grenzen rächt sich zudem, dass die EU Viktor | |
Orbán über Jahre so einfach gewähren ließ. Es gab zwar ein paar Ermahnungen | |
wegen des restriktiven Pressegesetzes und halblaute Rügen wegen der | |
Behandlung der Roma im Land, doch geahndet wurde keine der | |
antidemokratischen Maßnahmen. Der Verteidiger des „christlichen | |
Abendlandes“ Orbán hat die Region mit seiner Politik der „Unbarmherzigkeit… | |
in eine tiefe Krise gestürzt. Und die EU dazu. Man kann nur hoffen, dass | |
Puhovski Unrecht hat und Brüssel doch noch in der Lage ist, auf | |
Zerreißproben wie in Südosteuropa adäquat zu reagieren. | |
21 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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