| # taz.de -- Grenzkontrollen in Deutschland: Züge fahren wieder | |
| > Deutschland kontrolliert seit Sonntagabend die Grenze zu Österreich. Der | |
| > Zugverkehr wurde nach zwölfstündiger Pause wieder aufgenommen. | |
| Bild: Durchfahrende Fahrzeuge werden seit Sonntagabend sporadisch kontrolliert. | |
| Berlin/Brüssel/Bad Reichenhall/Freilassing dpa/afp | Wegen des | |
| Flüchtlingsandrangs wird an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich | |
| wieder kontrolliert. Die Polizei baute am Sonntagabend Straßensperren auf | |
| und begann mit Personenkontrollen. Flüchtlinge wurden gestoppt und | |
| Schleuser festgenommen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) machte | |
| deutlich, dass die Kontrollen bis auf Weiteres aufrecht erhalten würden. | |
| De Maizière hatte die Wiedereinführung der Grenzkontrollen wegen der | |
| Einreise zehntausender Flüchtlinge am Sonntag in Berlin bekannt gegeben, um | |
| „den Zustrom nach Deutschland zu begrenzen“. Es sei „auch aus | |
| Sicherheitsgründen dringend erforderlich“, wieder „zu einem geordneten | |
| Verfahren“ zu kommen. Der Schritt sei in der Koalition „einvernehmlich“ | |
| beschlossen und auch mit Österreich, den Bundesländern sowie der Opposition | |
| besprochen worden. | |
| De Maizière ließ offen, wie lange die Kontrollen andauern sollten. „Das | |
| machen wir jetzt mal eine Weile“, sagte er in der ARD. Die „Dinge“ seien | |
| zuvor „aus dem Ruder“ gelaufen. Der Zugverkehr zwischen Österreich und | |
| Deutschland läuft nach Angaben der Deutschen Bahn seit Montagmorgen wieder | |
| weitgehend normal. Die am Sonntag um 17.00 Uhr verhängte Sperre sei wie | |
| geplant um 7.00 Uhr aufgehoben worden. Davon ausgenommen war zunächst die | |
| Strecke zwischen Salzburg und München. | |
| Dort befänden sich Menschen auf den Bahngleisen, weshalb hier noch nicht | |
| gefahren werden könne, sagte ein Bahn-Sprecher in Berlin. Ob es wegen | |
| dieser Sperrung am Montag zu Zugausfällen kommen könnte, war laut Bahn | |
| zunächst nicht absehbar. | |
| ## Grenzkontrollen keine Abkehr von EU | |
| Am Sonntagnachmittag war der Zugverkehr zwischen den beiden Ländern auf | |
| Weisung der Bundesbehörden unterbrochen worden. Betroffen waren laut Bahn | |
| die IC-Linie62 von Klagenfurt nach Frankfurt/Main, die EC-Linie88 Zürich | |
| über Bregenz nach München, die EC-Linie89 Verona nach München über | |
| Kufstein, die Railjet-Linie90 Budapest-München sowie die ICE-Linie91 von | |
| Wien nach Dortmund/Frankfurt/Main. | |
| Auch die Nachtzugverbindungen Wien-Passau-Hamburg und | |
| Wien-Passau-Düsseldorf fuhren nicht über die Grenze. Betroffen waren neben | |
| Flüchtlingen auch Urlauber sowie sonstige Reisende. | |
| Die Grenzkontrollen begannen direkt am Sonntagabend. Die Bundespolizei | |
| stellte dafür mehrere hundert Beamte ab, wie ein Sprecher in Potsdam sagte. | |
| Ein AFP-Reporter beobachtete, wie die Polizei bei Freilassing eine Gruppe | |
| von drei aus Syrien stammenden Flüchtlingen, die zu Fuß unterwegs waren, | |
| stoppte. Auch ein Schleuser aus Italien wurde dort festgenommen, der acht | |
| syrische Flüchtlinge in seinem Fahrzeug hatte. Die Flüchtlinge wurden in | |
| eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Auf den Straßen im Grenzgebiet | |
| bildeten sich Staus. | |
| De Maizière wies in der ARD aber Mutmaßungen zurück, dass die | |
| Grenzkontrollen eine Abkehr von Europa seien und das Ende des | |
| Schengen-Systems bedeuten könnten. Es sei vielmehr ein „Signal“ an Europa, | |
| um auch beim EU-Innenministertreffen am Montag in Brüssel in der Frage der | |
| Verteilung der Flüchtlinge weiter zu kommen. Auch Vizekanzler Sigmar | |
| Gabriel (SPD) forderte im Tagesspiegel vom Montag, bei dem Treffen müsse | |
| durch die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auf alle EU-Staaten der Druck | |
| von Deutschland genommen werden. | |
| ## Orbán hat Verstädnis | |
| Eigentlich sind innerhalb des so genannten Schengen-Raums, zu dem auch | |
| Deutschland und Österreich gehören, Grenzkontrollen abgeschafft. Sie können | |
| aber in Ausnahmesituationen für eine begrenzte Zeit wieder eingeführt | |
| werden. | |
| Auch Tschechien kündigte mehr Kontrollen an der Grenze zu Österreich an. | |
| Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sagte der Bild-Zeitung vom Montag, | |
| er habe „großes Verständnis für Deutschlands Entscheidung“. Die | |
| EU-Kommission in Brüssel teilte mit, „auf den ersten Blick“ scheine die | |
| deutsche Entscheidung durch die geltenden Regeln gedeckt. Die bayerische | |
| Landesregierung begrüßte die Grenzkontrollen und forderte mehr Geld vom | |
| Bund. Seit Anfang September waren rund 63.000 Menschen in München | |
| angekommen. | |
| Grüne und Linke kritisierten den Schritt. Damit lenke die Bundesregierung | |
| von ihrem eigenen „Versagen“ in der Flüchtlingskrise ab, sagte | |
| Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt dem Portal Spiegel Online. | |
| Linksparteichef Bernd Riexinger sprach von „unfassbarem Egoismus“. | |
| Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD), sprach von | |
| einer „absoluten Notlösung“. Die Rückkehr zu Kontrollen sei „kein Köni… | |
| bei der Lösung der Flüchtlingsproblematik, verschafft uns aber Luft, um zu | |
| geordneten Verhältnissen zurückzukommen“. Auch die stellvertretende | |
| CDU-Vorsitzende Julia Klöckner wertete das Vorgehen nach einem Treffen der | |
| Unionsfraktionsvorsitzenden der Länder mit Kanzlerin Merkel in Berlin als | |
| Notlösung. | |
| ## „Verheerende Auswirkungen“ | |
| Deutliche Kritik kam von der SPD-Linken im Bundestag. „Wir brauchen jetzt | |
| schnell ein gemeinsames Vorgehen in Europa statt nationale Alleingänge“, | |
| sagte ihr Sprecher Matthias Miersch. Auch Linkspartei und Grüne | |
| kritisierten das Vorgehen Deutschlands. „Grenzen kann man schließen, aber | |
| die Probleme löst man damit nicht“, erklärte Linke-Fraktionschef Gregor | |
| Gysi. | |
| Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland und | |
| Österreich warnte vor den Folgen für Flüchtlinge, die nun nicht mehr | |
| weiterkommen: „Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu | |
| versinken.“ Die ungarische Polizei versetzte Beamte in vier Regionen in | |
| Alarmbereitschaft. Ungarn will an diesem Dienstag seine Flüchtlingspolitik | |
| drastisch verschärfen und die Grenze praktisch schließen. | |
| Am Dienstag trifft Merkel den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann | |
| in Berlin. Dessen Außenminister Sebastian Kurz erklärte, Österreich müsse | |
| sich an Deutschland orientieren und ebenfalls Grenzkontrollen einführen, um | |
| „verheerende Auswirkungen“ abzuwenden. „Sonst droht die totale | |
| Überforderung unserer Landes in nur wenigen Tagen“. | |
| 14 Sep 2015 | |
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