Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Jenseits der Komfortzone
> In Zukunft dürften Millionen Menschen wegen des Klimas fliehen. Und dafür
> tragen wir mit unseren Emissionen Mitverantwortung.
Bild: Wenn die Arktis immer eisfreier wird, hat das Einfluss auf das Klima der …
Das Eis war wirklich lecker. Himbeer, Marshmallow und dicke Schokostücke.
Es war gratis. Und auch noch ein Beitrag zur Rettung der Welt. Das erzählte
uns zumindest die Eisfirma „Ben & Jerry’s“. Sie hatte letzte Woche eine
riesige Papp-Waffel mit einer schmelzenden Eiskugel in Form der Erde auf
die Klimakonferenz in Bonn geschafft (“wenn es schmilzt, ist es
ruiniert!“), um für sich und den Klimaschutz zu werben. Auch sonst hatte
die UNO für allen Komfort gesorgt, der eine Klimakonferenz halbwegs
erträglich macht. Und es gehört zur Routine, dass die Entwicklungsländer am
letzten Tag forderten, es müsse eine „Migration Facility“ geben, ein
Gremium, das sich mit Klimaflüchtlingen beschäftigt.
Dann fuhr ich nach Berlin zurück – Schluss mit der Komfortzone. Am nächsten
Tag stand ich ziemlich hilflos vor dem ehemaligen Bezirksamt von
Wilmersdorf, wo 500 Flüchtlinge untergebracht sind. Um uns strömten vor
allem junge Menschen aus Syrien und Afghanistan durch die Hofeinfahrt, mit
Essen und Kleidungssäcken in der Hand. Wir hatten ein paar Spiele und
Kinderkleidung mitgebracht. „Wir brauchen vor allem Decken“, sagte die
Frau, die als Freiwillige am Eingang stand.
Sie war hier die Migration Facility. Genauso wie die Helfer des
Arbeiter-Samariter-Bundes, die nebenan standen oder die Beamten, die in
Überstunden die Flüchtlinge registrieren. Dazu gehören auch die Menschen,
die am Münchner Hauptbahnhof die erschöpften Ankömmlinge mit Schokolade
begrüßen und die Bundesregierung, die ein paar Milliarden locker machte.
Deutschland bewegt sich außerhalb der Komfortzone. Und fühlt sich gut
dabei. Noch jedenfalls.
„Die Flüchtlingszahlen von heute sind fast nichts im Vergleich zu den
Massenwanderungen, die wir durch den Klimawandel sehen werden“, sagt Paddy
Ashdown, ehemaliger UN-Diplomat und Exvorsitzender der britischen Liberal
Democrats. Die Krise in Syrien sei „nur eine Generalprobe“ für eine
Katastrophe, „die sich im nächsten Jahrzehnt zeigen wird“. Schon heute, so
heißt es, ziehen jeden Monat 50.000 Menschen in Bangladesch in die
Hauptstadt Dacca, weil das Leben auf dem Land auch wegen des Klimawandels
unerträglich wird.
## Bisher blieben die meisten Flüchtlinge in den armen Ländern
Bisher blieben die meisten Flüchtlinge in den armen Ländern. Das wird sich
ändern, wenn Konflikte dazukommen. Eine Studie vom Frühjahr sieht einen
Zusammenhang zwischen dem Bürgerkrieg in Syrien und dem Klima: Eine
ungewöhnliche Dürre trieb 1,5 Millionen Menschen vom Land in die
Elendsviertel der Städte. Steigende Preise, Korruption und Unterdrückung
ließen die Situation zusätzlich eskalieren.
Die Zehntausenden von Flüchtlingen, die derzeit kommen, sind demnach
vielleicht die Vorboten der Millionen von Klimaflüchtlingen, die in den
nächsten Jahrzehnten überall auf der Welt unterwegs sein werden. Und dann?
Werden Wasserknappheit, der Anstieg des Meeresspiegels, die Verwüstungen
nach Stürmen zu Asylgründen?
Deutschland heißt die Flüchtlinge willkommen. An den Ursachen ihres Elends
fühlen wir uns unschuldig. Aber wie werden wir reagieren, wenn uns eine
Teilschuld für ihr Elend trifft? Wenn sie kommen, weil auch unsere
Treibhausgas-Emissionen sie unter Wasser setzen. Weil auch unsere
Unternehmen die Korruption in ihren Ländern begünstigen und auch unsere
Flotten ihre Küsten leer fischen. Werden wir auch dann am Bahnhof stehen
und rufen: „Refugees Welcome?“
Schön wäre das. Gerecht allemal. Aber garantiert ist es nicht. Australien
zum Beispiel lehnt routiniert Anträge ab, Klimaflüchtlinge aus der Südsee
anzuerkennen und aufzunehmen. Und exportiert so viel Kohle wie kein anderes
Land.
13 Sep 2015
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Flüchtlinge
Schwerpunkt Klimawandel
Wir retten die Welt
Großbritannien
Bangladesch
Dieselskandal
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Asyl
## ARTIKEL ZUM THEMA
Chef der britischen Liberalen: Ein gläubiger Christ
Tim Farron tritt als Chef der Liberal Democrats zurück. Seine
Parteigenossen werfen ihm vor, dass er die Chancen der Partei in den
Städten ruiniert hat.
Grüner Klimafonds in Bangladesch: Viel zu bürokratisch
Zu teuer und zu kompliziert: Expertin Sohara Mehroze Shachi kritisiert die
Hürden, um Hilfen zur Anpassung an den Klimawandel nutzen.
Kolumne Wir retten die Welt: Diktatoren unter uns
Eine Kontrolle der Machenschaften der Chefetage fand und findet bei VW
nicht statt. Auch nicht bei anderen transnationalen Unternehmen.
Konferenz zum Erdmanagement: „Kein Cockpit für die Steuerung“
Systemwissenschaftler diskutieren über Dürre, Klimawandel und
Meeresvermüllung – und sind sich bei der Problemlösung uneins.
Bahn räumt ICE für Flüchtlinge: Sonderzug nach Schönefeld
Hunderte Flüchtlinge sind auf dem Weg nach Berlin. Der Senat dankt vorab
Helfern für die Unterstützung bei der Ankunft gegen 17.30 Uhr.
UN-Klimakonferenz in Bonn: Wer den Schaden hat
Wenn wegen des Klimawandels Länder verwüstet werden, muss jemand für den
Wiederaufbau bezahlen. Darüber wird dieser Tage in Bonn diskutiert.
Inselstaaten im Klimawandel: Gefahr von allen Seiten
Sturmfluten und der steigende Meeresspiegel werden kleine Inselstaaten
verschwinden lassen. Doch manche Schäden sind auch hausgemacht.
Einwanderung in Neuseeland: Klimaflüchtlinge erstmals anerkannt
Eine Familie aus Tuvalu darf in Neuseeland bleiben. Zum ersten Mal wurde
damit der Klimawandel als Bedrohung in einem Asylbescheid berücksichtigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.