# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Diktatoren unter uns | |
> Eine Kontrolle der Machenschaften der Chefetage fand und findet bei VW | |
> nicht statt. Auch nicht bei anderen transnationalen Unternehmen. | |
Bild: VW hätte nach dem Abgasskandal allen Grund, sich zu verstecken | |
Würden Sie Kim Jong Un, dem Herrscher Nordkoreas, eine Jeans abkaufen? | |
Nicht? Wieso kaufen Sie dann einen VW? Das mag man für eine zugespitzte | |
Frage halten. Aber schon vor zwei Jahren beschrieb der Spiegel den | |
Volkswagen-Konzern als „Nordkorea minus Arbeitslager“ und den ehemaligen | |
Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn als einen „der letzten Diktatoren“. | |
Und anlässlich des aktuellen Abgasskandals verglich Ex-Telekom-Manager | |
Thomas Sattelberger VW mit der untergegangenen Sowjetunion. | |
In Wolfsburg vegetiert zwar niemand hinter Stacheldraht – jedenfalls heute | |
nicht mehr. Trotzdem ist die Despotie ein Merkmal des Unternehmens. | |
Neromäßig regierte Ferdinand Piëch sein Reich 22 Jahre nahezu | |
uneingeschränkt. Unter seiner Ägide als Vorstandschef ab 1993 und | |
Vorsitzender des Aufsichtsrats bis 2015 herrschten Korruption und | |
Bestechung, Gesetze wurden ignoriert, Abgasgrenzwerte überschritten und | |
entsprechende Gesundheitsschäden bei Bürgern angerichtet. | |
Eine wirksame Kontrolle der Machenschaften der Chefetage fand und findet | |
nicht statt. Nachhilfe-Manager wie Betriebsratschef Bernd Osterloh sind | |
dazu nicht in der Lage oder wollen es nicht, weil sie selbst vom System | |
profitieren. Nur deshalb wurde Volkswagen zum zweitgrößten Autokonzern der | |
Welt. | |
Dies trifft im Übrigen auch auf andere transnationale Unternehmen zu, die | |
ihre jeweilige Branche dominieren, für Siemens, die Deutsche Bank, Apple, | |
Facebook oder Google. Sie fußen auf dem Recht des Eigentums. Der Eigentümer | |
beziehungsweise das kleine Kollektiv der Kapitalbesitzer übt die Macht aus. | |
Die große Mehrheit, das Personal, muss tun, was die Spitze bestimmt. Diesen | |
Firmen ist gemeinsam, dass sie nicht so mächtig geworden wären, hätte man | |
sie demokratisch organisiert. Dann gäbe es Mitarbeiter, die mal sagen | |
könnten: „Halt, so geht das nicht“, und trotz dieser Kritik nicht entlassen | |
oder kaltgestellt würden. | |
## Das Gegenteil von Demokratie | |
Widerspruch, Eigensinn und Diskussionen benötigen Zeit, führen zu | |
Kompromissen und stellen radikale Ziele in Frage. Das alles können | |
Organisationen nicht gebrauchen, deren Führung eine Strategie ohne | |
Rücksicht auf Verluste durchsetzt. Eindimensionale ökonomische Effizienz | |
ist das Gegenteil von Demokratie. | |
Demokratisch gleich klein, diktatorisch gleich groß? Für Unternehmen trifft | |
diese Gleichung in den allermeisten Fällen zu. Firmen im Besitz der | |
Belegschaft oder Genossenschaften haben nicht die Kraft und wollen nicht | |
die Brutalität entwickeln, alles um sie herum plattzumachen. Die | |
Elektrizitätswerke Schönau im Schwarzwald werden niemals zum globalen | |
Energiekonzern – und die taz kauft nicht bundesweit Zeitungen zusammen. | |
Demokratie in der Wirtschaft wäre eine wirklich gute Sache. Wenn die | |
Vorstände und Manager von der Belegschaft gewählt würden, wenn Umwelt- und | |
Verbraucherschützer in den Aufsichtsräten säßen, spiegelte sich die | |
Vielfalt gesellschaftlicher Interessen in den Unternehmen. Das wäre echte | |
Diversity, die über die Berücksichtigung von Frauen, Schwarzen, Schwulen | |
und Einarmigen hinausgeht. Und für uns alle wäre es gesünder. Mehr | |
Demokratie bei VW führt zu weniger Dieselverseuchung. | |
7 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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