# taz.de -- Hetze an der serbischen Grenze: Rechter Mob auf Ausländerjagd | |
> Anhänger der rechtsextremen Partei Jobbik versuchen Flüchtlinge vom | |
> Grenzübertritt abzuhalten. Das tun sie mit Gewalt. | |
Bild: In Roszke protestieren Anhänger der Jobbik-Partei gegen die Aufnehme von… | |
Röszke taz | 200 Meter hinter der serbisch-ungarischen Grenze stehen am | |
Mittwochabend kurz vor Sonnenuntergang einige Flüchtlinge rund 250 | |
Rechtsextremisten gegenüber. Ungarnflaggen wehen, Fäuste werden gereckt, | |
aus der Menge schallt es „Go home“ und „Hungaria“. Die wenigen, unbehel… | |
Polizisten stehen hilflos dazwischen. | |
Verängstigt ergreifen die etwa zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder, die | |
gerade die Grenze passiert haben, die Flucht. Sie rennen auf dem Bahngleis | |
davon, das sie soeben ins Land geführt hat. Die Schienen sind das Loch im | |
Stacheldraht, den Ungarn auf 175 Kilometern an der Grenze zu seinem | |
Nachbarland hochgezogen hat. | |
Etwas mehr als eine Stunde zuvor haben sich die Rechten im nahe gelegenen | |
Ort Röszek versammelt. Dazu aufgerufen hat die völkisch-nationalistische | |
Partei Jobbik, die laut aktuellen Umfragen mit 20 Prozent zweitstärkste | |
Partei des Landes ist. | |
Es sind Menschen aller Altersgruppen zusammengekommen, unauffällige ebenso | |
wie stiernackige Männer mit Glatzen. Einer hat den SS-Totenkopf auf den | |
Hals tätowiert, ein anderer eine tellergroße schwarze Sonne auf den | |
Unterarm. Vor einem Eiscafé stehen zehn Männer in Uniform stramm: schwere | |
Stiefel, schwarze Hosen und Westen, weiße Hemden. Sie gehören zur | |
„Magyarischen Selbstverteidigungsbewegung“, dem paramilitärischen Arm der | |
Jobbik-Partei. | |
## Keinen Weg zurück | |
Im Dreiviertelkreis stehen die Demonstranten um ihren Parteichef Vona Gábor | |
herum, ein jugendlich wirkender Enddreißiger mit ernstem Blick. Er fordert, | |
die Armee an die Grenze zu beordern – bewaffnet mit Tränengas und | |
Gummigeschossen. Nur so lasse sich seine zentrale Kampfparole in die Tat | |
umsetzen: „Ungarn den Ungarn“. Die Menge johlt. Nach drei Reden singen die | |
Anwesenden die Nationalhymne, bevor sie sich in Dreierreihen aufstellen. | |
Gemeinsam wollen sie zur Grenze, um das letzte Nadelöhr zu schließen. Kein | |
Flüchtling soll Ungarn mehr erreichen können. | |
Bis zum Abend haben Hunderte Flüchtlinge die Grenzsteine an der Bahntrasse | |
passiert. Am frühen Nachmittag bahnt sich unter dem Blick zweier Polizisten | |
ein unaufhörlicher Tross seinen Weg durch die flirrende Hitze. Auf den | |
Gleisen steht ein junger Mann, in jeder Hand einen Achterpack | |
Mineralwasser. Mit dem Herausgeben kommt er kaum hinterher. Seit Wochen | |
sind Freiwillige der lokalen Hilfsorganisation hier im Einsatz. | |
Wer nicht rechtzeitig in die verblühten Sonnenblumenfelder abtaucht, landet | |
ein paar hundert Meter weiter in einer Sammelstelle der Polizei. Auf dem | |
abgegrenzten Areal stehen ein paar Müllcontainer und Dixi-Toiletten, | |
Polizisten verteilen Wasserflaschen und belegte Toastbrote. | |
Unter einem Schatten spendenden Pavillon sitzt ein Mann mit nervösem Blick. | |
Seine beiden Töchter müssen ihn stützen. Wegen einer Fußverletzung kann er | |
kaum auftreten. Ihre Fluchtroute ist die, die fast alle hier genommen | |
haben: Syrien, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn. Doch es | |
soll weitergehen. Der schmächtige Mann will es bis nach Deutschland | |
schaffen. Plötzlich füllen sich seine Augen mit Tränen. Er sei nicht | |
wirklich aus Syrien, erklärt er. Seine Töchter und er seien aus dem Irak | |
geflohen, doch die Chance auf Asyl sei für Syrer größer. Für ihn und die | |
anderen, die alle sagen, sie seien aus Damaskus, Dar’ā oder Aleppo, gibt es | |
keinen Weg zurück. | |
3 Sep 2015 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Dinah Riese | |
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