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# taz.de -- Ungarn gegen Flüchtlinge: Aktion an der Grenze
> Die ungarische Regierung holt sich die Legitimation für eine Mauer gegen
> Flüchtlinge. Neonazis prahlen damit, Jagd auf diese zu machen.
Bild: Ungarische Polizisten bewachen den Beginn der Arbeiten am Grenzzaun.
Mórahalom heißt die Ortschaft, in der der Grenzzaun zwischen Ungarn und
Serbien Gestalt annimmt. Seit Montag wird dort gerodet, Bagger der
ungarischen Armee planieren das Gelände, wo bis Freitag das erste Teilstück
von 150 Metern Länge stehen soll. Der Zaun soll die Flüchtlinge, die über
Serbien nach Ungarn kommen, stoppen. Mehr als 78.000 Asylbewerbende seien
in diesem Jahr in Ungarn aufgenommen worden, klagen die Behörden. 77.600
seien über die serbische Grenze ins Land gekommen.
43 Militärs der 5. Infanteriebrigade Bocsai, des 37. Ingenieurregiments
Ferenc Rákóczi II und der 86. Helikopterbasis Szolnok seien mit den
Bauarbeiten betraut, meldet das Büro des Ministerpräsidenten. Sie werden
von Einheiten des Innenministeriums unterstützt. Am Ende, so die
offiziellen Pläne, wird ein 175 Kilometer langer und vier Meter hoher Zaun
die Flüchtlinge aus Nahost, Südasien und Afrika abschrecken. Den
entsprechenden Beschluss hatte die ungarische Regierung am 17. Juni
gefasst.
Die Betriebsamkeit soll wohl auch Gerüchten entgegentreten, der Zaun werde
nie gebaut. Vielmehr solle die Drohung damit nur dazu dienen, Ungarn aus
einem künftigen EU-Quotensystem für Flüchtlinge herauszunehmen.
21 Millionen Euro hat die Regierung für die Errichtung des Zauns bereits
budgetiert. Die Gesamtkosten werden auf über 80 Millionen geschätzt. Das
ist ungefähr zehnmal soviel, wie Ungarn derzeit jährlich für Asylverfahren,
Flüchtlingsunterbringung und Grenzschutz aufwendet. Denn nur 2.700
Flüchtlinge warten tatsächlich ihr Asylverfahren in Ungarn ab. Aufgenommen
werden jedes Jahr kaum 500.
## Meinungsforschung mit Suggestivfragen
Dennoch wirft Premier Viktor Orbán den Asylsuchenden vor, sie seien
allesamt „Wirtschaftsflüchtlinge“, die – weil „artfremd” – sich
anschickten, das „christliche Europa zu zerstören“. Im Juni wurde eine
Volksbefragung lanciert, bei der die Bevölkerung mit Suggestivfragen um
ihre Meinung zum Flüchtlingsproblem gebeten wurde.
Die Regierung holt sich damit die Legitimation zu noch drastischeren
Gesetzen und Methoden der Abwehr von Flüchtlingen. So soll es erlaubt sein,
sie länger als 48 Stunden einzusperren. Den Mauerbau befürwortet laut
unabhängigen Umfrageinstituten aber nur rund die Hälfte der Bevölkerung. 67
Prozent halten den Zaun für ungeeignet, den Flüchtlingsstrom aufzuhalten.
Bei Landwirten und Bauern im Grenzbereich, wo täglich Flüchtlinge
aufgegriffen werden, ist die Zustimmung naturgemäß höher.
Neonazis prahlen auf Facebook damit, dass sie Jagd auf Flüchtlinge machen
um „für Ordnung zu sorgen“. Am Bahnhof der grenznahen Stadt Szeged
provozierten sie Anfang Juli Flüchtlinge und deren ungarische Helfer.
Vergangenen Donnerstag demonstrierten Rechtsextreme vor dem Budapester
Ostbahnhof. „Gegen die einfallenden Horden aus Afrika“ müsse man sich
wehren, brüllte der ehemalige Abgeordnete der faschistischen Jobbik György
Gyula Zagyva. Er kündigte „eine Reihe von Aktionen an der Grenze und an
Flüchtlingslagern“ an.
Gegen den Zaun tritt die Opposition an. So verlangt die Demokratische
Koalition von Ex-Premier Ferenc Gyurcsány den Baustopp. Vizeparteichef
Csaba Molnár wies darauf hin, dass 98 Prozent jener, die über die grüne
Grenze kämen, ohnedies aufgegriffen würden. Der Dialog für Ungarn wandte
sich gegen einen „neuen Eisernen Vorhang”. Die zu erwartenden Kosten von
113 Millionen Euro sollten besser in Armutsbekämpfung und bessere Löhne für
Lehrer, Sozialarbeiter und Gesundheitspersonal investiert werden.
15 Jul 2015
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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