# taz.de -- Kommentar Juncker-Plan: Deutsche Selbstgerechtigkeit | |
> Weil andere EU-Staaten keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, schwingt | |
> Deutschland die Moralkeule. Dabei trägt Merkel eine große Mitschuld. | |
Bild: Innig verbunden: Sigmar Gabriel und Jean-Claude Juncker. | |
Da ist er wieder, der deutsche Tonfall der Selbstgerechtigkeit. „Die ganze | |
Welt feiert uns Deutsche“, lautete am Dienstag die Bild-Schlagzeile zur | |
Flüchtlingskrise. Der schulmeisterliche Tonfall folgt, wie üblich, auf dem | |
Fuß: Es gehe nicht, dass der Rest Europas sage, es sei für die | |
Flüchtlingskrise nicht zuständig, so SPD-Chef Sigmar Gabriel. | |
Die Wahrheit ist: Deutschland hat in der Flüchtlingskrise, zuletzt in | |
Ungarn, einseitig gehandelt und das EU-Abkommen Dublin II außer Kraft | |
gesetzt. Auch auf Druck der deutschen Wirtschaft, die sich Vorteile von | |
neuen Fachkräften verspricht. Für die EU-Nachbarn sieht die Bilanz der | |
Aufnahme von Flüchtlingen schlechter aus: Ihre Etats sind durch die | |
Austeritätspolitik überlastet, ihre Arbeitslosen haben sie zum Teil selbst | |
ins Ausland exportiert. Warum etwa sollte Portugal, dessen Jugend nach | |
Deutschland auswandert, Flüchtlinge aufnehmen, wie es der [1][Juncker-Plan] | |
vorsieht? Und warum Rumänien und Bulgarien, die Armenhäuser der EU? | |
Das Unangenehme an der deutschen Außenpolitik ist, dass sie ihre Interessen | |
durch Moraldebatten tarnt. Die Eurokrise hat Deutschland in einen Diskurs | |
über säumige Schuldner verwandelt, um nicht über deutsche Exportpolitik | |
sprechen zu müssen. Jetzt soll, wieder unter tatkräftiger Mithilfe von | |
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Europa die durch Deutschland | |
verschärfte Flüchtlingskrise mitlösen. | |
Deutschland könne zwar mehrere Jahre lang 500.000 Flüchtlinge aufnehmen, | |
glaubt Sigmar Gabriel. Der Wirtschaftsminister spricht von jungen Menschen, | |
die Deutschland benötige. Aber ob Deutschland auch mehr als 500.000 | |
Flüchtlinge gebrauchen kann? Das ist der Punkt, wo Europa einspringen soll. | |
Natürlich ist europäische Solidarität in der Flüchtlingskrise | |
wünschenswert. Dass sie nicht stattfindet, ist auch die Konsequenz der | |
rücksichtslosen Interessenpolitik, die Deutschland in der Eurokrise | |
betrieben hat – und die es jetzt weiterbetreibt. | |
10 Sep 2015 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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