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# taz.de -- Die Wahrheit: Englisch, Denglisch, unumgänglich
> Bei der korrekten Verwendung englischer Ausdrücke im Deutschen ist
> vielfältiges Hintergrundwissen gefragt.
Bild: Laut Isaac Davis, Protagonist in Woody Allens „Manhattan“, ein gutes …
Manche wesentlichen Neuheiten erfahre ich als Letzter. Sobald es keine mehr
sind. Diese Neuigkeit war mir bislang nicht bündig erklärt worden, hatte
mich wohl nicht interessiert. Erst vor etwa einem Jahr habe ich den
Unterschied begriffen. Hatte ich die Definition einem meiner Söhne zu
verdanken? Oder dem Bekannten, der unter anderem „Ideen für modernes
Einrichten und Wohnen im Vintage Style“ verkauft?
Jedenfalls hat es sich bis zu mir herumgesprochen: Auch im Deutschen ist
zwischen Vintage und Retro strikt zu unterscheiden. Vintage-Objekte sind
unbedingt echt, stammen original aus der Vergangenheit, sind kein Imitat:
Was die Deutschen Oldtimer nennen, heißt im Englischen Vintage car,
insbesondere eines aus den 1920er Jahren. Retro dagegen – schon überflüssig
zu erwähnen – ahmt das Original nach, spielt darauf an, ist letztlich
uncool. Bei meinen Jeans etwa handelt es sich eindeutig um geflicktes
Vintage, Ehrensache; die Risse in der Jeans meiner Nachbarin sind eindeutig
retro. Seit ich es weiß, bin ich wie befreit: Ich kann das olle Zeug
tragen, und niemand schert sich darum.
Bis dahin war mir der Ausdruck Vintage vertraut in meiner Eigenschaft als
Trinker. Das Englische bezeichnete damit die Weinlese, späterhin auch einen
qualitätsvollen Jahrgang. Eine zusätzliche Bedeutung schob das Wort ins
Allgemeine, markiert nun Dinge, die alt, hervorragend, selten sind. Der
Ausdruck war mir seinerzeit obendrein vertraut in meiner Eigenschaft als
Kunstbuchhändler: Die ersten Negative, die ein Fotograf abzieht, heißen
bekanntlich Vintage Prints.
Ein anderer englischer Ausdruck schlich kürzlich herbei, als ich einen, nun
ja, Fragebogen bei Icon las, offenbar ein Internetmagazin der Zeitung Die
Welt für sehr junge Frauen. Die 18. von 33 Fragen, deren Auflösung „Frauen
so gerne von Männern wissen würden“, lautete: „Hättet ihr am liebsten ei…
unkomplizierte ‚Friends with Benefits‘-Beziehung statt des ganzen
Freund-Freundin-Programms?“
Hm. Der Begriff wird nicht erklärt, klar. Die Klientel ist bestens
informiert. Ein Leser, der eine Jeans seit dreißig Jahren besitzt und sie
manchmal vintagemäßig trägt, ist nicht gemeint. Sondern meine Nachbarin.
Kindliche Neugier wird befriedigt mit zwei, drei Klicks. Eine Site namens
gofeminin – ebenfalls zur Axel-Springer-Gruppe gehörig – verrät: „Eine
Bettgeschichte oder simple Affäre war gestern. Das neue Tête-à-tête heißt
‚Friends with Benefits‘, übersetzt ‚Freunde mit Vorzügen‘.“ Es zu
übersetzen vermochte ich auch. Bevor ich nun das von gestern und das neue
Ding zu unterscheiden lernen wollte, schickte mir eine andere Site einen
Stopp entgegen: Der Ausdruck sei „eine Erfindung der Frauenpresse“, denn
„vor allem Großstädterinnen finden dieses Modell schick“.
Dem wiederum stellte sich das englische Wikipedia entgegen, das mich
mittels Zitaten aus sexualwissenschaftlichen Artikeln über die Casual
sexual relationships aufklärte. Aber genug der Theorie, sie führt ins
Uferlose. Praxis gewinnt!
9 Sep 2015
## AUTOREN
Dietrich zur Nedden
## TAGS
Theorie
Wikipedia
Erzählungen
Fische
USA
Flüchtlinge
Weltkrieg
Literatur
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