| # taz.de -- Die Wahrheit: Automobile in meiner Mansarde | |
| > Was hilft gegen Ausländerfeinde? Artikel, Satiren oder Steine? Und was | |
| > haben Garagen im Kapitalismus damit zu tun? | |
| Bild: Laut Isaac Davis, Protagonist in Woody Allens „Manhattan“, ein gutes … | |
| Gemeinhin mischt man sich nicht in gewichtige öffentliche Debatten ein. | |
| Mitunter aber misslingt es, dieser gewissen regelwidrigen Anwandlung zu | |
| widerstehen; mitunter muss man ernsthaft eröffnen. Jetzt und Hier also, | |
| statt Wenn und Aber, darf man die Hetze gegen Ausländer antippen, präziser: | |
| die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, die sich als „Asylkritik“ | |
| drapieren, in Wahrheit natürlich aber einen rassistischen Terrorakt | |
| bedeuten. | |
| Die Autorin Sibylle Berg meinte dieser Tage, „gegen Ausländerfeinde helfen | |
| keine Artikel mehr“. Mag sein. Es hilft jedoch vielleicht ein bündiger | |
| Einwurf des großen Harry Rowohlt. Mit seiner Ausländerfeindlichkeit komme | |
| er prima zurecht, sagte er bei Lesungen, wenn Teile des Publikums auf drei | |
| vermeintlich ausländerfeindliche Witze reserviert reagierten. „Meine | |
| Ausländerfeindlichkeit wird nämlich problemlos von meiner | |
| Inländerfeindlichkeit übertroffen.“ | |
| Dass Artikel wenig bis nichts helfen, meinte Woody Allen schon 1979 in | |
| seinem Spielfilm „Manhattan“, aus dem wir seltsamerweise neulich bereits | |
| zitierten. Auf einer Cocktailparty reißt Isaac Davis, der Protagonist, eine | |
| geplante Demo der Nazis in New Jersey an und ermuntert: „Da sollten wir | |
| hingehen und ihnen mit Steinen und Baseball-Kappen ein paar Sachen | |
| verklickern.“ Einer der Nebenstehenden erwidert, in der Times habe „ein | |
| wahnsinnig satirischer Artikel“ über die Nazis gestanden. Daraufhin Davis: | |
| „Satire in der Times, schön und gut, aber ein Stein kommt direkt zum | |
| Punkt.“ Eine Bekannte insistiert: „Aber eine richtig bissige Satire ist | |
| immer besser als physische Gewalt.“ Nein, sagt Isaac, physische Gewalt sei | |
| immer besser gegenüber Nazis. | |
| Nun wechseln wir den Gegenstand, und das Wie braucht den Vergleich mit den | |
| Überleitungen des Sportmoderators Delling nicht zu scheuen. Wir greifen auf | |
| eine üppige Sentenz des Großdenkers Max Horkheimer, veröffentlicht genau 40 | |
| Jahre vor der Premiere von „Manhattan“. Sie wird hier gleichsam | |
| seitenverkehrt wiedergegeben: Wer aber vom Faschismus redet, der sollte | |
| auch vom Kapitalismus nicht schweigen. | |
| Der Immobiliensektor im Kapitalismus nämlich sprang mir in die Augen, als | |
| mir gestern eine Verwandte berichtete, sie vermiete ihre Garage in | |
| Hamburch-Eimsbüttel für monatlich 90 Euro. Moment, dachte ich, rechne mal | |
| durch. Schnell checkte ich Angebote in meinem Viertel und tatsächlich: Eine | |
| „helle und freundliche Tiefgarage in gepflegtem Objekt“ ist für monatlich | |
| 90 Euro zu haben. Würde ich also drei Garagen mein Eigen nennen und die | |
| vermieten, hätte ich die kalten Kosten für meine 50-Quadratmeter-Mansarde | |
| beinahe raus. | |
| Anders gesagt, in meine kleine Mansarde passen im Grunde genommen | |
| mittlerweile nur drei Automobile. Zwar wäre der Transport bis unters Dach | |
| schwierig, zumal bei uns kein Aufzug eingebaut ist. Doch in summa: Leuchtet | |
| die Immobilienblase, steigt auch der Marktwert von Garagen, logisch. Möge | |
| niemand obdachlos sein oder werden. | |
| 5 Aug 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dietrich zur Nedden | |
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