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# taz.de -- Streikrecht bei kirchlichen Arbeitgebern: „Dritter Weg“ hat Bes…
> Das Bundesverfassungsgericht will nicht über das Verdi-Streikrecht in
> kirchlichen Einrichtungen entscheiden. Deshalb lehnt es eine Beschwerde
> ab.
Bild: Ein Gewerkschafter demonstriert gegen das Kirchenarbeitsrecht.
Karlsruhe taz | Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wollte das
Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen per Verfassungsbeschwerde
durchsetzen. Doch das Bundesverfassungsgericht hat die Eingabe als derzeit
„unzulässig“ abgelehnt.
Ausgangspunkt des Konflikts ist das besondere kirchliche Arbeitsrecht. Mit
dem christlichen Verständnis einer „Dienstgemeinschaft“ sei es nicht zu
vereinbaren, durch Streiks Druck auf den Arbeitgeber auszuüben. Stattdessen
gilt meist ein sogenannter dritter Weg.
Löhne und Arbeitsbedingungen werden in Kommissionen festgelegt, die
paritätisch von Arbeitgebern und Beschäftigten besetzt werden. Kann man
sich nicht einigen, werden Schlichter bestimmt, deren Spruch grundsätzlich
verbindlich ist.
2009 hatte die Gewerkschaft Verdi in Bielefeld dennoch zu Warnstreiks in
Einrichtungen des Diakonischen Werks aufgerufen. Ziel war auch, ein
Präzedenzurteil zu erreichen. Rechtlich war das zunächst erfolgreich. Das
Oberlandesgericht Hamm entschied, dass Diakonie-Beschäftigte in
„verkündungsfernen“ Tätigkeiten, etwa in der Küche oder der Verwaltung,
durchaus streiken dürften.
Hiergegen ging die evangelische Kirche zum Bundesarbeitsgericht (BAG), das
im November 2012 ein komplexes Urteil fällte. Im Prinzip sei der „dritte
Weg“ verfassungskonform, so das BAG, allerdings müsse der Ausschluss des
Streikrechts kompensiert werden.
So müsse den Gewerkschaften garantiert werden, dass sie ausreichend in den
arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirchen mitarbeiten können. Außerdem
müssten die Ergebnisse der Schlichtung wirklich verbindlich sein. Da die
Kompensation damals noch nicht ausreichend war, so die BAG-Richter, wurde
die Kirchenklage gegen Verdis Streikaufruf abgelehnt.
## Viele Hoffnungen sollte sich Verdi nicht machen
Für Verdi war das BAG-Urteil knifflig. Denn einerseits hatte die
Gewerkschaft den konkreten Rechtsstreit gewonnen. Mit der Begründung war
man aber gar nicht einverstanden, denn dort wurde der Ausschluss des
Streikrechts im kirchlichen Bereich ja grundsätzlich akzeptiert. Deshalb
legte Verdi in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde ein.
Damit scheiterte die Gewerkschaft nun aber beim Zweiten Senat des
Bundesverfassungsgerichts. Zwar sei es bei strafrechtlichen Freisprüchen
durchaus möglich, Verfassungsbeschwerde einzulegen, wenn in der Begründung
auch belastende Ausführungen gemacht werden.
Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Es komme vielmehr darauf an, ob
das BAG-Urteil die Gewerkschaft „gegenwärtig und unmittelbar“ belaste. Das
haben die Karlsruher Richter verneint. Es sei Verdi zuzumuten, neue Urteile
der Arbeitsgerichte abzuwarten.
Verdi versuchte, den Karlsruher Beschluss positiv zu nehmen. „Damit sind
keine Einschränkungen für Arbeitskämpfe verbunden“, heißt es frech in ein…
Stellungnahme.
Verdi wird nun also neue Streiks in kirchlichen Einrichtungen ausrufen, die
Kirchen können dagegen wieder klagen, und am Ende wird das BAG erneut
prüfen, ob die Verweigerung des Streikrechts jetzt genügend kompensiert
wurde. Wenn ja, wäre das Streikverbot festgeklopft, und dann könnte Verdi
auch in Karlsruhe klagen.
Viel Hoffnungen sollte Verdi sich dort aber nicht machen. Karlsruhe
entscheidet traditionell für das „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“.
Besser für Verdi wäre es, wenn die Kirchen stillschweigend immer häufiger
darauf verzichten, gegen Streiks zu klagen. Verdi kennt einige Beispiele,
etwa aus dem jüngsten Kita-Streik. (Az.: 2 BvR 2292/13)
2 Sep 2015
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Kirche
Arbeitsrecht
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