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# taz.de -- Interview mit Rektorin zum Schulanfang: „Wir sind am Limit“
> Am Montag beginnt die Schule – und es wird eng in den Klassenzimmern. Ein
> Gespräch über Lernen in der Garderobe und Mittagessen am Nachmittag.
Bild: Es geht wieder los: Ab Montag beginnt die Schule in Berlin, am folgenden …
taz: Frau Habermann, vor den Sommerferien protestierten Lehrkräfte Ihrer
Schule gemeinsam mit Eltern gegen eine Aufstockung der Schülerzahl an der
Erika-Mann-Grundschule. Die Stimmung war ziemlich mies. Müssen die
ErstklässlerInnen am Samstag kommender Woche ein eher frostiges Willkommen
befürchten?
Birgit Habermann: Nein, die Stimmung ist gut, und wir werden ein schönes
Fest feiern, wie jedes Jahr. Es hat uns dieses Mal allerdings einiges an
organisatorischem Geschick abverlangt, Fachraumbelegungen und die
Mensazeiten so auszutüfteln, dass kein Kind schon um 10 Uhr Mittag essen
muss. Dafür müssen jetzt die Sechstklässler zum Beispiel bis 14.30 Uhr mit
dem Mittagessen warten.
Das ist spät.
Ja. Aber wir haben kurzfristig vor den Ferien 40 Schüler zusätzlich
bekommen. Wir sind voll!
40 Kinder, das sind zwei zusätzliche Klassen. Wo bringt man die so spontan
unter?
Wir haben einen unserer beiden Computerräume zurückgebaut zum Klassenzimmer
– was dazu führt, dass der verbliebene PC-Raum nun komplett überbelegt ist.
Auch ein Garderobenraum für acht Klassen wurde aufgelöst.
Lernen im Garderobenraum klingt nicht sehr attraktiv.
Die Garderobe war früher schon mal Klassenraum, also halb so schlimm. Aber
die Schüler verlieren mit dem Flur, auf dem jetzt wieder Garderobenschränke
stehen werden, einen wichtigen, von den Kindern selbst gestalteten
Lernraum. Die Flure sind bei uns Arbeitsraum etwa für Kleingruppen, das
gehört zum Unterrichtskonzept. Die Kinder lernen dort gerne.
Stichwort „Unterrichtskonzept“: Viele Eltern suchen sich Ihre Schule auch
aus, weil dort jahrgangsgemischt unterrichtet wird. Das wird mit 40
zusätzlichen SchulanfängerInnen nicht mehr möglich sein.
Ich glaube, bei den Eltern herrscht derzeit noch die Freude darüber vor,
dass sie überhaupt einen Schulplatz bei uns bekommen haben – und einigen
ist vielleicht auch nicht ganz klar, dass wir zwei altershomogene Klassen
haben werden. Aber für die Kinder ist es eine Verschlechterung. Das
Kollegium hat gesagt: Das passt doch gar nicht mehr zu unserem
pädagogischem Konzept! Wir haben 80 Prozent Kinder nichtdeutscher Herkunft,
drei Viertel unserer Schüler sind lernmittelbefreit.
Das heißt, das Jobcenter übernimmt das Büchergeld.
Genau. Und gerade diese Schüler, so unsere Erfahrungen, profitieren vom
sogenannten kooperativen Lernen – sie lernen am besten von anderen Kindern.
Die älteren Kinder holen die jüngeren mitunter ganz anders ab, als ein
Lehrer es könnte.
Das Schulamt Mitte hat in diesem Jahr die Bescheide erst sehr spät an die
Eltern versandt – auch weil man von 1.000 zusätzlichen SchülerInnen
„überrascht“ wurde. Können Sie diesen Überraschungsmoment nachvollziehen…
Teilweise. Sicher gab es in diesem Jahr Parameter, die man nicht
voraussehen konnte, etwa die stark gestiegene Zahl der Flüchtlingskinder.
Davon unabhängig lagen den Bezirken aber bereits im Oktober deutlich mehr
Anmeldungen von SchulanfängerInnen vor als im Jahr davor.
Genau. Zwar hat Sabine Smentek [Schulstadträtin in Mitte, Anm. d. Red.]
gesagt, dass in diesem Jahr besonders viele Schüler an ihrer Wunschschule
in einem anderen Bezirk keinen Platz bekommen haben und deswegen jetzt doch
in Mitte zur Schule gehen. Doch die Anmeldezahlen hätten für das Schulamt
ein Warnsignal sein müssen.
Auch die Personalfrage war vor den Sommerferien ein Knackpunkt. Der Senat
sagt: Jetzt sind genug Lehrer da.
Wir sind voll besetzt. Allerdings sind darunter auch drei Quereinsteiger,
die noch in der berufsbegleitenden Ausbildung stecken, also nur mit einer
reduzierten Stundenzahl eingesetzt werden können. Und die vielen
Hospitationen, die bei den noch nicht fertig ausgebildeten Kräften nötig
sind, binden natürlich auch Ressourcen im Kollegium.
Die Stadt wird weiter wachsen, im nächsten Jahr dürften die Schülerzahlen
weiter steigen.
Wir sind am Limit unserer Kapazität. Ich wüsste nicht, wo ich noch eine
weitere Klasse unterbringen sollte. Und meines Wissens hat das Schulamt des
Bezirks Mitte beim Senat noch keinen Antrag auf Mittel für
Erweiterungsbauten eingereicht …
… die „modularen Ergänzungsbauten“, man könnte auch sagen: Schulcontain…
Richtig. Da hat der Senat ja zu Recht zur Eile gemahnt, die Anträge
rechtzeitig zu stellen. Dass das offenbar nicht passiert ist, kann man
rügen.
30 Aug 2015
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schule
Bildung
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