# taz.de -- „Yes Men“ über ihren neuen Film: „Wie wir unsere Zweifel üb… | |
> Ein Gespräch mit Jacques Servin von den Yes Men und Regisseurin Laura Nix | |
> über Occupy, Guerillastrategien und ihren Dokfilm „Die Yes Men”. | |
Bild: Im Film will den „Yes men“ keine Aktion so recht gelingen. | |
Es scheint nicht leicht zu sein, knapp zwei Jahrzehnte als Internetaktivist | |
unterwegs zu sein. Beim Gesprächstermin zu dem neuen Film „Die Yes Men – | |
Jetzt wird‘s persönlich” wirkt Jacques Servin niedergeschlagen, fast | |
leidend. Das mag daran liegen, dass der Mitgründer der | |
Politaktivistengruppe The Yes Men bei seinem Deutschlandbesuch einen | |
Interviewmarathon wie ein Hollywoodschauspieler zu absolvieren hat. | |
Es mag aber auch daran liegen, dass die Methode der Gruppe – man gibt sich | |
als Vertreter eines Unternehmens oder einer Organisation aus und | |
instrumentalisiert die Medien, um Entlarvendes zu verbreiten – sich | |
totgelaufen hat. Denn davon handelt der dritte Film, den die Yes Men (die | |
Jasager) produziert haben: Der alte Schwung ist weg. Die | |
globalisierungskritische Bewegung, vor deren ideologischem Hintergrund ihre | |
Streiche stattfanden, scheint verschwunden zu sein. Die Medien lassen sich | |
nicht mehr so leicht mit einer gefakten Website, einer Visitenkarte und | |
einem Anzug aus dem Secondhandladen täuschen. Und auch zwischen Servin und | |
seinem Mitverschwörer Mike Bonanno stimmt die Chemie nicht mehr, seit | |
Letzterer Familienvater geworden ist. | |
In „The Yes Men Are Revolting“ – so der Originaltitel – will keine Akti… | |
richtig gelingen. Lang vorbei scheinen die Zeiten, als die Gruppe mit einem | |
einzigen BBC-Interview die Aktien von Dow Chemical für einen Vormittag zum | |
Einknicken brachte. Doch es könnte gut sein, dass dies der letzte Film der | |
Yes Men ist, die sich in Zukunft auf ein Fernsehprojekt und ihre | |
Aktivistenvernetzungs-Site „Action Switchboard“ konzentrieren wollen, wie | |
Servin – inzwischen Professor an der New York University – und Regisseurin | |
Laura Nix im Gespräch erzählen. | |
taz: Frau Nix, Herr Servin: Lassen Sie uns das Interview damit beginnen, | |
dass Sie Ihre Methode erklären … | |
Jacques Servin: Wir liefern Journalisten Anlässe, um über wichtige Themen | |
zu berichten. Wir sind dafür bekannt, dass wir uns als Vertreter von Firmen | |
oder Organisationen ausgeben und uns zu Konferenzen einladen lassen, wo wir | |
nichts verloren haben. | |
Das Internet spielt bei diesen Aktionen eine große Rolle … | |
Servin: Wir benutzen E-Mail und das Web, und wir haben ein paar lustige | |
Sachen mit den sozialen Medien gemacht. Jetzt haben wir unsere eigene | |
Plattform, das „Action Switchboard“, das ist unser neuer Schwerpunkt. | |
Als Sie Ende der 90er Jahre mit Ihren Webaktivitäten begonnen haben, war es | |
noch einfach, zum Beispiel eine gefälschte Website für George W. Bush zu | |
machen. Jetzt ist die Kontrolle des Internets strikter, und das Publikum | |
kennt sich besser aus. Hat sich das Internet so verändert, dass Sie Ihre | |
Strategie ändern mussten? | |
Servin: Technisch hat sich nicht so viel geändert. Es ist leicht, eine | |
gefakte Website anzulegen. Doch heute ist es nicht mehr möglich, mit einer | |
gefälschten Website in die Nachrichten zu kommen. Aber wir schaffen es | |
immer noch, zu Konferenzen eingeladen zu werden, wenn auch mit anderen | |
Methoden. Jetzt geben wir vor, dass wir von einer PR-Agentur sind, rufen | |
die Konferenzorganisatoren an und sagen: „Wir haben einen Kunden, der bei | |
Ihrem Event sprechen will.“ | |
Wenn man sich den Film ansieht, könnte man den Eindruck gewinnen, dass | |
diese Methoden nicht mehr so gut funktionieren. Im vorigen Film konnte man | |
sehen, wie Sie mit einem gut platzierten Interview mit der BBC die Aktie | |
von Dow Chemical um 5 Prozent haben einbrechen lassen. Im neuen Film sieht | |
man mehr Reinfälle und undurchdachte Aktionen … | |
Laura Nix: Wir hatten uns vorgenommen, dass wir diesmal auch unser Versagen | |
zeigen. Das war bei Yes-Men-Aktionen schon immer so. Ehrlich gesagt, hat | |
keine von unseren Aktionen jemals so funktioniert, wie wir uns das | |
vorgestellt haben. | |
Servin: Aber es ist die Akkumulation von solchen Aktionen, die letztlich | |
eine soziale oder politische Wende auslöst. Es war eine politische | |
Entscheidung, auch die Misserfolge zu zeigen, denn das ist der Grund, warum | |
die Leute aufhören, politisch zu arbeiten. Sie verlieren die Hoffnung. | |
Darum zeigen wir im Film, wie wir auch ins Zweifeln kommen. Und wie wir | |
unsere Zweifel überwinden. Denn auch wenn nicht alles funktioniert, kann | |
daraus so etwas wie Occupy entstehen, das dann wirklich die Dinge | |
verändert. | |
Was genau hat Occupy denn verändert? | |
Servin: In den USA war Occupy der Anfang einer großen Bewegung, die die | |
Leute dazu gebracht hat, über Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu reden, | |
was sie vorher nicht getan haben. Plötzlich war wieder vom Kapitalismus die | |
Rede und dass man ihn verändern kann. Ich glaube, dass man zeigen kann, | |
dass es ohne Occupy so was wie Syriza nicht gegeben hätte. Dieses System | |
muss sich verändern. Es gibt Alternativen zu diesem System. Es muss nicht | |
so sein, dass wir eine Austeritätspolitik haben und der Profit wichtiger | |
ist als die Menschen. | |
Nix: Auch wenn es so aussieht, als sei Occupy verschwunden – wenn man in | |
diesem Netzwerk ist, weiß man, dass es noch existiert und dass diese Leute | |
immer noch aktiv sind. Manchmal taucht das auch in den Medien auf, zum | |
Beispiel nach Hurrican Sandy oder bei den Ereignissen in Ferguson. Die | |
Proteste, die Demonstrationen – das war Occupy. | |
Lassen Sie uns über den Film sprechen. Seine Textur ist sehr divers. Man | |
bekommt den Eindruck, dass jedes Videoformat seit VHS verwendet worden ist, | |
inklusive Überwachungskameraaufnahmen und Handyvideos. Woher kam dieses | |
Material, und wie macht man aus so unterschiedlichen Bildern einen | |
kohärenten Film? | |
Nix: Es gibt ein digitales Archiv der Yes Men, einen riesigen Schrank voll | |
Festplatten mit dem Medienmaterial von allen Aktionen. Der Film wurde mit | |
fast 50 verschiedenen Kameras und in vielen verschiedenen Formaten gedreht. | |
Daher war die Post-Produktion ein sehr mühsamer Prozess. | |
Manche Szenen scheinen mit dem Smartphone gedreht worden zu sein … | |
Nix: Na ja, es ist ein Dokumentarfilm, und daher zeigen wir das persönliche | |
Leben der Yes Men ebenso wie ihre Aktionen. Die Yes Men haben sich zum Teil | |
auch mit ihren eigenen Kameras gefilmt. Manchmal haben sie wirklich mit | |
ihren Handys gedreht und dabei eine Lampe gehalten. Bei den Szenen, die in | |
Schottland spielen, hat Mike die Kamera manchmal seinen Kindern gegeben. | |
Oder ein Freund hat ihn dabei gefilmt, wie er den Kinderwagen herumschob. | |
Manchmal konnten wir eine professionelle Crew schicken, manchmal haben sie | |
es selbst gemacht. Es war eine sehr unorthodoxe Art, einen Dokumentarfilm | |
zu drehen. | |
Wie viele Stunden Material hatten Sie? | |
Nix: Mehrere tausend Stunden. Das ist keine besonders effektive Weise, | |
einen Film zu machen. Aber das Gute daran ist, dass man all das Material | |
von Aktionen hat, die in einem Zeitraum von fünf Jahren stattgefunden | |
haben. Wir hätten daraus einen ganz anderen Film montieren können. Wir | |
hätten auch eine zwölfteilige Fernsehserie machen können. Wir haben ihn so | |
gemacht, weil wir wollten, dass sich ihre Aktionen und ihre persönlichen | |
Geschichten so ergänzen, dass die politischen Absichten deutlich werden. | |
In dem Film werden manchmal durch Montage Verbindungen hergestellt, die mir | |
nicht einleuchten. Da ist zum Beispiel diese Aktion gegen die Ölbohrungen | |
von Shell in der Arktis. Man sieht das gefakte Presseevent, und dann einen | |
Fernsehbericht darüber, dass Shell diese Bohrungen eingestellt hat. Da | |
entsteht der Eindruck, dass das ein direktes Resultat Ihrer Aktion war. | |
Servin: Da mussten wir in dem Film eine lange Geschichte auslassen – weil | |
es eben ein Film ist. Mit dieser Sequenz haben wir lange gerungen. Es | |
besteht ein Zusammenhang zwischen unserer Aktion und dem Fernsehbericht. | |
Aber wenn man ein aufmerksamer Betrachter ist, merkt man, dass das, was wir | |
zeigen, nicht die vollständige Geschichte sein kann. Leider kann man in | |
einem Film nicht alle Geheimnisse enthüllen. Aber wenn man es genauer | |
wissen will, ist alles online auf unserer Website dargestellt, mit Links | |
und allem. | |
Nix: Letztlich ist der Film eine Komödie. Also muss man die Sachen kurz | |
genug halten, damit es noch etwas zu lachen gibt. Wir haben auch Charaktere | |
geschaffen, mit denen man sich identifizieren kann, und es muss auch Raum | |
für Gefühle geben. | |
Glauben Sie, dass es noch mal einen Yes-Men-Film geben wird? | |
Servin: Ich würde gerne Fernsehen machen. Wir haben ein gutes halbes | |
Dutzend von Aktionen, die nicht im Film vorkommen, die aber ziemlich | |
erfolgreich waren. | |
19 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Tilman Baumgärtel | |
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