# taz.de -- Aktivisten-Duo Yes Men in Europa: Lernen von den Profis | |
> Seit über 20 Jahren provozieren The Yes Men die ganz Großen aus Politik | |
> und Wirtschaft. Jetzt treten sie in Deutschland auf. | |
Bild: „Wir sind im Arsch“: 2009 veröffentlichten die Yes Men eine Fake-Aus… | |
Der Klimawandel und die globalen Flüchtlingsbewegungen sind große | |
Herausforderungen unserer Zeit. Aus den USA kommt jetzt die Lösung: | |
„Refugreenergy“. Geflüchtete erzeugen grüne Energie – durch Fahrradfahr… | |
Erstens hilft das gegen den Klimawandel, zweitens bekommen die Geflüchteten | |
eine sinnvolle Aufgabe, die Integration wird erleichtert. | |
In Anlehnung an das deutsche Minijobmodell erhalten sie für ihren | |
„pico-job“ 1,60 Euro pro Tag, 24 Stunden legalen Aufenthaltsstatus gibt es | |
obendrauf. Eine klassische Win-win-Situation also, so verkündeten es Steven | |
Fibster Fine und Robert Brattice Kravlock, Vertreter des | |
US-Umweltministeriums, gerade in Bonn: Am vergangenen Sonntag traten sie | |
dort auf, bei einer vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik | |
veranstalteten Konferenz im Vorfeld des Klimagipfels. | |
Dass die zwei Herren in den schlecht sitzenden Anzügen nicht wirklich vom | |
amerikanischen Umweltministerium geschickt wurden – gibt es so eins | |
überhaupt? – und diese „Refugreenergy“ ja wohl nur ein Scherz sein kann: | |
Die Konferenzteilnehmer merkten es ziemlich schnell. Das Ziel der Aktion | |
wurde trotzdem erreicht: mehr mediale Aufmerksamkeit für den oft verkannten | |
Zusammenhang zwischen Klimawandel und „Flüchtlingskrise“. | |
Hinter der Bonner Aktion stecken die Yes Men. Seit mehr als 20 Jahren sind | |
Jacques Servin und Igor Vamos unter diesem Namen unterwegs, um mit | |
abstrusen Aktionen auf die Folgen einer vom freien Markt und von großen | |
Wirtschaftsunternehmen kontrollierten Welt aufmerksam zu machen. Zurzeit | |
ist das Aktivistenduo in Europa auf Tour. Am heutigen Freitag [1][treten | |
sie in Berlin auf], am Dienstag gaben sie in Hamburg einen Workshop und | |
stellten ihre Arbeit dem Publikum der Kulturfabrik Kampnagel vor. | |
Diese Arbeit nennen Servin und Vamos „Laughtivism“. Es geht darum, Menschen | |
zum Lachen zu bringen, um sie auf bestimmte Problematiken aufmerksam zu | |
machen. Etwa 30 Männer und Frauen, auch MitarbeiterInnen von | |
Nichtregierungsorganisationen, saßen am Dienstagnachmittag da und wollten | |
wissen, wie das geht, mit dem spaßigen und zugleich wirkungsvollen | |
Aktionismus. Es gehe vor allem darum, neue Wege zu gehen, lernten sie – | |
geht nicht, gibt’s nicht, sozusagen. | |
„You have to pretend it’s okay“, so die Yes Men. Aber: Ein geschmackloses | |
Projekt brauche immer eine gute Begründung. Überhaupt Geschmacklosigkeit: | |
Die wird den Yes Men immer wieder vorgeworfen. Beispielsweise, als sie sich | |
in einem BBC-Interview als Sprecher von Dow Chemical ausgaben. Dieser | |
US-Konzern wird für eine der größten Chemiekatastrophen in Indien | |
verantwortlich gemacht, hat aber nie die volle Verantwortung dafür | |
übernommen. | |
Und nun versprach ein vermeintlicher Konzernsprecher 12 Milliarden Dollar | |
Entschädigung für die Opfer. Das mediale Aufsehen war riesig, der | |
Börsenwert des Unternehmens fiel um zwei Milliarden Dollar. Als die beiden | |
Aktivisten im Anschluss nach Indien reisten, waren die Betroffenen froh | |
über die Aufmerksamkeit für ihre Probleme. Beleidigt fühlten sie sich | |
nicht. | |
Eine Diskussion um die gezielte Verbreitung von Unwahrheiten kam auch in | |
Hamburg auf: Werden wir nicht schon genug mit Fake News überschwemmt? Es | |
gebe gute Lügen, sagten Servin und Vamos, und schlechte. Schlechte Lügen | |
sollen niemals ans Licht kommen, die Menschen sollen sie glauben. Die Yes | |
Men dagegen arbeiten nach eigenem Verständnis mit guten Lügen. Und deren | |
Ergebnis „ist immer die Wahrheit“, sagte Vamos: Die Enthüllung der | |
schlimmen Zustände dahinter sei der bedeutende Punkt. | |
Satire spielt bei den Yes Men eine große Rolle: Während der Hochphase der | |
Occupy-Wall-Street-Bewegung demonstrierten sie als Börsenmakler verkleidet | |
und skandierten: „Wall Street is our street!“ Sie gaben sie sich auch schon | |
als Vertreter des US-Ölkonzerns Exxon-Mobil aus und stellten eine | |
angebliche Methode vor, Öl zu gewinnen – aus Leichnamen. | |
Sie schaffen aber auch realistischere Utopien: In der Woche, nachdem Barack | |
Obama zum ersten Mal zum US-Präsidenten gewählt worden war, verteilten sie | |
in New York 70.000 Exemplare einer in die Zukunft datierten New York Times. | |
Die Nachrichten waren allesamt Wunschvorstellungen, das Ende des | |
Irak-Kriegs beispielsweise. Die Botschaft: „Es reicht nicht, jemanden zum | |
Präsidenten zu wählen“, sagt Servin. „Man muss ihn dazu zwingen, der | |
Präsident zu sein, den man gerne hätte.“ | |
In ihrer Heimat sind die Yes Men dennoch an die Grenzen ihrer Aktionskunst | |
gelangt, das sagen sie zumindest selbst. Dort könne man zurzeit nichts | |
erreichen: „Wir können nichts tun, um Trump noch lächerlicher zu machen.“ | |
Außerdem sei das Ziel immer, die Medien auf Dinge aufmerksam zu machen. Und | |
bezüglich der amerikanischen Politik machten die JournalistInnen gerade | |
einen guten Job. | |
Mit großen Rechtsstreits müssen sich die Yes Men überraschend selten | |
herumschlagen: Ein einziges Mal sind sie verklagt worden. Nach vier Jahren | |
wurde die Sache aber kurz vor Prozessbeginn fallen gelassen – zur | |
Enttäuschung von Servin und Vamos, die sich auf einen skurrilen Prozess | |
gefreut hatten. Gleichwohl können sie sich der Aufmerksamkeit ihrer Gegner | |
gewiss sein: [2][Wikileaks hat offengelegt], dass Dow Chemical Detektive | |
auf die Yes Men angesetzt hatte. | |
Drei Filme haben die Yes Men veröffentlicht. Ihr letzter, „Die Yes Men – | |
Jetzt wird’s persönlich“, dokumentiert auch gescheiterte Aktionen. „Es w… | |
eine politische Entscheidung, auch die Misserfolge zu zeigen“, sagte Servin | |
[3][2015 im Gespräch mit der taz]. „Denn das ist der Grund, warum die Leute | |
aufhören, politisch zu arbeiten. Sie verlieren die Hoffnung. Darum zeigen | |
wir im Film, wie wir auch ins Zweifeln kommen.“ | |
Auch beim Workshop in Hamburg ermutigten sie die Teilnehmenden, sich nicht | |
abschrecken zu lassen und im Zweifel klein zu starten. Manchmal könne schon | |
eine Fake-Website oder eine Posteraktion viel bewirken. „Ein großes Budget | |
macht die Aktionen nicht unbedingt besser.“ Um ihrerseits quasi | |
professionell Unterstützung anzubieten, haben sie selbst das [4][Yes Lab] | |
gegründet. Ihre aktionistische Kompetenz ist nicht gratis – aber auch | |
Aktionskünstler müssen ja von etwas leben. | |
9 Nov 2017 | |
## LINKS | |
[1] https://www.deutschestheater.de/programm/a-z/the_yes_men/ | |
[2] https://search.wikileaks.org/?query=yes+men+monitoring&exact_phrase=&am… | |
[3] /Yes-Men-ueber-ihren-neuen-Film/!5222849 | |
[4] http://yeslab.org/ | |
## AUTOREN | |
Marthe Ruddat | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
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