# taz.de -- Geflüchtete in Deutschland: Kostenfaktor und Zugewinn | |
> Die Länder wollen mehr Beteiligung des Bundes an den Ausgaben für | |
> Asylbewerber. Doch Kommunen profitieren auch von Zuwanderung. | |
Bild: Kommunen haben kaum Anreize, Asylbewerber dezentral unterzubringen. | |
Berlin taz | Die neuen Prognosezahlen für die in diesem Jahr erwarteten | |
Flüchtlinge heizen den Streit über die Kostenaufteilung zwischen Bund, | |
Ländern und Kommunen an. Der Bund soll sich stärker an der Finanzierung | |
beteiligen, fordern Länder und Gemeinden. | |
Am Donnerstag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärt, | |
dass die Bundesregierung für dieses Jahr bis zu 800.000 Geflohene erwartet. | |
Damit würden fast viermal so viele Menschen nach Deutschland kommen wie im | |
Vorjahr. 2014 lagen die Ausgaben für Menschen auf der Flucht bundesweit bei | |
schätzungsweise 2,2 Milliarden Euro. | |
Bislang tragen vor allem die Länder und Kommunen die Kosten. Der Bund hat | |
zugesagt, dass er sich mit einer Milliarde Euro beteiligen will. | |
NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und andere fordern eine | |
Erhöhung des Bundesanteils. Ihre rheinland-pfälzische Amtskollegin Malu | |
Dreyer (SPD) verlangte vom Bund eine Pauschale von 750 Euro im Monat pro | |
Flüchtling. | |
Vorerst bewegt sich die Bundesregierung aber nicht. Über weitere Gelder | |
werde erst beim nächsten Flüchtlingsgipfel entschieden, sagte ein Sprecher | |
des Bundesinnenministeriums. Zunächst müsse eine empirische Grundlage für | |
eine Entscheidung geschaffen werden. | |
Das ist nicht leicht. Denn wie viel genau die Versorgung der Geflohenen | |
kostet, weiß keiner. Am Donnerstag hatte die FAZ gemeldet, die für 2015 zu | |
erwartenden Ausgaben würden bei 10 Milliarden Euro liegen – das ist | |
offenbar über den Daumen gepeilt. Der Deutsche Landkreistag geht von 8 | |
Milliarden Euro aus. Der Städte- und Gemeindebund will überhaupt keine | |
Schätzung abgeben. Die regionalen Gegebenheiten und individuelle Lage der | |
Flüchtlinge sei zu unterschiedlich, hier es. | |
Die genauesten Zahlen liegen aus Bayern vor. Der Freistaat ist das einzige | |
Land, das den Kommunen die entstandenen Ausgaben komplett erstattet. „Wir | |
gehen zurzeit von Kosten von 1.300 Euro pro Monat und Person aus“, sagte | |
eine Sprecherin des bayrischen Sozialministeriums. Momentan werden in | |
Bayern 80.000 Geflohene versorgt. Im Jahr 2014 gab Bayern 410,8 Millionen | |
Euro für Flüchtlinge aus. | |
## Keine Anreize für Kommunen | |
In anderen Länder bekommen die Gemeinden ihre Ausgaben prozentual oder als | |
Pauschale erstattet. Nach Angaben der Verbände der Kommunen ist das selten | |
kostendeckend. Wie viel Geld wofür ausgegeben wird, ist vielerorts nicht | |
exakt erfasst. Das SPD-geführte Innenministerium in NRW etwa hat gerade | |
eine Umfrage unter den Kommunen gestartet, um zu erfahren, wie viel Geld | |
für welche Leistungen sie ausgeben. | |
„Bund, Länder und Kommunen müssen sich die Kosten angemessen teilen“, | |
forderte Birgit Naujoks, Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW. Dass | |
die Kommunen komplett entlastet werden, hält sie für falsch. „Dann haben | |
sie keine Anreize mehr, die Lage für die Flüchtlinge zu verbessern“, sagte | |
sie. Leben Flüchtlinge in Heimen und kosten die Gemeinden nichts, haben die | |
auch kein Interesse, Wohnungen für die neuen Einwohner zu finden. | |
„Entlastungen müssen mit der Verpflichtung verbunden werden, dass das Geld | |
auch bei den Flüchtlingen ankommt“, forderte Naujoks. | |
Kommunen profitierten auch von der Zuwanderung. „Die Kaufkraft vor Ort wird | |
massiv gestärkt, gerade in entlegenen Gegenden“, sagte sie. Denn die | |
Menschen kaufen im Umland ein. Außerdem werden die Unterkünfte meist mit | |
Speisen aus der Region beliefert. | |
21 Aug 2015 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Kommunen | |
Bundesländer | |
Asylsuchende | |
Europäische Union | |
Mittelmeer | |
Manuela Schwesig | |
Griechenland | |
Religion | |
Schwerpunkt Flucht | |
Volksentscheid | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wirtschaft in Europa: Wachstum durch Flüchtlinge | |
Die EU-Konjunkturprognose ist positiv. Besonders Deutschland soll von | |
Migranten profitieren – wenn die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. | |
Flüchtlingselend in Europa: Gerettet und abgeschoben | |
Ein Dutzend Flüchtlinge ertrank vor der türkischen Küste, über tausend | |
wurden gerettet. Mecklenburgs Innenminister führt Nachtabschiebungen wieder | |
ein. | |
Debatte Manuela Schwesig: Wer, wenn nicht sie? | |
Der Auftakt von Manuela Schwesig war mühsam, ihre Positionen sind | |
umstritten: Und doch setzte sich ihre Kompetenz durch. | |
Flüchtlinge in Griechenland: Schludrige Asylbürokratie | |
Die überforderte Bürokratie macht Flüchtlingen das Leben schwer. Sie | |
erhalten falsche Reisepapiere und werden dann dafür bestraft. | |
Flüchtlingspolitik in Deutschland: Gewaltausbruch in Flüchtlingsheim | |
Bei Ausschreitungen in einem überbelegten Flüchtlingsheim in Suhl wurden 17 | |
Menschen verletzt. Rechte versuchen den Vorfall zu instrumentalisieren. | |
Kommentar Kosten durch Flüchtlinge: Der Kapitalismus ist keine Torte | |
Ja, Deutschland kann sich die Flüchtlinge leisten. Denn es führt in die | |
Irre, immer nur auf die Ausgaben zu starren – sie sind auch Einnahmen. | |
Nach der Mieten-Einigung: „Das ist eine echte Herausforderung“ | |
Die landeseigenen Wohnungsunternehmen werden mehr an Ärmere vermieten, sagt | |
David Eberhart, Sprecher der Wohnungswirtschaft. |