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# taz.de -- Nach der Mieten-Einigung: „Das ist eine echte Herausforderung“
> Die landeseigenen Wohnungsunternehmen werden mehr an Ärmere vermieten,
> sagt David Eberhart, Sprecher der Wohnungswirtschaft.
Bild: Die Gropiusstadt muss für Familien der Mittelschicht attraktiv bleiben, …
taz: Herr Eberhart, der Senat hat sich mit dem Mietenbündnis auf zahlreiche
Maßnahmen in der sozialen Wohnungspolitik verständigt. Was davon wird die
Arbeit der landeseigenen Wohnungsunternehmen am meisten verändern?
David Eberhart: An der Arbeit selbst wird sich wenig verändern, weil die
Städtischen viel von dem, was verabredet wurde, bereits machen. Beispiel
Räumungen: In dem Gesetz soll stehen, dass unter anderem durch aufsuchende
Beratungen eine Räumung möglichst vermieden werden soll. Der sind aber
bereits jetzt lange Prozesse vorgeschaltet, eine Räumung ist auch heute nur
das allerletzte Mittel. Bei anderen Punkten ist das ähnlich.
Sie meinen, es ändert sich durch das Gesetz nichts?
Doch, es ändert sich der gesellschaftliche Rahmen. Vieles von dem, was die
Städtischen bereits machen, wird konkretisiert und in Gesetzesform
gegossen. Das hat auch seinen Sinn, weil es größere Verbindlichkeit und
Kontinuität bringt. Manche der Regelungen sind auch tatsächlich neu, etwa
die Quote bei den Neuvermietungen.
55 Prozent der freien Wohnungen sollen in Zukunft an Menschen mit
Wohnberechtigungsschein gehen.
Der Senat hatte mit den Städtischen bislang verabredet, dass sie innerhalb
des S-Bahn-Rings die Hälfte aller frei werdenden Wohnungen, außerhalb des
S-Bahn-Rings ein Drittel davon an Menschen mit Wohnberechtigungsschein
vermieten. Das wird jetzt einheitlich auf 55 Prozent angehoben. Mehr als
jede zehnte Wohnung soll dabei an sogenannte Sonderfälle wie Flüchtlinge
und Obdachlose gehen.
Es gibt bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen bereits ein Kontingent
für Hilfsbedürftige. Wird die Zahl dieser Wohnungen steigen?
Ja. Derzeit haben wir rund 1.300 Wohnungen im Kontingent für Wohnungslose
und Flüchtlinge. In Zukunft richtet sich die Zahl der Wohnungen nach der
Fluktuation. Je mehr Wohnungen neu vermietet werden, desto mehr gehen auch
an Obdachlose oder Flüchtlinge. Das Kontingent kann sich also nicht mehr
erschöpfen.
Wie viele Neuvermietungen gibt es bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen
im Schnitt pro Jahr?
Knapp 20.000. Wenn jede zehnte Wohnung Sonderfällen vorbehalten ist, wären
das jährlich rund 2.000 Wohnungen.
Das würde das jetzige Kontingent schon nach einem Jahr übertreffen!
Stimmt. Es ist gut, dass es nun eine definierte Quote gibt und dass sie
sozial schwache Gruppen bevorzugt. Für die Städtischen ist die hohe Quote
aber eine echte Herausforderung.
Inwiefern?
Sie müssen nun ein besonderes Augenmerk darauf richten, dass eine gute
soziale Mischung erhalten bleibt. In Gebiete wie dem Märkischen Viertel
oder die Gropiusstadt wurde zuletzt ja viel investiert, um auch junge
Mittelstandsfamilien anzuziehen. Diese Gegenden dürfen nicht wieder zu
sozialen Brennpunkten werden. Eine weitere Herausforderung ist, dass mit
der 55 Prozent-Quote und den damit verbundenen Mietverzichten die Erlöse
der Unternehmen sinken. Da sie den Neubau und den Zukauf von Wohnungen
weiter stark im Fokus haben werden, muss man sehen, wie viel Geld noch für
Instandhaltung, Modernisierung und Kiezarbeit zur Verfügung steht.
Die Mieten-Einigung sieht zudem vor, dass eine Anstalt des öffentlichen
Rechts gegründet wird, die politische Leitlinien formuliert. Eine
Kontrollinstanz oder doch eher eine Alibi-Veranstaltung?
Sie soll laut Senat ein Vetorecht haben, um Privatisierungen verhindern zu
können. Aber um ihre Befugnisse tatsächlich zu beurteilen, muss man den
Gesetzentwurf abwarten und schauen, wie diese Konstruktion genau aussieht.
Die Mieter sollen stärker mitreden und je einen Sitz in den Aufsichtsräten
erhalten. Wie wirkt sich das aus?
Da muss man erst mal schauen, wer die Mietervertreter eigentlich bestimmt
und wie sie ausgewählt werden. Wir sind sehr auf die Gesetzentwürfe
gespannt.
David Eberhart, 42, ist Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer
Wohnungsunternehmen (BBU)
20 Aug 2015
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
## TAGS
Volksentscheid
Mieten
Wohnungspolitik
Schwerpunkt Flucht
Mieten
Direkte Demokratie
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