# taz.de -- Folgen des Hacking-Team-Hacks: Die deutschen Spähhelfer | |
> Nach der Spähattacke auf „Hacking Team“ ist nun bekannt: Deutsche Firmen | |
> waren an Deals mit der Softwarefirma beteiligt. | |
Bild: Sogenannter Datenknoten. | |
Dortmund taz | Es war ein spektakulärer Vorgang: Anfang Juli hackten | |
Unbekannte ausgerechnet einen der größten Spezialisten für Cyberangriffe: | |
[1][das italienische Hacking Team], Anbieter von Überwachungssoftware. 400 | |
Gigabyte interner Daten landeten im Internet – E-Mails, Rechnungen, | |
Verträge. Die Firma war blamiert. | |
Mit dem Material zeigt sich nun: Auch deutsche Firmen waren an Deals mit | |
der Software des Hacking Teams beteiligt. Das ist heikel: Denn die | |
Italiener entwickelten die Spionagesoftware „Remote Control System“ (RCS). | |
Die bietet alle Möglichkeiten des Ausspionierens von Smartphones und | |
Computern. SMS, Mails, WhatsApp-Nachrichten, Skype-Telefonate: Alle Daten, | |
die auf den Geräten anfallen, sammelt der Trojaner ein. | |
Die Italiener beliefern damit Geheimdienste und Polizeibehörden. Die | |
Software gilt aber auch als Cyberwaffe und unterliegt dem UN-Waffenembargo. | |
Dem Hacking Team wird vorgeworfen, das RCS dennoch auch an | |
Unterdrückerstaaten zu liefern. Mit deutscher Hilfe? | |
Die Italiener bestreiten illegale Deals. In den veröffentlichten Dokumenten | |
ist dagegen die Rede von einer „persona tedesca“, einer „deutschen Person… | |
die Kontakte in den Irak anbot – obwohl das Land dem Waffenembargo | |
unterliegt. Die Firma war begeistert, schrieb von einem „exzellenten | |
Kunden“. | |
## Hacker aus dem Saarland | |
Ein Unternehmen aus dem Münchner Umland, die Intech Solutions aus Neufahrn, | |
bemühte sich um die Vermittlung der Abhörsoftware nach Pakistan. Intech | |
hatte RCS selbst für insgesamt 584.000 Euro eingekauft. Die Software ging | |
laut einer Kundenliste dann auch an die kurdische Autonomiebehörde im | |
Norden Iraks. Mit dem Geschäft bewegt sich Intech in einer Grauzone, denn | |
bis heute wurde das Autonomiegebiet von der UNO nicht als eigenständiger | |
Staat anerkannt. | |
Simon Thewes von LEA-Consulting mischte ebenfalls im Spy-Business mit. | |
Seine Firma im saarländischen Städtchen Lebach zeigt sich bescheiden. Sie | |
ist in einem Einfamilienhaus untergebracht, auf der Homepage steht nur ein | |
einziger Satz: „For a safer tomorrow“ – für eine sicherere Zukunft. Auch | |
seine brisanten Spionagegeschäfte wickelt Thewes in knappen Worten ab. „Hi | |
Marco, Condor done. Falcon will be done today before noon time“, schrieb | |
der Saarländer in einer E-Mail. Die Deals, die Thewes „bis zum Mittag“ | |
erledigt haben will, betreffen offenbar ebenfalls den Irak. Hinter dem | |
Codewort „Condor“ soll sich erneut die kurdische Regionalregierung im | |
Nordirak verbergen. Falcon soll die irakische Regierung meinen. | |
Laut internen Unterlagen laufen nun Wartungsverträge bis Ende 2016. Der | |
Saarländer selbst schweigt dazu: Eine taz-Anfrage ließ er unbeantwortet. | |
Ein Berliner Büro wollte dem Hacking Team ebenfalls bei einem Geschäft | |
helfen. Er habe eine Regierung im Mittleren Osten als interessierten | |
Kunden, schrieb der Inhaber der Einmannfirma an die Italiener. Mit der | |
Frage der Menschenrechtslage in dem Land hat er sich nicht näher | |
beschäftigt. „Wenn ich Puderzucker verkaufe, bin ich ja nicht daran schuld, | |
wenn jemand daraus eine Bombe bastelt“, sagte er der taz. | |
## Exportkontrollen verschärfen | |
Grüne und Linke im Bundestag stellten inzwischen Fragen an die | |
Bundesregierung zu deutschen Deals mit der Schnüffelsoftware. Das | |
Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) sieht keine Probleme: | |
Überwachungstechnik unterliege hierzulande der Exportkontrolle. Embargos | |
müssten eingehalten werden. Zudem gebe es seit 2014 ein EU-Expertengremium, | |
um etwaige Lücken im Kontrollsystem zu überprüfen. Und für alle illegalen | |
Geschäfte seien die Strafverfolgungsbehörden zuständig. | |
Ganz so einfach ist das jedoch nicht. Als das italienische Hacking Team | |
Geschäfte mit dem zweifelhaften Regime im Sudan machte, wurde es mehrfach | |
von der UNO angeschrieben – mit Hinweis auf das seit Jahren geltende | |
Waffenembargo. Doch statt angemessen darauf zu reagieren, bedrängten die | |
IT-Experten das italienische Außenministerium, auf die UN Einfluss zu | |
nehmen, damit die Spyware als harmloses Softwareprodukt nach Afrika | |
geschafft werden kann. | |
In Deutschland hatte Wirtschaftsminister Gabriel im Frühjahr angekündigt, | |
die Exportkontrollen für hiesige Spähsoftware noch zu verschärfen. Anlagen | |
zum Ausspähen von Telefon-, Handy- und Internetkommunikation sollen künftig | |
dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle vorgelegt werden, bevor | |
sie ins Ausland gehen. Die Software-Anbieter werden sich davon wohl kaum | |
aufhalten lassen – und neue Wege finden. Der Big Deal mit der totalen | |
Überwachung ist einfach zu verlockend – auch in Deutschland. | |
10 Aug 2015 | |
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[1] /Luecken-einer-Ueberwachungsfirma/!5210650/ | |
## AUTOREN | |
Ulrike Markel | |
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