# taz.de -- Hackerprogramm im Sudan: Spy-Software für den Diktator | |
> Die Firma Hacking Team hat den Geheimdienst von Präsident Bashir mit | |
> Schnüffeltechnologie beliefert. Das UN-Waffenembargo wurde gebrochen. | |
Bild: Nicht alle Waffen im Sudan sind so handfest wie diese Gewehre. | |
Die italienische Spionagesoftwarefirma Hacking Team hat offenbar keine | |
Berührungsängste. Sie verkaufte an den Sudan Spyware im Wert von über einer | |
halben Million Euro. | |
Bekannt wurde dies dadurch, dass am Sonntag die Mailänder Firma gehackt | |
wurde. [1][Unbekannte luden über 400 Gigabyte brisanter Daten im Internet | |
hoch.] Geleakt wurden Kundenlisten, Quellcodes, Rechnungen, vertrauliche | |
Mails und Passwörter. Die Dokumente belegen, dass Hacking Team seine | |
Spähsoftware Remote Control System weltweit verkauft hat. Auch der Sudan | |
zählt demnach neben anderen autoritären Regimen zu den Kunden der Firma, | |
die Reporter ohne Grenzen als „Feinde des Internets“ bezeichnet. | |
Remote Control System ermöglicht das Umgehen von Verschlüsselungen und | |
damit das Ausspionieren von Internetkontakten, auch wenn die Teilnehmer | |
ausdrücklich durch Verschlüsselung versucht haben, sich davor zu schützen. | |
Sie wird heimlich direkt auf den auszuspähenden Geräten installiert und | |
soll ihrerseits komplett verschlüsselt operieren, sagt Hacking Team in | |
seiner Produktwerbung. | |
In einer Kundenliste ist der Sudan aufgeführt, daneben der Vermerk: „Not | |
officially supported“. Aber wie eine geleakte Rechnung zeigt, hat Hacking | |
Team am 2. Juli 2012 dem sudanesischen Geheimdienst NISS (National | |
Intelligence and Security Services) schon einmal 50 Prozent der | |
Gesamtsumme, 480.000 Euro, für die berüchtigte Spionagesoftware in Rechnung | |
gestellt. | |
Dies könnte einen Bruch von UN-Sanktionen darstellen. Unter Resolution 1591 | |
des UN-Sicherheitsrats vom März 2005 ist die Lieferung von Waffen oder | |
kriegswichtigem Material an alle Teilnehmer des Bürgerkriegs in der | |
westsudanesischen Region Darfur untersagt, was die sudanesische Regierung | |
einschließt. Der Krieg in Darfur hat Schätzungen zufolge über 300.000 Tote | |
und Millionen Vertriebene gefordert; der Internationale Strafgerichtshof | |
hat gegen Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir Haftbefehl wegen des | |
Verdachts auf Völkermord in Darfur erlassen. | |
## Spy-Software als Waffe | |
Ein ausführlicher Schriftwechsel unter den jetzt geleakten Materialien | |
belegt, dass Hacking Team die UN fast ein Jahr lang hinhielt und nicht für | |
die notwendige Transparenz in Bezug auf seine Geschäftspartner sorgte. Die | |
italienischen Spionage-Experten wurden bereits im Juni 2014 in einem ersten | |
Schreiben des für die Überwachung des Waffenembargos zuständigen | |
UN-Sanktionskomitees darüber informiert, dass die Vereinten Nationen gegen | |
den Sudan ein Waffenembargo verhängt haben. Zwei weitere Schreiben weisen | |
noch einmal explizit auf die UN-Resolution 1591 hin. | |
Im Dezember wird der Ton in dem Schriftwechsel zwischen UNO und Hacking | |
Team gereizter. Nach zwei Anschreiben bedauert die UNO, noch immer keine | |
Antwort von der Spionagesoftware-Firma erhalten zu haben. Erst im Januar | |
2015, vier Wochen nach der eindringlichen Bitte um eine Reaktion, gibt es | |
eine Antwort von Hacking Team: Es gebe keine Geschäftsbeziehungen in den | |
Sudan und keine Vereinbarungen, die dem Krisenland die Nutzung von | |
firmeneigener Spionagesoftware ermöglichen würde. | |
Der Koordinator des UN-Sanktionskomitees für den Sudan ist damit immer noch | |
nicht zufrieden. Hacking Team habe zwar erklärt, keine Geschäftsbeziehungen | |
zu pflegen – unklar sei aber nach wie vor, ob dies nicht in der | |
Vergangenheit der Fall gewesen sei. | |
Die Antwort der Spionagefirma an das UN-Gremium darauf überrascht: Ihre | |
Spyware „Remote Control Software“ sei gar nicht als Waffe anzusehen und | |
daher wäre man der Meinung, dass die Software nicht unter das Waffenembargo | |
fallen würde. Die UNO antwortet dem Management verärgert: Die Software sei | |
ideal geeignet, um „military electronic intelligence (ELINT) operations“ – | |
also elektronische Aufklärung – zu unterstützen und falle damit unter das | |
Waffenembargo. Der letzte geleakte Brief des UN-Sicherheitskomitees geht am | |
14. Mai 2015 nach Italien: Man bitte noch einmal darum, aufzuklären, ob es | |
nach 2005 Geschäftsbeziehungen in den Sudan gab. | |
Der Schriftwechsel macht deutlich, dass Hacking Team weder die | |
UN-Resolution ernst nimmt noch die Aufgaben des Sudan-Sanktionskomitees. | |
Wer im Verdacht steht, von Europa aus Spionagesoftware in Krisenregionen | |
und Kriegsgebiete zu verkaufen, muss Transparenz üben. Tut er das nicht, | |
gibt es dafür einen guten Grund: die Vertuschung der Tatsachen. | |
8 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Luecken-einer-Ueberwachungsfirma/!5210650/ | |
## AUTOREN | |
Ulrike Märkel | |
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