# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Der Wolf ist dem Wolf ein Mensch | |
> Wer die Grenze zwischen Tier und Mensch verwischt, hat einen Vogel. Er | |
> tut damit weder den einen noch den anderen einen Gefallen. | |
Bild: Süß! Ein kleine - hihi - Wolf(s)gang | |
Manchmal wäre es gut, wenn auch große Denker im Biologie-Unterricht | |
aufgepasst hätten. Als der englische Staatsphilosoph Thomas Hobbes 1657 | |
seine Theorie belegen wollte, dass sich Staaten untereinander regelmäßig an | |
die Gurgel gehen, wählte er ein Beispiel aus dem Tierreich: „Homo homini | |
lupus“, der „Mensch ist dem Menschen ein Wolf“. | |
Schön wär’s. Anders als Thomas Hobbes annahm, zerfleischen sich Wölfe | |
keineswegs dauernd untereinander. Im Gegenteil: Wären wir Homines sapientes | |
so clever wie die Wölfe, so lautlos und angepasst an unsere Umwelt und so | |
solidarisch untereinander, hätten wir Journalisten wenig zu schreiben. Und | |
wenn wir den Urvater all unserer Hassos und Bellos nicht insgeheim | |
schätzten, würden wir unser Geld und das Schicksal Europas auch nicht | |
ausgerechnet einem Menschen anvertrauen, der mit Vornamen Wolfgang heißt. | |
Aber wehe, der Wolf verhält sich artgerecht. Wenn er in manchen Teilen | |
Deutschlands wieder auftaucht und Schafe reißt, kennen selbst einige | |
Biobauern kein Pardon: „[1][Schießen! Sofort schießen!]“, forderte der | |
Geschäftsführer des Bauernbunds Brandenburg, Reinhard Jung, der vor ein | |
paar Wochen in der taz interviewt wurde. Die Antwort darauf war ein | |
langgezogenes Geheul von Tierschützern, das sich vor allem im Internet über | |
Tage hinzog: „Dämlich“ war noch das Mindeste. | |
Es folgten mehrere nicht druckfähige Beleidigungen. Diese Schmähkritik | |
gipfelte darin, wer Wölfe erschieße, solle selbst erschossen werden. Eine | |
Tierfreundin, die Kollege M. daraufhin fragte, ob sie das ernst meine, | |
beharrte auf ihrer Meinung: Wer Tiere töte, habe selbst kein Recht auf | |
Leben. | |
## Aus einer Frage eine Eselei | |
Das ist absurd. Ähnlich verrückt wie die herrschende Meinung, dass Tiere | |
nach unserem Recht oft wie Dinge be- bzw. misshandelt werden dürfen. Wer | |
die Qual von Schweinen ohne Ringelschwanz oder von Puten mit | |
teilamputierten Schnäbeln in den Fleischfabriken kennt, wird mehr Rechte | |
für Tiere wollen. Wer weiß, dass Menschenaffen uns fast völlig in den | |
Erbanlagen gleichen und so intelligent sind wie kleine Kinder, kann es | |
schwer ertragen, wie diese „Geschwister“ in Zoos gehalten werden. Aber wer | |
Tieren und Menschen grundsätzlich die gleichen Rechte zugesteht, macht aus | |
einer komplizierten ethischen Frage eine populistische Eselei. | |
Zunächst: Wer Wolfskiller oder andere Jäger zum Abschuss freigibt, der | |
fordert damit die Todesstrafe. Da endet Tierliebe in Menschenhass. | |
Vor allem aber: Wer Tiere und Menschen auf eine ethische Stufe stellt, | |
erweist dem Tierschutz einen Bärendienst. Denn wenn für Mensch und Wolf die | |
gleichen Regeln gelten, warum sollte der Mensch sich verpflichtet fühlen, | |
einen Konkurrenten um Nahrung und Territorium zu schonen? Er würde ihn so | |
behandeln, wie der Wolf uns, wenn er dazu die Chance bekommt: töten und | |
verspeisen. Wer will, dass der Mensch andere Tiere und Lebensräume schützt | |
– und das sollte man wollen –, der muss dafür sorgen, dass er sich als mehr | |
betrachtet als das Ende der Nahrungskette. | |
Wer die Grenzen zwischen Mensch und Tier verwischt, tut weder den einen | |
noch den anderen einen Gefallen. Auch bei den gut gemeinten Anzeigen der | |
Tierschützer von „Vier Pfoten“ sträuben sich mir die Nackenhaare. Wer | |
Promis dafür brüllen lässt, dass es „mehr Menschlichkeit für Tiere“ gib… | |
hat einen Vogel. Tieren reicht es völlig, tierischer behandelt zu werden. | |
Der Irrtum von Thomas Hobbes wird nicht besser, wenn man ihn einfach | |
umdreht. Es hilft auch dem schlauesten Räuber nicht, wenn der Wolf dem Wolf | |
ein Mensch ist. | |
26 Jul 2015 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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