# taz.de -- Tierschutz in Äthiopien: Weltweit für die Rechte der Esel | |
> In Äthiopien predigt eine englische Hilfsorganisation die fünf Rechte der | |
> Esel. Das freut die Einwohner, besonders weil das Tier dadurch länger | |
> lebt. | |
Bild: Mitten in Addis Abeba wuselt es von Eseln und Autos. | |
Der Tag auf dem Kornmarkt in Addis Abeba beginnt früh. Am Morgen kann man | |
sich zwischen hupenden Lastwagen und Tausenden von Eseln kaum noch bewegen. | |
Hier, mitten im Herzen des Merkatos, einem der größten offenen Märkte | |
Afrikas, werden die Feldfrüchte aus dem Umland verladen – Teff, Weizen, | |
Gerste, Erbsen. Die fruchtbaren Böden des Hochlandes bringen gute Ernten | |
ein, und die Hauptstädter verbrauchen davon einiges. Zwischen den | |
Lagerhallen parken die Lastwagen, von denen Männer die Säcke abladen. | |
Neben ihnen steht Chala Chaburte, ein Tierarzt. Er schaut kurz zur Seite, | |
dann widmet er sich wieder dem Grund seines Kommens: einem Esel, der darauf | |
wartet, beladen zu werden. Chaburte erklärt dem Besitzer des Tieres das | |
maximale Ladegewicht: Körpergewicht geteilt durch drei. Das macht für einen | |
normalen Esel fünfzig Kilogramm. Nebenan stemmt ein weiterer Mann einen | |
Kornsack auf seine Schultern. Hat der kein Ladehöchstgewicht? Nein, die | |
Arbeiter schaffen das, meint Chaburte. Sie essen gut. | |
Rund 18.000 Esel leben in Addis Abeba, der 4-Millionen-Einwohner-Hauptstadt | |
Äthiopiens. Die meisten der Grautiere schauen früher oder später auf dem | |
Kornmarkt vorbei. Viel mehr als ein Nutzgerät sind die Tiere für die | |
Menschen nicht. Daher gibt es das Donkey Sanctuary, zu Deutsch das | |
Eselsasyl. Gegründet wurde es von der Britin Elisabeth Svendson. Nach ihrem | |
Tod im Jahr 2011 hinterließ sie ein Eselimperium, das weltweit in der | |
Rettung von Grautieren tätig ist. | |
## Tiere sind Nutzgeräte | |
In Äthiopien haben die Eselsschützer ihren Hauptsitz in Debre Zeyt, einer | |
Universitätsstadt rund 50 Kilometer südlich von Addis Abeba. Im | |
Eingangsraum des Sanctuarys an der tiermedizinischen Fakultät hängt das | |
gerahmte Porträt von Svendson an der Wand. Manyahilishal Etefa, eine | |
34-jährige Tierärztin, leitet den Eselsschutz in Debre Zeyt. Sie weiß so | |
ziemlich alles, was man über Mulis und Esel wissen kann, und noch ein | |
bisschen mehr: Welche Parasiten die Tiere befallen: Spulwürmer. Welches die | |
häufigste Krankheit ist: offener Rücken. | |
Auf 6 Millionen Tiere schätzt Etefa den Eselsbestand des Landes. Esel sind | |
das äthiopische Äquivalent zum Familienauto und damit das Transportmittel | |
der Wahl für die meisten Dinge. Zement zum Bauen, Kohle zum Heizen, Wasser | |
zum Waschen und Trinken, die meisten Güter landen auf dem Rücken des treuen | |
Familienhelfers. Nur, dass die Menschen nicht gelernt haben, mit den Eseln | |
richtig umzugehen. | |
Daher erwarten die Tierärzte Mensch und Huftier an Stellen, an denen diese | |
besonders häufig gemeinsam auftauchen, und verkünden ihnen die fünf Rechte | |
der Tiere. Tierärztin Etefa erklärt die „five animal freedoms“ | |
bereitwillig, während sie ein Glas mit eingelegten Eselsparasiten in der | |
Hand hält. Sie kann die Dogmen der Tierretter natürlich auswendig, zeigt | |
aber auf ein Plakat, das die Wand der Tierklinik ziert. Dort stehen sie | |
aufgemalt, in hübschen bunten Kringeln. | |
Ein Leben frei von Unwohlsein sollten die Grautiere führen dürfen, satt | |
durchs Leben traben, frei von Schmerz und Krankheit ihren Bedürfnisse | |
nachgehen, ohne Angst den Eselsalltag genießen. Nehmen die Menschen so | |
etwas ernst? „Wenn man ihnen mit Empathie für Tiere kommt, dann nicht | |
immer. Erzähle ich ihnen, dass ihr Esel länger lebt, wenn sie ihn gut | |
behandeln, dann hilft das schon“, sagt Etefa. | |
## Die Suche nach Eselsündern | |
Manchmal erhält sie Anrufe, wenn im Umland ein Esel in Not geraten ist. | |
Dann fährt sie in die Dörfer, entwurmt die Tiere und operiert sie mitten | |
auf dem Dorfplatz – auf einer aufblasbaren OP-Unterlage und mit | |
transportablem Narkosegerät. Auf der Suche nach Eselsündern werden die | |
Tierretter besonders oft an Wasserstellen fündig. Dort werden die Esel mit | |
Plastikkanistern beladen. Passt der Halter nicht auf, verletzen die | |
scharfen Kanten der Behälter den Rücken der Tiere. | |
Da die Tierärzte nicht jeden Eselsbesitzer aufsuchen können, schulen sie | |
Multiplikatoren. Das sind zum Beispiel die Wächter der Wasserstellen | |
zwischen hupenden Lastwagen und Tausenden von Eseln. Diese Männer erklären | |
dann den Familien, wie man Tragegestelle baut, die kaum etwas kosten, und | |
die Kanten der Kanister von der Eselshaut fernhalten. Außerdem veranstalten | |
die Mitarbeiter des Donkey Sanctuary Schulungen auf den Dorfplätzen. | |
In der Eselsklinik am Merkato erwartet Chala Chaburte den Feierabend. Der | |
Stress vom Morgen hat sich gelegt. Die 40 Eselsbesitzer, die in der Früh | |
mit ihren Tieren auf den freien Behandlungsservice gewartet haben, sind | |
versorgt. Jetzt, am Nachmittag, ist es ruhig: Um kurz nach drei streckt ein | |
Esel seine Nase um die Ecke. Er scheint den Weg bereits zu kennen. Sein | |
Besitzer, ein 18-jähriger junger Mann aus Addis Abeba, glaubt, das Tier sei | |
von Parasiten befallen. Er hat den Esel neu gekauft und will Sicherheit, | |
dass er nicht betrogen wurde. | |
## Eine Gratis-Pediküre | |
Chaburte betrachtet den Bauch des Tieres und nickt: Mindestens ein Parasit. | |
Er begutachtet die Hufen: Unregelmäßig. Sein Assistent bringt ihm eine | |
Kneifzange und eine riesige Nagelfeile, dann verwöhnt Chaburte das Tier mit | |
einer Gratispediküre. Zum Schluss wird ihm noch ein Wurmmittel verabreicht. | |
Der Esel schluckt es, er legt nur leicht die Ohren zurück. Sein Besitzer | |
streichelt ihm die Stirn. | |
Die Zahl der Esel mit offenem Rücken ist auf dem Merkato jedenfalls um 50 | |
Prozent gesunken, seit die Eselshelfer aktiv sind. Und die Arbeiter haben | |
kostenlose Unterhaltung. Sie sitzen nach Feierabend Kat-kauend am | |
Straßenrand und lauschen Chaburtes Vorträgen. Heute schlägt er den | |
Arbeitern vor, einen Futterbehälter für die Esel anzuschaffen, damit die | |
Tiere ihr Korn nicht direkt vom Boden fressen müssen. Die Männer nicken. | |
Ein Futternapf für Esel – wo gibt’s denn so was? | |
26 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Silke Beckedorf | |
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