# taz.de -- Niederlande verbietet Schächtung: Tierschutz vor Religionsfreiheit | |
> Weder koscher noch halal. Das rituelle Töten nicht betäubter Tiere ist in | |
> den Niederlanden zukünftig verboten. Juden und Muslime sind empört. | |
Bild: Schächten verboten: Rituelle Schlachtungen wird es in den Niederlanden n… | |
Hinweis: dieser Text ist aus dem Jahr 2011 | |
AMSTERDAM taz | In den Niederlanden wird unbetäubtes Schlachten | |
grundsätzlich verboten. Mit deutlicher Mehrheit nahm das Parlament in Den | |
Haag am Dienstag einen Antrag der Tierschutzpartei (Partij voor de Dieren, | |
PvdD) an, dem zufolge Tieren beim koscheren und Halal-Schlachten unnötiges | |
Leid zugefügt wird. Bislang waren Juden und Muslime von dem Gesetz | |
ausgenommen. | |
Künftig soll es nur noch ministeriell beglaubigte Ausnahmen geben. Dazu | |
muss wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass Tiere nicht mehr leiden als | |
bei konventionellen Schlachtmethoden. | |
Diese Kompromisslösung, in den Niederlanden als „Polderschlacht“ | |
bezeichnet, ist das Ergebnis einer mehrjährigen Debatte um die Beziehung | |
zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit, die sich im Frühjahr nach | |
massiven Protesten muslimischer und jüdischer Verbände zugespitzt hatte. | |
Die Ausnahmeregelung wurde erst im letzten Moment auf Initiative linker und | |
liberaler Parteien in den Gesetzesentwurf aufgenommen. Sie erklärten es zu | |
ihrem Anliegen, den Tierschutz zu verbessern, ohne damit die | |
Religionsfreiheit „unnötig einzuschränken“, wie es in einer Stellungnahme | |
der sozialdemokratischen Partij van de Arbeid (PvdA) heißt. | |
Marianne Thieme, die Initiatorin des Gesetzes, nannte die Ausnahmeregelung | |
dagegen „rein hypothetisch“. Die Vorsitzende der zweiköpfigen Fraktion der | |
Tierschutzpartei reagierte euphorisch auf das Ergebnis der Abstimmung: „Zum | |
Glück versteht eine große Mehrheit, dass das Tierwohl ein legitimes | |
Argument ist, die Religionsfreiheit einzuschränken“, erklärte sie. | |
## „Regelrechte Irreführung der Gesellschaft“ | |
Drei Abgeordnete der PvdA-Fraktion sowie einer der Wilders-Partei PVV, die | |
als projüdisch gilt, stimmten im Unterschied zu ihren Fraktionen gegen ein | |
Verbot. An der Basis beider Parteien gibt es Unzufriedenheit mit der | |
Ausrichtung der Fraktionen. | |
Empört zeigten sich nach der Abstimmung Vertreter jüdischer und | |
muslimischer Verbände. Das Kontaktorgan Muslime und Staat (CMO) sieht auch | |
in der geänderten Version eine „regelrechte Irreführung der Gesellschaft“ | |
und eine umumkehrbare Einschränkung der Religionsfreiheit. | |
Dass die Beweislast bei den Gläubigen liegt, kritisierte das CMO ebenso wie | |
das Beratungsgremium jüdischer Organisationen. Letztere kündigte an, | |
notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg | |
zu ziehen. | |
29 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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