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# taz.de -- Union und die Ehe für alle: Blinde Politik
> Die Ehe für alle ließe sich gerade mit konservativen Begründungen
> durchsetzen. Aber die CDU und Angela Merkel sind dafür zu feige.
Bild: Die gegenseitige Verantwortung besiegeln – das sollte doch vor allem de…
Das muss wohl als Zeichen von starker Frustration verstanden werden: Die
LSU Nord – also die Lesben und Schwulen in der CDU/CSU in Norddeutschland –
haben öffentlich erklärt, bei den nahen CSD-Paraden in Braunschweig und
Hamburg keine Infostände aufzubauen, um für die Politik der eigenen Partei
zu werben. Grund, so sagen es Mitglieder der LSU, sei „die zögerliche
Haltung der Bundes-CDU zur Gleichstellung von Eingetragener
Lebenspartnerschaften und Ehe“.
Eine Einschätzung, die durch jüngste Äußerungen aus der Partei genährt
wird. Im Interview mit dem YouTuber LeFloid sagte auch Angela Merkel,
wenngleich sanft im Ton, dass für sie die Ehe eine Angelegenheit von Mann
und Frau sei. Diskriminierung anderer Partnerschaften fände sie doof, aber
es gäbe ja die eingetragene Lebenspartnerschaft. Eine Begründung, die seit
Neuestem internationalen Standards nicht standhält, jedenfalls gemessen am
westlichen, nichtreligiösen Zivilisationsniveau.
Das krass-katholische Irland stimmt bei einer Volksabstimmung, befördert
durch die konservative Regierungspartei, für die Ehe für alle. Und der
US-amerikanische Supreme Court entschied neulich, dass die Ehe nicht
Heterosexuellen allein möglich sein darf – jetzt sind auch die letzten
US-Bundesstaaten gezwungen, entsprechende Gesetze zu ändern.
In der FAZ, den Gefühlen des Unionspublikums stets am nächsten, war neulich
das vom Allensbach-Institut ermittelte Stimmungsbarometer der Republik
hauptsächlich der Homofrage gewidmet. Heraus kam: Knapp die Hälfte der
(insgesamt, nicht nur der Union nahestehenden) Befragten ist für eine
vollständige Gleichstellung homosexueller Paare. Lediglich 17 Prozent
finden, dass Homosexuelle keineswegs gleichgestellt werden dürfen. Die
atmosphärischen Verhältnisse im Mainstream der Republik haben sich also in
den vergangenen 15 Jahren umgekehrt – damals wurde die eingetragene
Lebenspartnerschaft erstmals im Bundestag debattiert.
## Feigheid vor alten KameradInnen
Ähnliche demoskopische Befunde werden auch aus den USA, aus Irland und aus
vielen anderen westlichen Ländern berichtet – selbst in Spanien wird die
durchgesetzte Ehe für alle nicht mehr von der konservativen Regierung
angefochten.
Was die liberalisierten Staaten gemein haben, wird in Deutschland durch die
christlich fundierte Union bestritten. Früher war die Vorstellung von Ehe
an Fortpflanzungsnormen gebunden, heute gilt der sogenannte Bund fürs Leben
als Erklärung zweier Menschen zur gegenseitigen Verantwortung. Liebe ist
das Thema, eine auf Dauer gestellte Verbindung – nicht jedoch eine, deren
staatlich gesicherte Moral mit bevölkerungspolitischen Erwägungen spielt.
Wie in den USA, in Irland oder etwa durch die Tories in Großbritannien
ließe sich gerade mit konservativen Begründungen die Ehe für alle
durchsetzen. Angela Merkel will aber nicht, wahrscheinlich aus Feigheit vor
den alten KameradInnen, die es ja auch noch in ihrer Partei gibt.
## Gebeutelte LSU
Am Freitag wird die Berliner Landes-Union auszählen, wie ihre
innerparteiliche Befragung zur Ehe für alle ausgefallen ist. Könnte sein,
dass sie sich mit einem sanften „Nein, vielleicht später Ja, man weiß ja
nie oder so“ blamiert. Käme es nicht zu einem klaren Ja, kann sich die CDU
darauf einrichten, noch viel länger in Metropolen politisch abgehängt zu
bleiben.
Eine Union, die blind bleibt für die politische Qualität der Botschaft von
der Ehe für alle, bleibt dem Geist der fünfziger Jahre näher als allen
zeitgenössischen Empfindungen. Die Lesben und Schwulen der LSU, ohnehin
gebeutelt, weil sie auf CSD-Paraden verspottet werden, wollen tapfer
bleiben. „Wir geben nicht auf“, heißt es in ihrer Presseerklärung.
24 Jul 2015
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
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