| # taz.de -- Iran nach dem Atomabkommen: Vorbild China | |
| > Der Atomdeal stürzt die Staatsführung Irans in ein Dilemma: Sie braucht | |
| > den Aufschwung, befürchtet aber den Einfluss des Westens. | |
| Bild: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit Irans Präsident Hassan Rohani in … | |
| Berlin taz | „Unabhängig davon, ob das Atomabkommen am Ende ratifiziert | |
| wird oder nicht, werden wir es niemals unterlassen, unsere Freunde in der | |
| Region zu unterstützen: Das entrechtete Volk Palästinas, das unterdrückte | |
| Volk in Jemen, das Volk und den Staat Syriens und Iraks, das unterdrückte | |
| Volk von Bahrain und den aufrichtigen Widerstand in Libanon – sie alle | |
| werden unsere Unterstützung erhalten“, sagte Irans Revolutionsführer Ali | |
| Chamenei. | |
| Die Politik seines Landes gegenüber den USA werde sich nicht ändern. Die | |
| Islamische Republik werde keinen Krieg gegen ein anderes Land führen, aber: | |
| „Sollte es hier einen Krieg geben, werden es die verbrecherischen | |
| US-Aggressoren sein, die als Verlierer das Feld verlassen.“ | |
| Diese Worte des Geistlichen Oberhaupts der Islamischen Republik, die er am | |
| vergangenen Samstag zum Abschluss des Fastenmonats vor Zehntausenden | |
| Gläubigen sprach, wurden in Deutschland kaum wahrgenommen. Sie wurden | |
| übertönt von der Euphorie über die zu erwartenden lukrativen Geschäfte mit | |
| dem Iran. Doch sie sollten ernst genommen werden. | |
| Dem Geistlichen Oberhaupt ist wohl bewusst, dass sich die seit 36 Jahren | |
| bestehende Islamische Republik an einem Scheideweg befindet. Das | |
| Atomabkommen wird zwangsläufig die Tore des Landes für ausländische | |
| Unternehmen öffnen. Mit dem Einzug der Wirtschaft dürfte auch alles ins | |
| Land gebracht werde, was zu einer modernen westlichen Gesellschaft gehört, | |
| kalkuliert man im Westen. Das Atomabkommen werde im Iran über kurz oder | |
| lang zu einem Wandel Richtung Westen führen. | |
| Genau davor fürchten sich die iranische Staatsführung, die radikalen | |
| Islamisten und die Konservativen. Ihr Dilemma: Einerseits sind sie sich | |
| bewusst, dass eine anhaltende Wirtschaftskrise zu sozialen Unruhen führen | |
| würde und daher ein wirtschaftlicher Aufschwung für das Land existenziell | |
| wichtig ist. Andererseits ist ihnen klar, welche Gefahren in einer | |
| möglichen Annäherung an den Westen stecken. | |
| ## Der politische Kampf ist spürbar | |
| Doch der Druck zu einem Wandel kommt nicht allein von außen, auch im Innern | |
| werden die Forderungen nach einer offenen Gesellschaft immer lauter. Die | |
| Wähler, die vor zwei Jahren Hassan Rohani zum Präsidenten gewählt haben, | |
| hoffen, dass die Regierung ihre Wahlkampfversprechen einlöst: dass sie die | |
| Rechte der Staatsbürger achtet, Zensur der Presse, des Internets, der Kunst | |
| und Literatur aufhebt, die politischen Gefangenen freilässt. Da ist bislang | |
| aber wenig geschehen. Die Regierung Rohani hat sich auf den Atomkonflikt | |
| konzentriert. Ihre zögerlichen Versuche, die politische Lage im Land selbst | |
| zu ändern, haben Konservative und Radikale Islamisten vereitelt. | |
| Im Iran tobt seit Jahren ein politischer und ideologischer Machtkampf, der | |
| sich nach dem Atomabkommen zugespitzt hat. Den Konservativen schwebt ein | |
| Modell wie das in China vor. Iran soll eine wirtschaftlich und militärisch | |
| starke regionale Großmacht werden, mit großem Einfluss in den Staaten des | |
| Nahen und Mittleren Ostens. Nach innen soll aber das repressiv islamisch | |
| geprägte System beibehalten werden. Dagegen wollen die Reformer und die | |
| iranische Zivilgesellschaft eine freie und moderne Gesellschaft, ohne dabei | |
| in Abhängigkeit vom Westen zu geraten. | |
| Der Kampf zwischen beiden Strömungen ist täglich spürbar. Ob es um | |
| Kleidungsvorschriften für Frauen geht, um die Aufführung eines Konzerts, um | |
| einen Film, einen Roman oder um die Reform der Pressegesetze, Zulassung | |
| freier Gewerkschaften, freie Lehre und Forschung an den Universitäten, | |
| immer geht es letztendlich um die Frage, ob das islamistisch geprägte | |
| System beibehalten oder Schritt für Schritt gelockert wird. | |
| ## Für die Region von Bedeutung | |
| Den Konservativen ist es wohl bewusst, dass der Prozess der Modernisierung | |
| der Gesellschaft die Legitimation eines islamischen Staats immer mehr | |
| infrage stellt, ja letztendlich seinen Untergang herbeiführt. Sie versuchen | |
| mit allen Mitteln, die einer Gewaltherrschaft zur Verfügung stehen, den | |
| Prozess aufzuhalten. | |
| Kritische Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Frauenrechtlerinnen | |
| werden in Haft genommen, hunderte literarische Werke liegen seit Jahren in | |
| der Zensurbehörde, der international bekannte Filmemacher Dschafar Panahi | |
| ist zu zwanzig Jahren Berufsverbot verurteilt worden und dergleichen mehr. | |
| Die beiden führenden Politiker der Grünen Bewegung gegen die Wiederwahl von | |
| Präsident Mahmud Ahmadinedschad 2009, Mir Hossein Mussavi und Mehdi | |
| Karrubi, befinden sich ohne ein Gerichtsurteil seit Jahren im Hausarrest. | |
| In welche Richtung sich der Iran in den nächsten Jahren entwickeln wird, | |
| ist auch für die gesamte Region des Nahen und Mittleren Osten von großer | |
| Bedeutung. Das sollten westliche Politiker, die gelockt von der Hoffnung | |
| auf Milliardengeschäfte in den Iran reisen, im Auge behalten. | |
| 21 Jul 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Bahman Nirumand | |
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