# taz.de -- Debatte Rechtsruck bei der AfD: Rassismus bis in die obersten Gremi… | |
> Nach dem Abgang von Bernd Lucke steht die neue Vorsitzende Frauke Petry | |
> vor großen Problemen. Vier Thesen zu einer Partei in der Krise. | |
Bild: Bernd Lucke ist schon fast aus dem Sichtfeld der AfD, Frauke Petry hat ü… | |
Als Frauke Petry [1][auf dem Essener Parteitag der Alternative für | |
Deutschland zur neuen Vorsitzenden gewählt war], hätte sie ihrem | |
Konkurrenten Bernd Lucke und seinen Anhängern souverän die Hand reichen | |
können. Stattdessen drehte sie sich vom Rednerpult aus zu ihrem | |
geschlagenen Widersacher um und nannte ihn die „Galionsfigur der | |
Gründerzeit“. Der nachgeschobene Satz, sie hoffe, er bleibe in der AfD, | |
wirkte da bereits wie blanker Hohn. | |
Lucke gilt den neuen Machthabern als Verräter, der die Partei spalten | |
wollte. Dem neuen 13-köpfigen Parteivorstand gehören zehn Mitglieder an, | |
die der rechte Parteiflügel zur Wahl empfohlen hatte. Ihren Sieg begingen | |
die Nationalkonservativen nicht demütig, sondern mit lautem Gebrüll. Sie | |
johlten und buhten und trieben das Lucke-Lager regelrecht aus der Partei. | |
Doch die vorläufige Einigkeit nach innen wird sich bei der Frage nach der | |
zukünftigen Bedeutung als Pyrrhussieg erweisen. | |
4.000 Unterstützer hatte Lucke in seinem Verein „Weckruf 2015“ um sich | |
gesammelt, über die Hälfte hat inzwischen der AfD den Rücken gekehrt, mehr | |
als 10 Prozent der bundesweit etwa 20.000 Parteimitglieder. Ganze | |
Kreisverbände haben sich aufgelöst, die vierköpfige parlamentarische Gruppe | |
in der Bremer Bürgerschaft hat sich auf einen wackeren Petry-Getreuen | |
dezimiert, die Gruppe im Europaparlament von sieben auf zwei reduziert. Es | |
gehen die Liberalen, die Mittelständler, Ökonomen und Professoren. | |
Die Partei sei „keine Heimat mehr für vernünftige Mitglieder mit gesundem | |
Menschenverstand und Manieren“, erklärte Tilman Matheja, der bisherige | |
Bundesgeschäftsführer der Politischen Akademie der AfD in seinem | |
Austrittsschreiben. Mit den Funktionären kehren auch viele bisherige | |
Sympathisanten und Wähler der Partei den Rücken. In der ersten | |
Meinungsumfrage von Emnid nach dem parteiinternen Putsch sank der | |
Zustimmungswert auf 3 Prozent bundesweit – im Mai war er noch doppelt so | |
hoch. | |
## Stramm-rechter Kurs | |
In einer [2][YouGov-Umfrage] zeigen sich 58 Prozent der Befragten | |
überzeugt, dass die Partei früher oder später verschwinden werde, nur 17 | |
Prozent glauben, sie werde auch in Zukunft eine politische Rolle spielen. | |
Diesen schwerwiegenden Verlust sowohl an Kompetenz als auch an Rückhalt | |
will Petry nicht wahrhaben. Für sie war der Parteitag schlicht ein | |
„Befreiungsschlag“. | |
Die YouGov-Befragung zeigt auch, wie sich die Bedeutung der AfD regional | |
unterscheidet. Während in Berlin 71 Prozent der Befragten die Partei | |
bereits abgeschrieben haben, sind dies in Petrys Heimatland Sachsen nur 50 | |
Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern konnte die Partei bislang mit | |
einem stramm-rechten Kurs gegen Flüchtlinge, geschürter Angst vor | |
Islamisierung und einer barschen Law-and-Order-Politik punkten. | |
Gleichzeitig ging sie auf Stimmenfang, indem sie sich immer wieder lobend | |
auf die Politik der DDR etwa im Bildungswesen, aber auch bei der inneren | |
Sicherheit, bezog. | |
Offenbar fällt eine ressentimentgeladene Politik gegen alles Fremde im | |
Osten auf fruchtbareren Boden. Während Pegida im Westen ein Randphänomen | |
blieb, wurde die Bewegung in Dresden und Leipzig zeitweilig zu einem | |
Massenphänomen – stets begleitet von Sympathiebekundungen seitens der AfD. | |
In Essen bezeichnete Petry Pegida als vergebene Chance „Wir hätten dieses | |
Thema zu einem Erfolg für die Partei machen können“, so ihre These. | |
In Zukunft wird die Partei mit den Themen Asyl und Islam punkten wollen. | |
Dass Wählerpotenzial für eine solche Politik besteht, daran gibt es keinen | |
Zweifel. Doch es ist nicht unerschöpflich. Insofern könnte es zu einem | |
massiven Problem für die AfD werden, dass auch Pegida bei den kommenden | |
Landtagswahlen antreten will. Besonders bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt im | |
März und Mecklenburg-Vorpommern im Herbst nächsten Jahres droht sich das | |
rechte Lager gegenseitig zu kannibalisieren. | |
## Rechtfertigungsdruck für Petry | |
Bernd Lucke wusste, dass seine Partei – solange sie noch seine war – nur | |
erfolgreich sein könnte, wenn sie sich über das Euro-Thema hinaus öffnen | |
würde. Er selbst ebnete mit gezielten Aussagen und Provokationen den Weg | |
für jene, die ihre Politik auf stumpfe Deutschtümelei und insbesondere | |
antimuslimischen Rassismus begründen. Zuletzt hatte er nicht nur im eigenen | |
Parteivorstand eine geballte Fraktion gegen sich, die die AfD deutlich | |
weiter rechts positionieren wollten als er selbst. Petry war Teil dieses | |
Lagers. | |
Anders als einige ihrer neuen Kollegen im Parteivorstand – etwa | |
Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg, für den der Umgang mit | |
NPD-Kadern etwas völlig Selbstverständliches ist – tritt Petry bedacht auf. | |
Doch jetzt steht die Mehrheit im Vorstand rechts von ihr. | |
Während es auf dem Parteitag donnernden Applaus für Redebeiträge gab, die | |
gegen die „Invasion von Scheinasylanten“ hetzten, sprach Petry vom Versuch | |
der Medien, die Partei „ins politische Abseits“ zu stellen. Doch diese | |
Verschleierungsstrategie ist zum Scheitern verurteilt. | |
Der offene Rassismus bis in die obersten Parteigremien lässt sich nicht | |
leugnen. An Eskapaden von Parteifreunden, die Petry rechtfertigen muss, | |
wird es nicht mangeln. Sie wird sich dann entscheiden müssen: Gibt sie ihre | |
Strategie auf und verzichtet auf die letzten gemäßigten Wähler, oder macht | |
sie sich mit scharfer Abgrenzung den ultrarechten Parteiflügel zum Gegner. | |
Bereits am Sonntag wollen ehemalige AfD-Mitglieder und Anhänger von Lucke | |
eine neue Partei gründen. Zuvor hatten bei einer Umfrage 71 Prozent der | |
Weckruf-Mitglieder für eine Parteineugründung votiert. Eine andere Wahl | |
bleibt ihnen auch kaum, wenn sie sich weiterhin in einer politischen Partei | |
engagieren wollen. Denn sowohl FDP als auch CDU haben angekündigt, den | |
Verschmähten keine neue Heimat zu bieten. Doch eine weitere | |
konservativ-wirtschaftsliberale Partei braucht niemand. Zwischen FDP und | |
AfD ist kein Platz mehr für eine neue Lucke-Partei. | |
15 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Nach-dem-Machtwechsel-in-der-AfD/!5210051 | |
[2] http://yougov.de/news/2015/07/13/deutsche-sehen-kaum-zukunft-fur-die-afd/ | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Schwerpunkt AfD | |
Frauke Petry | |
Rechtspopulismus | |
Bernd Lucke | |
Parteien | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Lettland | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt AfD | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
AfD-Gründer Lucke lehrt in Hamburg: Bernd ist wieder da | |
Er gründete die AfD mit, aber wofür er stand, ist dort längst nicht mehr | |
mehrheitsfähig. Jetzt wird Bernd Lucke wieder Professor in Hamburg. | |
Eklat beim Saisonauftakt in Russland: „Affe“-Rufe und Stinkefinger | |
Beim Saison-Auftaktspiel in der russischen Premier League gab es | |
rassistische Beleidungen von den Moskauer Fußballfans – und eine rote Karte | |
für Frimpong. | |
Gegen Flüchtlinge in Estland und Lettland: Fremdenfeindliches Baltikum | |
Die Abneigung gegen Flüchtlinge hat in Estland und Lettland schon paranoide | |
Züge. Die Argumentation ist von Angst beherrscht. | |
Abspaltung von der AfD: Alternative zur Alternative kommt | |
Der „Weckruf“-Verein um Ex-AfD-Chef Bernd Lucke will eine neue Partei | |
gründen. Unklar ist, welche Rolle Lucke darin spielen wird. | |
Nach dem Streit um die Parteiführung: AfD verliert an Zustimmung | |
Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts würde die Partei derzeit nur drei | |
Prozent der Wählerstimmen erhalten. Die FDP kann von der Schwäche aber | |
nicht profitieren. | |
Kommentar Luckes Parteiaustritt: Schlichtweg verkalkuliert | |
Er war Mitbegründer der AfD, deren Chef und setzte auf Stimmen vom rechten | |
Rand. Letztlich wurde Bernd Lucke Opfer seiner eigenen Strategie. | |
Parteigründer Lucke tritt aus der AfD aus: AfD ist keine Alternative mehr | |
Erst hatte Bernd Lucke den Machtkampf mit Frauke Petry verloren, nun | |
verlässt der Parteigründer die Rechtspopulisten. |